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Die Gesamtheit der Symmetrieoperationen eines Moleküls bezeichnet man als seine Symmetrie­ gruppe. Die Bezeichnungen der für Moleküle auftretenden Symmetriegruppen gehen aus der Ta­ belle A 10 des Anhangs hervor, die gleichzeitig den Weg zur Ermittlung der richtigen Symmetrie­ gruppe enthält.

Beispiel 4.1: Das Molekül l,2-Dibrom-penta-l,3-dien besitzt die Konstitutionsformel

H

Br

H

H

H

I

I

I

I

I , ,

C=C—C=C—C—H

Br H

Die beiden Bromatome haben zwei Möglichkeiten der Anordnung bezüglich der ersten Doppel­ bindung:

H\

/ Br

Br\

/ Br

Br/ =c\••• -

H> = <

tra n s -S te llu n g

cis-Stellung

Um diese Atomanordnungen ineinander umzuwandeln, müßte der eine Molekülteil um die Dop­ pelbindung gedreht werden. Das erfordert viel Energie (= 150 kJ mol-1), deshalb entsprechen die beiden Anordnungen unterschiedlichen Konfigurationen.

Das Molekül hat die weitere Möglichkeit einer unterschiedlichen Orientierung der beiden Dop­ pelbindungen zueinander:

„ w

x v

NC=C^

N un'1 \ = C /

/ \

/ \

Das entspricht einer Drehung um eine Einfachbindung. Da diese zwischen zwei Doppelbindun­ gen liegt, ist die Drehung behindert und erfordert einen Energieaufwand von etwa 30 kJ mol-1. Beide Anordnungen nehmen eine Mittelstellung zwischen konfigurativen und konformativen Iso­ meren ein.

Schließlich ist noch eine Drehung der Methylgruppe um die C—C-Bindung möglich. Hierbei gibt es zwei energetisch ausgezeichnete Stellungen:

H

HH

gestaffelt

ekliptisch

Dies sind zwei verschiedene Konformationen, da für die Drehung der Methylgruppe um die C—C-Bindung nur eine Energie von etwa 8 kJ mol-1 benötigt wird.

Insgesamt gibt es für das Molekül also 8 konfigurative bzw. konformative Isomere.

Beispiel 4.2: Die Moleküle Methylnitrit und Nitromethan

H3C -0 -N = 0 und H3C -N ^ ®^Oe

91

sind Metamere, da unterschiedliche Atompaare miteinander verknüpft sind (C— O bzw. C—N). Dagegen sind n-Butan und iso-Butan

H3C-CH2-CH2-CH3 und H3C—<JH-CH3

CH3

als Skelettisomere zu bezeichnen, da sie sich bei gleicher Art und Zahl verknüpfter Atompaare durch die Zahl der Verzweigungen unterscheiden.

Die Moleküle ortho-, meta- und para-Difluorbenzen

F

sind Stellungsisomere, da Art und Zahl der verknüpften Atompaare gleich sind, ebenso die Zahl der Verzweigungen, aber die gegenseitige Anordnung von Atompaaren (Bindungen) verschieden ist.

Die beiden Formen der salpetrigen Säure HN02

0 = N -0 -H und H-N

® ^ 0 e

stellen Tautomere dar, weil das Wasserstoffatom bei gleicher Verknüpfung aller übrigen Atome an verschiedene Partneratome gebunden ist.

Stellungsisomerie liegt bei vielen Komplexverbindungen vor. Vom Dichlorotetramminco- balt(III)-Ion [Co(NH3)4Cl2]+ sind ein cis- und ein tra/is-Isomer bekannt:

Um beide Isomere ineinander zu überführen, müssen Bindungen gelöst und neu geknüpft wer­ den.

Beispiel 4.3: Aus dem Atomabstand in den zweiatomigen Molekülen F2, Cl2, Br2 und I2 können Atomradien der Atome F, CI, Br und I berechnet werden:

X

R x - x

Rx

 

in pm

in pm

F

142

71

CI

199

100

Br

228

114

I

267

134

Der Atomabstand in den Kupfer(I)-Halogenid-Molekülen beträgt im CuF 174 pm, CuCl 205 pm, CuBr 225 pm und Cul 233 pm. Daraus ergeben sich für den Atomradius von Kupfer(I) die Werte

92

103,105,111 und 99 pm. Der Mittelwert ist 104 pm mit einer mittleren Abweichung von ±4 pm. Der Atomradius ist also nur angenähert eine konstante Größe. Er hängt in geringem Mäße von der Art des Bindungspartners ab.

Beispiel 4.4: Das Molekül Phosphortrichlorid PC13 ist pyramidal gebaut. Der P— CI*Abstand be­ trägt 204 pm, der Winkel CI— P— CI ist y = 101°. Daraus ergibt sich der Abstand der Chloratome zu

Rci—ci = 2 RP_ci sin (y/2) = 335 pm.

Im ebenen Molekül Aluminiumtrichlorid A1C13 ist der Al—CI-Abstand fast genau so groß wie im PC13, RAI—ci= 206 pm. Hier beträgt aber der Winkel CI—Al— CI 120°. Daraus ergibt sich der deutlich größere CI— Cl-Abstand

Rci—ci= 2 RAI_ci sin 60 = 357 pm.

Es ist also zu erwarten, daß die Wechselwirkung zwischen den Chloratomen im A1C13 geringer ist als im PC13.

Beispiel 4.5: Bei unverzerrten ebenen Ringsystemen ist die Größe der Bindungswinkel durch die Ringgröße festgelegt. Im Fünfring, wie er z.B. im Cyclopentadienid-Ion CsHf vorliegt, beträgt der C—C— C-Winkel 108°.

<CCC

Bild 4.1. Fünfring des Cyclopentadienid-Ions

Da der Winkel oc die Größe (360/5)° = 72° besitzt und das zugehörige Dreieck gleichschenklig ist, muß gelten:

> CCC = 180° - 72° = 108°.

Beispiel 4.6: Bortrifluorid BFa ist ein ebenes Molekül, dessen Fluoratome gleichwertig sind, denn alle B— F-Bindungslängen und die Winkel FBF sind gleich.

Bild 4.2. Symmetrie von Bor­ trifluorid

93

Das Molekül besitzt eine dreizählige Drehachse C3, die auf der Ebene der Fluoratome senkrecht steht und sie ineinander überfuhrt. Sie ist die Achse mit der höchsten Zähligkeit und damit Hauptdrehachse. Senkrecht auf ihr stehen drei zweizählige Achsen C2, welche jeweils zwei Fluor­ atome ineinander überführen und das dritte unverändert lassen. In der gleichen Richtung wie die zweizähligen Achsen sind drei Spiegelebenen <rd orientiert, welche die Hauptdrehachse enthalten und den Winkel zwischen zwei C2-Achsen halbieren. Die Spiegelebenen haben in diesem Mole­ kül die gleiche Wirkung wie die zweizähligen Achsen. Senkrecht zur Hauptdrehachse liegt eine Spiegelebene (rh, durch deren Wirkung die Atomanordnung nicht geändert wird. Die drei Eigen­ schaften: C3, 3 C21 C3 und <rh führen nach dem Schema in Tabelle A 10 zur Symmetriegruppe

Werden im Molekül BF3 alle B—F-Bindungen gleichmäßig gedehnt oder verkürzt, so bleibt die Symmetriegmppe erhalten. Wird nur eine B—F-Bindungslänge oder/und der Winkel zwischen zwei Fluoratomen geändert, so verschwindet die C3-Achse, und es entsteht eine Anordnung mit der Symmetriegmppe C2v. Wird bei gleichen B— F-Abständen und F— B— F-Winkeln das Bor­ atom aus der Ebene der Fluoratome herausgehoben, so gehen die Spiegelebene <rh und die zwei­ zähligen Achsen verloren, und das Molekül geht in die Symmetriegmppe C3v über.

Beispiel 4.7: Das Molekül Brompentafluorid BrF5 ist quadratisch pyramidal gebaut. Die Fluor­ atome an der Basis der Pyramide sind gleichwertig, das Fluoratom an der Spitze unterscheidet sich von den übrigen, sein Abstand zum Bromatom ist geringer. Als Drehachse höchster Zählig­ keit ist eine C4-Achse vorhanden. Weitere Drehachsen gibt es nicht. Das Molekül besitzt vier Spiegelebenen <rv, welche die Drehachse enthalten. Zwei davon enthalten Br— F-Bindungen, die beiden anderen halbieren den F—Br—F-Winkel in der Ebene. Eine <rh-Spiegelebene ist nicht vorhanden. Damit ist auf dem Wege des Bestimmungsschemas in Tabelle A 10 eine C4, keine C21 C4, ohne <rh, mit <rv, die Symmetriegmppe C4Vfestgestellt.

Aufgaben

4.1.Welche Konfigurationsisomeren existieren für die Verbindung mit der folgenden Konstitu- tionsformel?

H3CN CH3

jC=CH-C-CH=cf H3C fl CH3

Phoron

4.2.Wieviel Konfigurationsisomere sind in einem Polyen der allgemeinen Struktur

94

H 2C = C H — ( C H = C H — )„ C H = C H 2

für n = 0, 1, 2 und 3 möglich?

4.3.Für welches der Konfigurationsisomeren des Hexatriens, all-cis oder all-trans, ist die grö­ ßere Stabilität zu erwarten?

4.4.Wieviel Isomere sind in oktaedrischen Komplexen des Typs MeX2Y2Z2 zu erwarten? (X, Y, Z = Liganden)

4.5.Geben Sie die Anordnungsmöglichkeiten für 8 gleichberechtigte Liganden um ein Zentral­ atom an!

4.6.Ermitteln Sie aus dem Atomabstand in Halogenwasserstoffmolekülen (->Tab. A 4) den mittleren Einfachbindungsradius des Wasserstoffatoms!

4.7.Ermitteln Sie anhand der in Tabelle A 4 angegebenen Daten für Schwefelverbindungen den Einfachbindungsradius des Schwefelatoms! Welche Ursachen kann die Streuung der erhal­ tenen Werte haben?

4.8.Ermitteln Sie die Symmetrieelemente der Moleküle SF6 und PC1S!

4.9.Geben Sie Konformere des Hydrazins H2N—NH2 in der Projektionsdarstellung nach Newman an (—»LB 1)!

4.10.Wie groß ist der Bindungswinkel, wenn n Atome ein reguläres ebenes n-Eck bilden?

4.11.Die Bindungslänge im S8-Molekül beträgt 206 pm und der Bindungswinkel SSS 108°. Be­ rechnen Sie den Abstand der Schwefelatome von der Molekülebene!

4.12.Bestimmen Sie anhand des Schemas in Tabelle A 10 die Punktgruppe der folgenden Mole­ küle und Ionen: H20, C02, S02, NH3, S03, CH4, HCN, (CN)2, CS2, MgCl2, Li20, PFS, SF6, SO}-, BOj", BF3, N 03-, H2C =C H 2, HC=CH, [MO(CN)8]4", Ni(CO)4, Fe(CO)5, W(CO)6, C6H6, CsHJ , S8, C8H8 (Kuban), B3N3H6 (Borazen)! Informieren Sie sich in Lehr­ büchern über die Struktur der genannten Moleküle und Ionen!

4.13.Geben Sie die Kombinationen von Symmetrieoperationen an, die bei nacheinander erfol­ gender Anwendung auf ein Molekül dieses in eine mit der Ausgangsanordnung der Atome identische Anordnung überführen!

4.14.Durch welche Symmetrieoperationen kann eine Inversion an einem Symmetriezentrum herbeigeführt werden?

4.15.Welche der in Aufgabe 4.12 genannten Moleküle und Ionen besitzen ein Symmetriezen­ trum?

4.16.Ermitteln Sie die Punktgruppen, zu denen die beiden Konformationen des Ethanmoleküls gehören!

4.17.Geben Sie die Punktgruppen für die möglichen Isomeren des Dichlorethens an!

4.18.Welches der beiden Konformeren des Cyclohexans besitzt eine Drehspiegelachse? Von wel­ cher Ordnung ist diese?

4.19.Welcher Zusammenhang besteht zwischen einer zweizähligen Drehspiegelachse und einem Inversionszentrum?

4.20.Welche Punktgruppen durchläuft das Molekül NH3 beim Umklappen der Pyramide in die entgegengesetzte Lage (Inversion des Stickstoffatoms)?

4.21.Bei welchen Änderungen der Atomabstände und Bindungswinkel bleibt die Punktgruppe der Moleküle H2S, SiH4, BC13 bzw. C02 erhalten?

4.22.Geben Sie alle Symmetrieoperationen der Punktgruppe des Tetraeders Td an! Welche von ihnen sind ausreichend, um diese Punktgruppe zu definieren?

4.23.Bestimmen Sie die Symmetriegruppe einer Ellipse, einer Parabel bzw. eines Kreises!

4.24.Bestimmen Sie die Symmetriegruppe einer Streichholzschachtel, eines Fasses bzw. eines Fußballspielfeldes!

95

4.2.Die Elektronenstruktur der Moleküle

4.2.1.Qualitative Bindungskonzepte

Die einfachste Art, die Bindungsmöglichkeiten eines Atoms in einem Molekül darzustellen, be­ steht in der Angabe seiner Wertigkeit oder Valenz (Frankland 1852). Das Wasserstoffatom erhält die Wertigkeit 1. Das bedeutet, es kann nur an ein anderes Atom gebunden sein. Die Wertigkei­ ten der anderen Elemente werden so festgelegt, daß sie die Zahl der Bindungsmöglichkeiten eines Atoms dieses Elements in Übereinstimmung mit der empirisch gefundenen Zusammensetzung der Moleküle richtig wiedergeben. Ein Element kann mehrere Wertigkeiten besitzen (—»Tab.4.1). Jede Wertigkeitseinheit wird durch einen Bindungsstrich wiedergegeben. Zwischen einem Atom­ paar können auch zwei oder drei Wertigkeitseinheiten wirksam werden (Doppeloder Dreifachbin­ dungen). Ihre Zahl ist der Bindungsgrad einer Bindung. Die Bindigkeit eines Atoms in einem Mo­ lekül gibt an, wieviel Bindungsstriche in der Valenzstrichformel vom betrachteten Atom ausgehen.

Element

Wertigkeit

H, Li, Na, K, Rb, Cs

1

Be, Mg, Ca, Sr, Ba

2

B, Al, Ga, In, TI

3

C, Si, Ge

4

Sn, Pb

2,4

N, P, As, Sb, Si

3,5

0

2

S, Se, Te

2,4,6

F, CI, Br, I

1,3,5,7

Tabelle 4.1. Häufige Wertigkeiten von Hauptgruppenelementen

Die Koordinationszahl eines Atoms in einem Molekül gibt an, an wieviel andere Atome es - un­ abhängig von der Zahl der betätigten Wertigkeitseinheiten - gebunden ist.

Eine Erweiterung der Valenztheorie ist die Elektronenpaartheorie (Lewis 1916). Diese Theorie po­ stuliert, daß die Elektronen der Valenzschale paarweise bestimmte Raumgebiete einnehmen kön­ nen. Ein Elektronenpaar kann entweder ungebunden vorliegen (einsames Elektronenpaar) oder zwei Atome aneinander binden (Bindungselektronenpaar). An der Bindung zwischen zwei Atomen können auch zwei oder drei Elektronenpaare beteiligt sein. Jedes Elektronenpaar wird durch einen Strich wiedergegeben. Solche Atomanordnungen sind besonders stabil, in denen jedes Atom von vier Elektronenpaaren, also acht Valenzelektronen, umgeben ist (Oktettregel). Dies gilt nicht für das Wasserstoffatom, das von nur zwei Elektronen umgeben ist, und für die leichten Atome Beryllium und Bor, die zwar eine Oktettanordnung anstreben, aber in der Regel nicht er­ reichen. Atome der zweiten Periode (Si, P, S, CI) und der höheren Perioden können von maximal sechs Elektronenpaaren umgeben sein. Die die bindenden Elektronenpaare symbolisierenden Striche entsprechen in den meisten Fällen den Bindungsstrichen der Valenztheorie.

Werden die Elektronen der Bindungselektronenpaare zu gleichen Teilen auf die jeweils aneinan­ der gebundenen Atome aufgeteilt, so gibt die Differenz aus Valenzelektronenzahl und Rumpfla­ dungszahl des Atoms seine Formalladung an.

Sind gleiche Atome durch ein Elektronenpaar gebunden, so gehört es gleichmäßig beiden Ato­ men an. Bei ungleichen Atomen wird es mehr zu dem einen Atom hingezogen werden, die Bin-

96

düng wird polar. Ein relatives Maß für die Fähigkeit eines Atoms, Bindungselektronenpaare an­ zuziehen, ist die Elektronegativität (Pauling 1932) (-»Tab. A 9). Die Elektronegativität ist dem Mittelwert aus erster Ionisierungsenergie und Elektronenaffinität des betreffenden Atoms propor­ tional. Sie nimmt innerhalb einer Periode des PSE mit steigender Kernladungszahl zu und in der Regel innerhalb einer Hauptgruppe ab. Zwischen dem Ionencharakter (in %) einer Einfachbin­ dung, die deren Polarität wiedergibt, und den Elektronegativitäten xA und xB der beteiligten Atome besteht die Beziehung

Ionencharakter (in %) = 161xA - xB| + 3,51xA - xB|2.

Aus der Formalladung eines Atoms und dem Ionencharakter der von ihm ausgehenden Bindun­ gen kann die Ladungszahl des Atoms berechnet werden, indem zusätzlich zur Formalladung für jede Bindung das elektronegativere Atom eine negative Ladung erhält, deren Betrag dem Ionen­ charakter der Bindung entspricht, während das elektropositivere Atom eine gleich große positive Ladung erhält (—»Beispiel 4.11).

In einem stabilen Molekül sind die Ladungszahlen der Atome klein (Elektroneutralitätsregel). Ein Mittel zur formalen Abzählung von Elektronen ist die Angabe von Oxydationszahlen für die Atome in einem Molekül. Die Regeln für die Ermittlung von Oxydationszahlen sind:

1. Für Elementmoleküle ist die Oxydationszahl der Atome Null.

2.Die Oxydationszahl von Fluor ist immer -1 .

3.Metallatome erhalten positive Oxydationszahlen.

4.Die Oxydationszahl des Wasserstoffatoms ist + 1.

5.Die Oxydationszahl des Sauerstoffatoms ist -2 .

6.Halogene erhalten die Oxydationszahl - 1.

7.Die Summe der Oxydationszahlen ist der Gesamtladung des Moleküls gleich.

Die Regeln besitzen in der angegebenen Reihenfolge die Priorität voreinander.

Während die Formalladung eine Elektronenverteilung unter der Annahme einer gleichmäßigen Aufteilung von Bindungselektronen auf die beteiligten Atome wiedergibt, wird in der Ladungs­ zahl zusätzlich die Bindungspolarität berücksichtigt. Die Oxydationszahl dagegen hat nur for­ male Bedeutung und sagt nichts über die Elektronenverteilung im Molekül aus.

In vielen Molekülen gibt es mehrere Möglichkeiten, Bindungsstrichformeln aufzuschreiben bzw. bindende Elektronenpaare zwischen den Atomen anzuordnen. In diesen Fällen werden die Bin­ dungsverhältnisse am besten widergespiegelt, indem man alle möglichen Bindungsstrichformeln (mesomere Grenzformeln) angibt und den wirklichen Zustand des Moleküls als Überlagerung dieser Formeln auffaßt. Nur solche Grenzformeln sind wichtig,

-die keine Bindungsstriche zwischen räumlich voneinander entfernten Atomen enthalten,

-in denen die Atome keine oder niedrige Formalladungen tragen und

-in denen die Oktettregel nicht verletzt wird.

In einer Reihe von Fällen kann bei der Wechselwirkung zweier Atome die Oktettregel nur da­ durch erfüllt werden, daß Elektronen vollständig von einem Atom zum anderen übergehen und keine bindenden Elektronenpaare gebildet werden. Dies führt zur Ionenbindung, die ungerichtet ist und deren Bindungsenergie durch die Wechselwirkung der entstandenen Ladungen verursacht wird. Die Wirkung der Ionen aufeinander kann durch die dem Coulombschen Gesetz folgende Wechselwirkung von Punktladungen näherungsweise modelliert werden. Stellt man sich die Mo­ leküle als Ionenaggregate vor - das entspricht extremen mesomeren Grenzformeln - , so läßt die

7 Struktur und Bindung

97

Betrachtung der zwischen den Ionen wirkenden Kräfte Schlüsse auf Moleküleigenschaften zu (—»Abschn.4.3.).

Beispiel 4.8: Die Strukturformel eines Moleküls der Zusammensetzung H4CO ist unter der Vor­ aussetzung aufzuschreiben, daß die Wertigkeiten der beteiligten Atome H = l, C = 4, 0 = 2 sind.

Schreibt man sich zunächst die beiden Atome C und 0 auf,

so können offenbar nur vier der sechs Wertigkeitseinheiten von Wasserstoffatomen beansprucht werden:

Eine Wertigkeitseinheit an jedem Atom steht dann noch für die Herstellung einer C— O-Bin- dung zur Verfügung:

H-C-O-H

H

Methanol

Dies ist zugleich die einzige Anordnungsmöglichkeit der beteiligten Atome.

Ist die Zusammensetzung eines Moleküls HeQO, so können die mehrwertigen Atome C und 0 auf zwei Arten miteinander verknüpft werden:

Zur Absättigung der übrigbleibenden sechs Wertigkeitseinheiten stehen gerade 6 Wasserstoff­ atome zur Verfügung:

H H

H H

Ethanol

Dimethylether

Hier sind zwei isomere Verbindungen (Metamere) möglich.

Beispiel 4.9: Folgende Moleküle, die ein Stickstoffatom und Wasserstoffatome enthalten, sind konstruierbar:

 

i

i

N-H H-N-H H-N-H H-N-H H-N-H

H

H

H H

NH und NH2erreichen nur durch Aufnahme von Elektronen ein Oktett am Stickstoffatom (Imid-

98

und Amid-Ion). NH3 besitzt ein Elektronenoktett und ist stabil. Im NH4 ist ein Elektron zuviel vorhanden, dieses Molekül wird als Kation stabil sein (Ammonium-Ion). NHSist nicht möglich, da durch die fünf Elektronenpaare, welche zur Ausbildung der N—H-Bindungen notwendig wä­ ren, das Oktett überschritten wird.

[IN—H]

[H-N-H]'

V

H -ljl-H

H- N- H

 

 

 

_ H .

Imid-Anion

Amid-Anion

Ammoniak

Ammonium-Ion

Beispiel 4.10: Für das Phosphorsäure-Molekül H3 PO4 gibt es die Strukturformel

/Q -H

<0=R-Ö—H

XÖ-H

Sie besitzt ein Elektronendezett am Phosphoratom. Die Formulierung mit einem Oktett ist nur möglich, wenn Formalladungen zugelassen werden:

e ®/Q-H

|Q—p lg —H

Ö-H

Eine analoge Situation liegt bei der Wiedergabe des Schwefelsäure-Moleküls H2S04vor. Hier ist entweder eine Beschreibung mit sechs Elektronenpaaren am Schwefelatom möglich,

V

“ H

|( /

NÖ—H

oder eine Darstellung mit Elektronenoktett und Formalladungen:

§/S\ _

10 0—H

Beispiel 4.11: Die Elektronegativitätswerte von Wasserstoff und Sauerstoff sind xH = 2,15 und x0 = 3,5. Daraus folgt für den Ionencharakter der 0 — H-Bindung mit | x0 - xH | = 1,35 ein Wert von 28 %. Die Ladungszahlen der Atome im Wassermolekül sind demnach

+0,28

-0,56

+0,28

H--------

O--------

H

und im Molekül des Wasserstoffperoxids

+0,28

-0,28

-0,28

+0,28

H--------

Ö--------

O-------

H

Nimmt das Wassermolekül ein Proton auf, so entsteht ein Hydronium-Ion H30 + mit den La­ dungszahlen

+0,16

+0,28

[0(-------

H)3]+

7«

99