
- •Einleitung
- •Teil 1 Übersicht der Traklsuntersuchungen in der Ukraine und im Ausland
- •1.1.Einfluß der sakralen Barockkunst auf die Gestaltung der poetischen Welt g.Trakls.
- •1.2.“Identität des Kunstraums von Georg Trakl im Kontext der Zeit, der Traditionen und des Kulturdialogs“
- •1.2.1. Stichwörter bei Trakl in der Untersuchung von k.Lipinski
- •1.2.2. Kompositionsprinzipien der Dichtung von g. Trakl (c. Csuri)
- •1.2.3.Vergleich der Farbsymbolik bei g. Trakl und p. Celan. Die Rolle der Farbbezeichnungen in der semantischen Struktur des Textes am Beispiel der Interpretation eines Gedichts (p. Rychlo)
- •1.3. Zu den Versuchen der literarhistorischen Einordnung der Dichtung von g. Trakl (h.-g. Kemper)
- •1.4. Der Einfluss der universellen Symbolik von o. Weininger auf die Farbsymbolik g. Trakls
- •1.5. I. Riedel über die Farben in Religion, Gesellschaft, Kunst und Psychotherapie
- •Verflossen ist das Gold der Tage.
- •2. Zu den Farbbezeichnungen und zur Farbsymbolik bei Georg Trakl Einleitung
- •2.1. Zur Definition des Begriffs „Farbbezeichnung“
- •2.2. Blau
- •2.3. Schwarz
- •2.4. Golden
- •3. Zum Problem der Übersetzung von Farbbezeichnungen ins Ukrainische
- •Schlussfolgerungen
- •Quellenverzeichnis
2.4. Golden
Nach der Häufigkeit des Gebrauchs steht Golden bei Georg Trakl zusammen mit Grün an der dritten Stelle. Diese Farbbezeichnung wird sowohl von Adjektiven, als auch von Nomen vertreten. Kennzeichnend ist auch die Konstellation von Gold mit einem Herbst-Gefühl: das dunkle Gold verfallener Sonnenblumen; Verflossen ist der Gold der Tage („Rondel“); Golden sanken die Sonnenblumen; ihr Zeiten… goldener Herbste. Der Farbbezeichnung Gold begegnen wir auch in folgenden Kontexten: das letzte Gold verfallener Sterne; das rote Gold meines Herzens (das in dieser Nacht erloschen ist); ein Goldenes verlor sich die Wolke; dunkelgoldene Frühlingstage; auf goldenen Rädern der Tag davon rauscht; das tönende Gold am Hügel - in der Bedeutung der letzten Strahlen der Sonne, die untergeht. Und weiter noch: Weh, ihr goldenen Schauer des Todes („Anif“); Ein goldener Kahn schaukelt, Elis, dein Herz am einsamen Himmel (aus dem Gedicht „Elis“, in dem es um den verstorbenen Jüngling geht); Blaue Blümchen umschweben das Antlitz des Einsamen, den goldenen Schritt ersterbend unter dem Ölbaum („Gesang einer gefangenen Amsel“). Aus allen oben angeführten Beispielen ergibt sich die Konnotation zum Abschiedsschmerz um etwas Lichtes, Wertes, Heiliges, innig Geliebtes, das aber leider dem Verfall, dem Untergang, dem Tode geweiht ist. In der biblischen Symbolik gilt Gold als der höchste Wert, mit solchen menschlichen Werten wie Weisheit und Liebe verbunden. Als Sonnenfarbe wurde Gold noch in den vorchristlichen Zeiten Symbol des Himmels überhaupt. Die Gestalten der Bibel werden immer mit einem goldenen Nimbus um ihr Haupt dargestellt. Als Symbol des Heiligen, Göttlichen wird bei Trakl die Farbbezeichnung Gold im Gedicht „Ein Winterabend“ gebraucht. Darüber schreibt I. Riedel in ihrer Untersuchung [15, S. 256].
2.5. Grün
Eben so oft, wie Golden begegnet man auch der Farbbezeichnung Grün in der Dichtung von Trakl. Nach der Meinung von Iris Denneler dominiert hier die Konstellation Grün-Vegetatives, wahrscheinlich des Frühlings od. des Sommers, das dem Rot-Vegetativen als dem Überreiften, dem Herbstlichen gegenübergestellt wird. Das beweisen die Wortverbindungen, wie: grünes Gezweig; im grünen Geäst; Grünendes, Blütengezweig; im grünen Schatten des Ölbaums; die grüne Blume; die grünen Wälder; im grünen Sommergarten; das grüne Laub; ein spärliches Grün - insgesamt 29 Belege nur in der Sammlung „Sebastian im Traum“. Die Urerfahrung des Menschen verbindet sich mit Grünerleben als Grün-Sehnsucht nach dem harten Winter, mit einem „Wiesen-, Baum- und Waldgefühl“, aber auch mit einem wässerigen Element als dem Quell- und Keimbereich des Lebens, so Ingrid Riedel [15, S.106 – 109]. Für die letzte Konstellation gibt es in der Sammlung „Sebastian im Traum“ sieben Belege, wie z.B. den grünen Fluss hinab, im grünen Weiher, über der grünen Stille des Teichs, frei ergrünt der Bach usw.
„Das Grün ist das Anfängliche, Keimhafte, das … in vielen Schöpfungsberichten eine Rolle spielt“, schreibt I. Riedel in dem Artikel über Symbolik und Archetypen von Grün, und als Beispiel wird ein Zitat aus dem Alten Testament angeführt: „Es lasse grünen die Erde grünes Kraut, das Samen bringt, die Fruchtbäume, die Früchte auf Erden tragen, in denen ihr Same ist. Und es geschah so“ (1. Mose 1,11). Schöpfung gipfelt weiter in der Anlage eines Gartens für den Menschen [15, S. 109]. Aus den alten Vegetationsmythen, die das Sterben und Werden der Natur zum Ausdruck bringen, transzendiert die Grünsymbolik auch in die christliche Kirche. Im Mai als Marien-Monat, werden Kirchen und Häuser mit jungen Birken geschmückt, was an die das Leben wiederbringende Muttergöttin erinnern sollte. Auch zu Pfingsten schmückt man Häuser und Kirchen mit grünen Zweigen. Das Grün wird also zur Wandlungskraft des Heiligen Geistes transzendiert, aber auch der gekreuzte Christus wird in der frühmittelalterlichen Malerei mit einem grünen Nimbus ums Haupt dargestellt. Auf einem anderen Bild zeigt sich der auferstandene Christus im grünen Mantel mit bewegter segnender Gebärde, und die Mandorla, die ihn umschließt, strahlt in einer breiten, mehrfach abgestuften Grün-Zone aus. Wie das Johannes-Evangelium berichtet (Kapitel 21), erschien Maria Magdalena der auferstandene Christus als Gärtner. Zu dieser Geschichte gibt es auch frühmittelalterliche Buchmalereien, die sowohl Kleider als auch Gesicht und Hände grün erscheinen lassen [15, S. 114 - 117]. In der christlichen Symbolik ist also Grün die Farbe der Versöhnung, des Tröstens, der Hoffnung auf Wandlung, des Auferstehens. Ähnliche Konnotation ergibt sich vermutlich aus dem Ausruf „O das grünende Kreuz“ aus dem Gedicht „Im Dunkel“, das ein komplexes Frühlingsgefühl zum Ausdruck bringt.
Die Farbbezeichnung Grün verfügt in der Trakls Dichtung nicht nur über die positive, sondern auch über die negative Bewertung. Das ergibt sich aus solchen Konstellationen, wie: die grüne Verwesung des Fleisches, die grünen Flecken der Verwesung, ergrünt so stille die Schläfe des Einsamen, in denen Grün eine Konnotation zum Ende, Tode hat.
2.6. Rot
Eine wichtige Rolle spielt bei Trakl auch die Farbbezeichnung Rot, die nach der Häufigkeit des Gebrauchs den 5. Platz belegt. Laut der Aussage von Iris Denneler wird Rot in Verbindung zu zwei Wortfeldern gebraucht, und zwar zum Bereich des Rot-Vegetativen, als Bezeichnung des überreiften Lebens, des Herbstes und zum Bereich des Sinnlich-Erotischen [10, S. 101]. Als Beispiele für den ersten Fall kann man solche Wortverbindungen anführen, wie: „das Rauschen roter Platanen“, „Im roten Laubwerk voll Guitarren“, „Das Laub fällt rot vom alten Baum“. Die Beispiele aus dem zweiten Gebrauchsfeld sind: „dein roter Mund“, „die rote Stille deines Munds“, „… brach sein Mund gleich einer roten Frucht auf“, „die roten Brüste“. Außerdem ist Rot die Farbe des Blutes und als solche tritt sie in den Szenen des Krieges und der Apokalypse. P. Celan unterstrich „das zerstörerische Potenzial der roten Farbe“ bei G. Trakl [17, S. 139].
Wenn wir die Rot-Symbolik bei Trakl mit der traditionellen Farbsymbolik vergleichen, sehen wir, dass sie nur teilweise übereinstimmen. I. Riedel berichtet über die Idee von J. Chevalier, der zwischen der männlichen und weiblichen Rot-Symbolik unterscheidet. Das weibliche Rot ist die Farbe des Leiblichen, des Irdischen und des Mütterlichen [15, S. 27]. Das männliche Rot wird als impulsive, aggressive, auch sexuell aktive Lebenskraft erfahren [15, S. 29]. Bei Trakl begegnen wir im Gedicht „Jahr“ solchen Versen:
… im Hasellaub wölbt sich ein purpurner Mund,
Männliches rot über schweigende Wasser geneigt.
Man kann vermuten, dass hier um die Nebeneinanderstellung der weibliche Sinnlichkeit der ersten Zeile und der männlichen Sinnlichkeit der zweiten Zeile geht.
Im Alten Testament ist Rot die Farbe der Sünde und zugleich die der zürnenden und strafenden Gerechtigkeit, des göttlichen Gerichts [15, s. 29]. Aber im Christentum reicht die Skala des Rot von Aggression, Zerstörung und Tod bis zu Liebe, Hingabe und Opfer [15, S. 30]. Rot werden die feurigen Zungen dargestellt, die sich an Pfingsten auf jeden der Jünger niederlassen. Es ist also „die Farbe des Heiligen Geistes als des Begeisternden, Inspirierenden, der es ermöglicht, mit Menschen- und Engelszungen zu reden[15, S. 32]“. Rot ist auch der Wein als Symbol Christi Blutes, den die Christen bei der Eucharistie einnehmen. In der christlichen Symbolik ist also Rot vor allem die Farbe des Blutes und der Passion Christi, des heiligen Feuers und der christlichen Liebe [15, S. 34]. Aufgrund unserer Untersuchungen können wir feststellen, dass solche positive Konnotation in Trakls Dichtung nicht vorhanden ist.
2.7. Weiß
Interessant ist auch die Semantik der Farbbezeichnung Weiß in Trakls Dichtung. Sie widerspricht der traditionellen europäischen Farbsymbolik, wo sie Heiligkeit, Licht, Unschuld und Reinheit bedeutet. Im Christentum erscheint Gott selbst im weißen Gewand auf weißem Thron, leuchtend. Weiß ist das Gewand Christi und derer, die an ihm teilhaben. Der Engel der Auferstehung erscheint in Weiß. Neben Gold ist Weiß die Farbe des ungetrübten Lichtes, der göttlichen Herrlichkeit, der Offenbarung. Es ist auch die liturgische Farbe von Osten, Weihnachten, Epiphanias und Himmelfahrt [15, S. 182 – 186]. Bei Trakl liegt die Weiß-Symbolik der im deutschen Volksglauben, aber auch bei Sorben, näher, wo sie mit Tod verbunden ist. In Weiß erscheinen die Totengeister, sowohl im deutschen Volksglauben als auch bei afrikanischen Stämmen. In manchen sorbischen Dörfern ist Weiß bis heute die Trauerfarbe. Weiß ist auch Trauerfarbe in Asien [15, S. 182]. Bei Trakl begegnen wir dieser Farbbezeichnung in solchen Kontexten: „Haus und Dämmergarten weißer Menschen“, „Über den weißen Lidern des Toten“, „Weißer Antlitz der Mutter“, „Die weiße Gestalt des Kindes“, „… und sie liegt ganz weiß im Dunkel“, die sich auf die Verstorbenen beziehen. Nach der Meinung von Gerald Stieg sei die Weiß-Symbolik bei Trakl mit dem Einfluss der Farbmetaphysik von O. Weininger verbunden. Bei Weininger begegnen wir auch solcher Einschätzung der Farbbezeichnung Weiß: „… falscher Schein der Vollkommenheit“. Gerade solche Bedeutung habe Weiß in der Gerald Stiegs Interpretation des Gedichtes „Karl Kraus“:
Weißer Hohepriester der Wahrheit,
Kristallne Stimme, in der Gottes eisiger Odem wohnt,
Zürnender Magier,
Dem unter flammendem Mantel der blaue Panzer des Kriegers klirrt.
G. Stieg meint, dass in diesem Gedicht „… die Rolle des religiösen Lehrers und Propheten Kraus einer metaphorischen Entwertung ausgesetzt“ wird [14, S. 130].
TEIL 3