
- •Einleitung
- •Kapitel I. Was ist toleranz? die entwicklungs des begriffs und der toleranzidee. Toleranz und sprachwissenschaft
- •Kapitel II. Praktische analyse der ergebnisse der umfragen über toleranzniveau in russland und in deutschland
- •Schluss
- •Literaturverzeichnis
- •Umfrage 3, (student.Stories-Teilnehmer):
- •Fragebogen
Kapitel II. Praktische analyse der ergebnisse der umfragen über toleranzniveau in russland und in deutschland
Dieser Teil enthält Ergebnisse und Analyse von 3 Umfragen, die in Verbindung mit dem Thema „Toleranz“ durchgeführt wurden.
Die erste Umfrage fand im Jahre 2010 statt. Befragt wurden Studenten der Irkutsker Staatlichen Linguistischen Universität (weiter: ISLU) und Pastor der lutherischen Kirche Herr Thomas Graf Grote. Die Umfrage und das Interview wurden aufgenommen. Das Video befindet sich unter dem Link (1).
Zwei folgende Umfragen fanden an der Universität Augsburg, Bayern im Jahre 2011 statt. Da wurden sowohl deutsche, als auch ausländische Studierenden danach gefragt, wie sie ihr persönliches Toleranzniveau bewerten, was sie tun, um das zu entwickeln und was es beeinflusst. Insgesamt bestand jeder Fragebogen aus 6 bis 10 Fragen (Anhang 1).
Ein Teil der Antworten wurde aufgenommen und auf YouTube hochgeladen. Unter Befragten gab es Vertreter der russischen Kultur, die Studenten und Dozenten der ISLU waren, und 2 Vertreter von anderen Kulturen: den Pastor der Lutherischen Kirche und einen chinesischen Studenten, insgesamt 25 Befragte.
Bei der Antwortenanalyse war es klar, dass die Vertreter von einer und derselben Kultur miteinander in gegebenen Antworten zusammenpassten, obwohl sie miteinander nicht bekannt waren. Die meisten Antworten waren positiv, also fast alle Vertreter der russischen Kultur (15 Befragte, 60%) haben ihr persönliches Toleranzniveau als ein relativ hohes bewertet. Die gebliebenen 40 Prozent haben es entweder negativ oder neutral bewertet. Das Problem, das uns bei der Antwortenanalyse aufgefallen war, war es nämlich der Begriff der Toleranz. Also fast 80 Prozent, oder 20 Befragte, haben Toleranz als „Duldsamkeit“ definiert. Es ist nicht völlig falsch, aber der Begriff „Duldsamkeit“ enthält eine passive Färbung, also wie Gleichgültigkeit. Die Toleranz nicht nur lässt andere Werte gelten, sondern hilft sie akzeptieren zu können.
52 Prozent sahen das Problem der Toleranzentwicklung im Mangel an interkultureller Kommunikation, 28 Prozent – in der Ausbildung und die gebliebenen 20 Prozent in Massenmedien. Solch ein Stand ist uns klar, denn das heutige Ausbildungssystem Russlands wird umgebaut. Außerdem fehlt es an interkultureller Kommunikation, obwohl Russland ein multikultureller und multiethnischer Staat ist. Und irgendwie sind diese Tatsachen (oder Gründe für solch einen Toleranzstand) miteinander verbunden.
Das erste Problem geht die Ausbildung an. Es ist unbestritten, dass wir zu wenig Kenntnisse von den anderen Kulturen haben, weil solche Fächer, wie „Mensch und Recht“ oder „Soziale Geographie“, oder „Interkulturelle Kommunikation“ in der Schule nicht beigebracht werden oder keinen Status der obligatorischen Fächer haben. Und nach dem Schulabschluss haben die Absolventen überhaupt keine Vorstellung, was eine andere Kultur an sich selbst hat. Nach dem rein biologischen Prinzip, alles, was dem Organismus fremd ist, wird abgestoßen, sogar im Fall, wenn das „Fremde“ nützlich oder mindestens nicht schädig ist.
Das zweite Problem liegt wahrscheinlich an persönlicher Machtdistanz und am Vertrauen zu anderen. Obwohl die russische Kultur für ihre Gastfreundschaft berühmt ist, verdächtigen manchmal die Russen die Vertreter der „fremden“ Kulturen (wieder wie beim biologischen Prinzip des Abstoßens). Und das liegt an der Ausbildung, die ein falsches Weltbild gibt.
Eine schlechte, oder, besser gesagt, eine nicht genügende Ausbildung ist ein Grund zur Entstehung der sprachlichen Diskriminierung, einer Art der Benachteiligung aufgrund der Muttersprache, was heute eigentlich in den Ländern der ehemaligen UdSSR passiert. Aber in der UdSSR gab es keine Probleme mit der Ausbildung und interkultureller Kommunikation, warum denn hat es zu solch einer Diskriminierung geführt? Die Antwort liegt an den Massenmedien, die nach dem UdSSR-Zerfall Selbstständigkeit der Sowjetrepubliken und ihrer Sprache propagiert haben. Außerdem hat die westliche Werbung eine Rolle gespielt. Die Medien in diesem Fall sind ein Verstärker solcher Prozesse. Und es ist wirklich so: sogar im Internet, wo es zahlreiche Möglichkeiten für Ausbildung und Interkulturelle Kommunikation gibt, fehlt es an Toleranz, weil Internetwerbungen die Webnutzer beeinflussen und sie andere Werte schätzen lassen.
Nach der Meinung von 14 Befragten (56 Prozent) ist das Toleranzniveau sehr leicht zu entwickeln, weil die Entwicklung meistens nur die Arbeit mit sich selbst enthält. Der erste und der größte Schritt dabei ist die Umwertung aller Werte, weil wir dadurch die Stelle von anderen nehmen und die Welt von einer anderen Seite ansehen können. Die Toleranz ist sehr eng mit der Psychologie und Soziologie verbunden, das heißt, dass das Ganze nur von einem Individuum abhängt. Nehmen wir zwei Individuums, dann bekommen wir schon eine kleine Gruppe mit Werten, die einerseits gemeinsam ist und andererseits für jeden eigen sind.
Die erste Umfrage, die in Russland durchgeführt war, ging das Allgemeine an. Sie zeigte, wie die Russen und Ausländer, die befragt wurden, das Toleranzniveau von russischer Gesellschaft und von sich selbst bewerten. Und als Folge: subjektiv ist das Toleranzniveau ausreichend, in erster Linie wegen unserer persönlichen Einstellungen. Wir lassen uns von den Maßmedien beeinflussen und denken nur an uns selbst. In diesem Fall können wir leider von keiner Toleranz sprechen.
Die zwei letzten Umfragen waren an der Universität Augsburg durchgeführt. Befragt wurden insgesamt 20 Studenten der philologisch-historischen Fakultät mit Hauptfächern Germanistik und Deutsch als Zweit- und Fremdsprache und 26 Teilnehmer des internationalen Projekts student.stories. In diesem Fall waren die Umfragen eine Art der weiteren Forschung, die das Toleranzniveau der russischen Gesellschaft anging. Aber während der Umfragen war die Verbindung der Toleranz mit der Sprache betroffen, was der Grund für diese Jahresarbeit geworden ist.
Theoretisch, ist jede Sprache mit der Toleranz verbunden. Genauer gesagt, ist die Toleranz ein wichtiger Teil der Sprache. Davon wird in Bezug auf Normen und ihrer Akzeptierung gesprochen, wenn es um Verhältnis der Muttersprachler zur beliebigen sprachlichen Neuerscheinung geht. Es gibt im Allgemeinen 4 Aspekte der Toleranz in der Linguistik: Aspekt der Norm (Orthologie), Aspekt der Bewertung (Axiologie), Aspekt der außersprachlichen Einfluss (Metalinguistik) und Aspekt des Rechts (Jura)[1].
Die ersten Fragen nach der Toleranz im allgemeinen Sinne gingen praktisch die Metalinguistik an, weil die Antworten den wirklichen und momentanen Zustand beschrieben haben, der die Sprache durch verschiedene Wege beeinflussen kann. Dazu gehören die Anzahl der Emigranten in Deutschland, Meinungen über Politik und Bundesregierung, interkulturelle Kommunikation usw. Die Antworten haben gezeigt, dass die Befragten ein relativ hohes Toleranzniveau haben. Das war eine gute Voraussetzung zur sprachlichen Toleranz.
Die Situation mit der modernen deutschen Sprache ist heute so, dass wir bisher verschiedene Dialekte haben. Außerdem, als jedes lebendige Sprachsystem, verändert sich die deutsche Sprache, was zur Entstehung neuer Normen führen kann, sowohl in einzigen Sprachgebieten, als auch im ganzen Land.
Bei der orthologischen Toleranz geht es um die Einführung einer Norm in den Sprachgebrauch. Ein Beispiel wäre der Betonungs- oder Genuswechsel in russischen Wörtern „звонит“ und „кофе“. Das Wort „кофе“ war ursprünglich männlich, aber heute ist neutral geworden. Beides ist wohl grammatisch, aber wenn eine dieser Variationen in einem Gespräch verwendet wird, kann es zum Konflikt führen. Die falsche Betonung oder der falsche Genus stört beim Hören, was schließlich zum Missverständnis kommt.
In der deutschen Sprache gibt es auch einige Schwierigkeiten mit Normeinführung, aber schon aufgrund dialektaler Spaltung. So heißt die Pluralform des Wortes „Wagen“ „Wagen“, aber umgangssprachlich und mundartlich, zum Beispiel, im Bairischen, heißt sie „Wägen“[10]. So was geht „Läden“ und „Bögen“ an. Interessant ist, dass beide Pluralformen grammatisch kodifiziert sind. Trotzdem, werden sie von manchen nicht akzeptiert.
Ein anderes Beispiel ist das Wort „Stil“, das wie [sti:l] ausgesprochen werden soll, damit man es vom Homophon „Stiel“ unterscheiden kann. Das ist schon eine Regel, aber der Norm nach wird beides gleich ausgesprochen. Trotzdem werden einige Personen korrigiert, obwohl, ihren Kenntnissen nach, sie korrekt sprechen. Die Bayern und Sachsen werden für ihre Mundarten stark kritisiert, aber sie mögen ihre Dialekte und sind stolz darauf. Und das ist klar, denn die Dialekte haben eine reiche Entwicklungsgeschichte und manche von denen haben eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Hochdeutschen gespielt. Aber was passiert, wenn eine Norm nicht von den Sprachgemeinden, sondern von den Kodifikationskräften (Grammatiken und Regierung) ausgeht?
Wie bei jeder Neuerscheinung, gibt es solche, die dafür oder dagegen sind. Einerseits, können es Puristen sein, die für „Reinheit der Sprache“ kämpfen und die Verwendung von Entlehnungen vermeiden. Andererseits, kann es schon etwas Ernstes geben, wie, zum Beispiel, sog. Grammar Nazi (grammatische Nazi), die gegen antigrammatische Neuerscheinungen in der Sprache protestieren. Ihr Prinzip lautet „Wenn du falsch sprichst, dann bist du selber falsch“. Es klingt schon drohend. Also, schon auf der Ebene der Norm soll es Toleranz geben.
An der Universität Augsburg studieren rund 18.000 Studierenden aus der ganzen Welt. Natürlich, ein der Mittel, das ihnen sich einigen hilft, ist das Hochdeutsch. Aber wenn es um deutsche Studierende angeht, dann kann es zur sprachlichen Diskriminierung aufgrund dialektaler Spaltung führen.
Weiter geht es um axiologischen Aspekt der Sprachtoleranz. Wenn die Normeinführung stattfand, bekommen wir einige Werte, die durch diese Norm symbolisiert oder verletzt werden können. Zum Beispiel, die Großschreibung der Substantive, eine der berühmtesten Besonderheiten der deutschen Sprache, war zuerst nicht besonders verbreitet. Ursprünglich bedeutet die Großschreibung, dass das Geschriebene besonders wichtig für den Autor ist, und wenn er plötzlich alle Substantive großzuschreiben beginnt, verliert der Text seinen Preis. Deshalb waren in den Alt- und Mittelhochdeutschzeiten nur einzige Wörter großgeschrieben, wie, zum Beispiel, der Name Gottes, eigene Namen, Ehrentitel, Dienstgrade usw. [2, S. 108] Wenn eine adlige Person solch einen Brief gesendet bekommt, dann sieht sie, dass er hochachtungsvoll geschrieben ist. Aber wenn auch die anderen Wörter großgeschrieben sind, dann kann es den Adressaten verletzen, weil er mit anderen einfachen und weltlichen Dingen ausgeglichen wurde. Die Losung des Problems besteht in der Toleranz, die die Frage beantwortet, wie die Normen eingeführt werden sollen, ohne jemanden zu verletzen und seine Werte zu verachten.
Vor kurzem gab es in manchen Bundesländern Proteste gegen die Anwendung „Kellner“ und „Kellnerin“ zum Personal im Restaurant. Auch gegen „Herr Ober“ und „Fräulein“ protestierten die Verletzten. Die veraltete Anwendungen wurden durch eine neue ersetzt, und heute heißt es neutral: „Bedienung!“ Das heißt nicht, dass „Kellner“ und „Kellnerin“ Normabweichungen wurden. Ihr Gebrauch ist nicht verboten, und das hängt von einzigen Situationen ab, ob es einen Konflikt schaffen kann(2). Dann hat es schon mit der Toleranz zu tun.
Wenn die Norm niemanden verletzt, dann wird sie von Muttersprachlern auf der Ebene der Literatur- und Alltagssprache akzeptiert. Obwohl diese Normen konventionell geworden sind, können sie auf einer anderen Ebene, in einem anderen Stil ganz anders verstanden werden und demzufolge zu Konflikten führen. So was passiert meistens mit den Zeitungen und Zeitschriften, also im Stil der Publizistik. Der Autor hat sein Recht, verschiedene Literatur- und Ausdrucksmittel wie Ironie, Grotesk oder Sarkasmus verwenden zu dürfen. Da die Zeitungen und Zeitschriften ein wirkliches Weltbild darstellen, werden diese Mittel in Bezug auf eine reale Person benutzt. Falls der oder die Dargestellte von sich selbst etwas liest, dann beginnt sie das Geschriebene in die Jurasprache zu übersetzen. Deutschland ist ein Rechtsstaat, und wenn es gegen menschliches Recht verstoßen wurde, müssen die Verbrecher bestraft werden. Aber der Autor schrieb seinen Text ohne Absicht, jemanden zu verletzen. Und, eigentlich, sind die Mittel, die er verwendete, in der Alltagsrede kodifiziert und neutral, aber in der Publizistik scheinen sie schon Normabweichungen zu sein. Die Juralinguistik beschäftigt sich damit, klar zu machen, wer schuldig ist: der Leser, der keine Vorstellung von der Literatur hat, oder der Autor, der sich im Rahmen seines Stils nicht fassen kann.
In der modernen deutschen Publizistik versucht man nicht zu viel (oder überhaupt keine) Werbung zu nutzen. Zwei Wörter, die nebeneinander stehen, aber miteinander nicht verbunden sind, können von einem Leser als sinnvolles Ganzes empfangen werden. Wenn jemand durch das Gelesene verletzt wurde, dann entschuldigt sich der Autor dafür. Andererseits, wenn es um eine Humorzeitschrift handelt, dann ist es klar, dass der Text mithilfe verschiedener Ausdrucksmittel geschrieben ist.
Die Publizistik betrifft nicht nur die Presse, sondern andere Massenmedien an. Als Beispiel für Analyse und für Fragestellung wurde ein ZDF-Fragment von „Heute Show“ benutzt, in dem es von der Wahl 2012 in Russland gesprochen wurde. Da die „Heute Show“ ein humorvolles Fernsehprogramm ist, waren die meisten Befragten, also 31 Studenten (67,4 Prozent), der Meinung, dass die Videofragmente, Bilder und Texte tolerant waren.
Aber von dargestellten Personen aus hätte es sie tief verletzen können. In diesem Fall sprechen wir von der einseitigen Toleranz, weil Massenmedien sehr oft mittelbar sind. Es gibt eine Menge Zeit, um aus einem Script ein Programm geschaffen zu haben. Die Zuschauer sehen das Material an, das tatsächlich X-Monate alt ist und von mehreren Diensten überprüft wurde. Und wenn das Programm humorvoll ist, dann sollen wir alles mit dem Humor empfingen.
Juristisch gesehen, können wir solche Situation sprachlich, metasprachlich oder jurasprachlich betrachten. Sprachlich betrachten wir nur die Sprache und ihre Mittel, nichts mehr. Bei der metasprachlichen Analyse interessieren wir uns für die außersprachlichen Phänomene, wie z.B. der Autors Zustand, Probleme des Lesers oder Zuschauers. Jurasprachlich betrachten wir konkrete Beispiele, die den Empfänger verletzt haben. Dafür braucht man eine Anklage.
Die vierte Ebene oder der vierte Aspekt der Toleranz bleibt meistens unberührt. Das ist noch eine Beweisung, dass die Bürger Deutschlands ein gutes Toleranzniveau haben. Im Grunde genommen, kann man sagen, dass es in den letzten Zeiten keine schrecklichen Situationen gab, die intolerant waren. Wahrscheinlich, entspricht das der Tendenz der globalen Tolerierung[2].
Die Befragten waren auch der Meinung, dass es einige sprachliche Phänomene gibt, die aufgrund eines niedrigen Toleranzniveaus entstehen können. Sie zählten dazu schon oben erwähnte sprachliche Diskriminierung und sprachliche Stigmatisierung.
Sprachlich zu diskriminieren bedeutet jemanden aufgrund seiner Angehörigkeit zu einer Sprachkultur zu benachteiligen und mit ihm zu konfrontieren [9]. Solche Situationen passieren mit den ethnischen und nationalen Minderheiten und mit den Bürgern, die einen Migrationhintergrund haben. Der Migrationhintergrund ist ein soziales Phänomen und bezeichnet ein Komplex der Besonderheiten eines Individuums, die auf seiner Herkunft basieren. Dazu gehören Herkunft der (Ur)Großeltern und Eltern, ehemalige Bürgerschaft usw.
Sprachliche Diskriminierung ist außerdem eine Art des politischen Einflusses, was, zum Beispiel, in den letzten Jahren in Ländern des Baltikums stattfand, als die russische Sprache fast verboten wurde. Sprachliche Diskriminierung führt zum Widerstand in der Gesellschaft und beeinträchtigt die Rechte der Bürger.
Sprachliche Stigmatisation ist dagegen nicht immer negativ. Sprachlich zu stigmatisieren bedeutet jemanden aufgrund seiner Sprache merkwürdig zu machen [8]. Stigmatisierung ist der erste Schritt zur Stereotypisierung, die nicht immer ein wirkliches Weltbild darstellt. Ein Beispiel für die Stigmatisierung wäre die Stereotype über die Begrenztheit der Deutschen aufgrund der Rahmenkonstruktion in der deutschen Syntax.
Aber solche Erscheinungen sind explizit und lassen sich und ihre Quelle leicht finden. Was die impliziten sprachlichen Diskriminierung und Stigmatisierung angeht, sind sie schwieriger zu vermitteln, weil sie auch die von Fall zu Fall unterschiedlichen Hinweise auf den Sprechern und Hörern gemeinsamen Kontext oder die ihnen gemeinsame Situation vermitteln müssen. So wird erst durch die Situation der Warteschlange an einer Supermarktkasse, an der eine offenkundig als Ausländerin erkennbare Kundin Verständigungsschwierigkeiten mit der Kassiererin hat, der Ausruf einer anderen Kundin, "Manchmal vergesse ich, dass wir in Deutschland sind", in seinem diskriminatorischen Charakter erkennbar. Auf einem wohl sehr weit verbreiteten Vor"wissen" beruht dagegen die diskriminierende Äußerung einer deutschen Hausfrau, die sich mit einer anderen über Haushaltshilfen unterhält: "Sie ist Türkin, aber ehrlich und sehr sauber", worin man im Übrigen eine Abwandlung des althergebrachten "arm, aber ehrlich" erkennen mag. Hier wie in der stolzen Behauptung einer deutschen Rücksiedlerin aus Rumänien, "Wir sind mit allen gut ausgekommen, selbst mit Juden", beschränkt sich der rein sprachliche Hinweis auf die zugrunde liegende soziale Attitüde und das vom Sprecher unterstellte Vorwissen auf die verwendeten Konjunktionen und anderen Partikel. Die Schwierigkeit also besteht darin, dass manche der Diskriminierungs- und Stigmatisierungserscheinungen unbewusst passieren können oder nach einem besonderen Intelligenzniveau verlangen, um vom Hörer enträtselt zu werden. Auf jeden Fall bilden die Stigmatisierungen und Diskriminierungen eine Abweichung von der Toleranznorm, weil sie andere verletzen können.
Solche Ergebnisse bei zweiter und dritter Umfragen wurden irgendwie erwartet. Die Befragten waren scheu, sich tolerant nennen zu können, aber der Diskussion nach war es klar, dass der Begriff von Toleranz ihnen nicht fremd ist. Auf jeden Fall das Problem der Toleranz erfordert Aufmerksamkeit und weitere Forschungen. Und obwohl sie fast keinen Status in der Linguistik hat, können wir schon sagen, dass sie, wie der Konflikt, ein der universellen linguistischen Begriffe ist.