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Fachsprache: Strafrecht

Materialien zum Kurs, zusammengefasst von Dr. Sprachwiss. W.Philippov (Lomonossow-MSU, Jura-Fakultät, Lehrstuhl für Fremdsprachen)

Lektoren: Frau Julia Kuschnarenko, Herr Wassili Philippov

THEMA 1. STRAFRECHT IM RECHTSSYSTEM

Die deutsche Rechtsordnung unterscheidet drei Bereiche:

-Privatrecht

-Öffentliches Recht

-Strafrecht

Formal betrachtet ist das Strafrecht ein Teil des öffentlichen Rechts. Das öffentliche Recht folgt dem Prinzip der Subordination: Der Polizist verbietet dem Bürger, Alkohol zu konsumieren. Hier ist also eine Behörde berechtigt, einen Bürger zu etwas zu verpflichten. Im Privatrecht herrscht dagegen das Prinzip der Gleichordnung: Der Kunde zahlt den Kaufpreis und verlangt vom Bäcker die bezahlte Ware. Hier ist der Bäcker nur zur Herausgabe der Ware verpflichtet, weil er mit dem Kunden freiwillig einen Kaufvertrag geschlossen hat.

Aus traditionellen Gründen und wegen der hohen Bedeutung einer strafrechtlichen Verurteilung wird das Strafrecht als eigenständiger Bereich der Rechtsordnung verstanden.

Welche Aufgaben hat das Strafrecht? Die Strafnormen sollen die Menschen von Handlungen abhalten, die Interessen anderer Menschen verletzen. Bei der Entscheidung, welche Verhaltensweisen zu bestrafen sind, orientiert sich der Gesetzgeber an der Sozialmoral. Das Strafrecht schützt anerkannte Güter wie Leben, Freiheit und Eigentum, die dadurch zu Rechtsgütern werden. Aber nicht alles ist strafbar, was sozialethisch missbilligt wird. Bestraft werden nur solche Verhaltensweisen, die vom Gesetzgeber als besonders schwerwiegend angesehen werden. Man sagt auch, das die Aufgabe des Strafrechts darin besteht, den Rechtsfrieden zu sichern. Unter Rechtsfrieden versteht man das friedliche Zusammenleben der Bevölkerung im Schutz des Rechts.

Das Strafrecht ist das schärfste Schwert im Arsenal des Rechts. Deswegen folgen die meisten demokratischen Staaten im Strafrecht dem Prinzip der „ultima ratio“. Strafrecht wird wenn möglich gar nicht, ansonsten als ein allerletztes Mittel zum Erzwingen des Rechtsfriedens verwendet. Zum Beispiel muss bei Bagatelldelikten garantiert werden, dass vor einer strafrechtlichen Sanktion andere Mittel und Wege benutzt wurden, um den Täter vom Begehen weiterer Taten abzuhalten.

Anselm von Feuerbach, der Begründer der modernen deutschen Strafrechtswissenschaft formulierte den Grundsatz »nullum crimen, nulla poena sine lege« (»kein Verbrechen, keine Strafe ohne Gesetz«), der als Gesetzlichkeitsprinzip bekannt ist. Das Prinzip umfasst vier Aspekte, die man zusammen als die Garantiefunktion des Strafgesetzes bezeichnet:

1.Verbot des Gewohnheitsrechts: das Strafgesetz muss schriftlich sein.

2.Verbot der Analogie: strafbar ist nur die Handlung, die das Gesetz eindeutig mit Strafe bedroht, und nicht etwa eine ähnliche.

3.Verbot von gesetzlicher Unbestimmtheit: das Gesetz muss Art und Voraussetzungen der Strafe klar beschreiben.

4.Verbot der Rückwirkung: das Strafgesetz muss vor der Straftat existiert haben. Eine belastende Rückwirkung ist im Strafrecht unzulässig.

Das deutsche Strafrecht hat drei Teile:

Das materielle Strafrecht beschreibt die Voraussetzungen der Strafbarkeit und deren Rechtsfolgen. Beides ist nach deutschem Recht im Strafgesetzbuch (StGB) und in zahlreichen Bestimmungen des sogenannten Nebenstrafrechts geregelt, z.B. im Außenwirtschaftsgesetz oder im Arzneimittelgesetz. Schon seit 1872 ist das deutsche Strafgesetzbuch in Kraft. Es wurden seitdem sehr viele Aktualisierungen und Änderungen gemacht. Das StGB besteht aus zwei Teilen. Der Allgemeine Teil des StGB regelt Grundsätzliches, z.B. Fragen des Vorsatzes, des Versuches und der Rechtfertigungsgründe. Der Besondere Teil behandelt die einzelnen Unrechtstypen und die Strafen, die dafür vorgesehen sind.

Zum formellen Strafrecht gehört das Strafprozessrecht. Es enthält zum einen (u.a. im Gerichtsverfassungsgesetz, GVG) Bestimmungen über den Aufbau und die Zuständigkeiten der Organe der Rechtspflege (v.a. Gerichte und Staatsanwaltschaft), zum anderen (in der StPO) Bestimmungen über den Ablauf des Strafverfahrens. Eine wichtige Rechtsquelle ist auch das Jugendgerichtsgesetz (JGG).

Das Strafvollzugsrecht beinhaltet (im Strafvollzugsgesetz) die Bestimmungen über die Durchführung der Rechtsfolgen, die von den Strafgerichten verhängt wurden. Dabei ist der Vollzug der Freiheitsstrafe besonders wichtig.

Wiederholungsfragen:

1.In welche Bereiche ist die deutsche Rechtsordnung unterteilt?

2.Erklären Sie den Unterschied zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht.

3.Beschreiben Sie die Aufgaben des Strafrechts.

4.Warum nennt man das Strafrecht „das schärfste Schwert“ im Arsenal des Rechts?

5.Aus welchen Teilen besteht das deutsche Strafrecht?

6.Was steht im Allgemeinen Teil des StGB?

7.Was ist im Besonderen Teil aufgelistet?

8.Was bedeutet der Begriff „Strafvollzug“?

9.Welche Stellung nimmt das Strafrecht im deutschen Rechtssystem ein?

10.Was versteht man unter Gesetzlichkeitsprinzip?

Setzen Sie die Beispiele in Beziehung zu dem, was Sie in diesem Kapitel gelernt haben:

1.„Das Rechtsgebiet A regelt die Situationen, wo sich zwei Gleichberechtigte gegenüberstehen. Das Rechtsgebiet B hat mit solchen Situationen zu tun, wo sich eine Privatperson und der Staat gegenüberstehen.“ Worum geht es hier?

2.Herr H kauft bei Saturn einen neuen Fernseher. Das ist eine Rechtsbeziehung zwischen Herrn H (natürliche Person) und der Media-Saturn-Holding GmbH (juristische Person). Welches Rechtsgebiet regelt dieses Rechtsgeschäft?

3.Frau F verdient viel Geld und ist in Deutschland steuerpflichtig. Aber sie will keine Steuern zahlen. Das deutsche Finanzamt hat etwas dagegen. Zu welchem Rechtsgebiet gehört das Problem?

4.A. „Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.“

B. „Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.“ (Wie heißt die Straftat?)

C. „Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.“ (Notwehr ist

ein Rechtfertigungsgrund.)

Aus welchen Teilen des StGB stammen diese Zitate?

5. GG, Art. 103 Abs. 2 „Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.“ Wie heißt das Rechtsprinzip?

THEMA 2. ABLAUF DES STRAFVERFAHRENS

Im Strafverfahren wird geklärt, ob eine Person eine Straftat begangen hat und welche Strafe dafür verhängt wird. Jedes Strafverfahren beginnt mit dem Ermittlungsverfahren (1). Entweder erstattet eine Person eine Strafanzeige bei der Polizei bzw. bei der Staatsanwaltschaft, oder die Ermittlungsbehörden nehmen von Amts wegen die Ermittlungen auf. Man unterscheidet also 2 Arten von Delikten:

Bei Antragsdelikten wird ein Strafantrag gestellt. Antragsdelikte sind leichtere Delikte, die nur verfolgt werden, wenn der Geschädigte selbst die Straftat anzeigt. (z.B. Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, einfache Körperverletzung, Verleumdung).

Bei Offizialdelikten wird Strafanzeige gemacht. Als Offizialdelikt bezeichnet man Straftaten, die so schwer sind, dass die Strafverfolgungsbehörden die Straftat verfolgen, auch wenn der Geschädigte keine Strafanzeige macht. (z.B. Sexualdelikte, Diebstahl, schwere Körperverletzung, Mord). Die Straftat kann natürlich nur verfolgt werden, wenn die Staatsanwaltschaft von der Straftat weiß.

Die Ermittlungsbehörden sind bei Vorliegen eines Anfangsverdachts verpflichtet, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Die Polizei ist in der Regel die Behörde, die als erste vom Verdacht erfährt. Die Staatsanwaltschaft erforscht mit Hilfe der Polizei den Sachverhalt und bewertet, ob ein hinreichender Tatverdacht gegen den Beschuldigten vorliegt. Liegt ein solcher Verdacht vor, so erhebt sie die öffentliche Klage. Wenn die Staatsanwaltschaft entscheidet, dass eine Verurteilung nicht wahrscheinlich ist, stellt sie das Ermittlungsverfahren ein. Möglich ist zudem die Einstellung wegen Geringfügigkeit.

Einem Beschuldigten steht im Strafverfahren ein Verteidiger zur Seite. Grundsätzlich muss das Gericht den Anwalt akzeptieren, den der Beschuldigte gewählt hat. Verzichtet er aber auf die freie Wahl seines Anwalts, wird für ihn ein so genannter Pflichtverteidiger vom Gericht bestellt.

Erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage, reicht sie diese bei dem zuständigen Gericht ein. Dann beginnt das sogenannte Zwischenverfahren (2). Das Gericht prüft aufgrund der Anklage, ob das Hauptverfahren eröffnet wird oder nicht. In der Praxis ist es relativ selten, dass die Hauptverhandlung nicht eröffnet wird.

Der Eröffnungsbeschluss leitet das Hauptverfahren (3) ein. Dies findet in Form der Hauptverhandlung statt. Es findet eine Beweisaufnahme statt, d.h. richterliche Prüfung und Benutzung der Beweismittel. Es werden Zeugen und Sachverständige angehört, Urkunden vorgelesen usw. Dann kommt das Plädoyer des Staatsanwalts (und Beantragung der Strafe). Anschließend hält der Verteidiger sein Plädoyer. Der Angeklagte bekommt „das letze Wort“, in dem er etwas zur Sache oder zu seiner Person sagen, sich entschuldigen oder ein Geständnis ablegen kann.

das Plädoyer [plɛdooa'jeː] - die Rede, die der Staatsanwalt oder der Verteidiger vor Gericht hält, bevor das Urteil gesprochen wird

Nach einer geheimen Beratung verkündet das Gericht das Urteil: „Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: ...“. Hat ein Richter Zweifel an der Schuld des Angeklagten, muss er ihn freisprechen. Hat ein Richter keinen Zweifel an der Schuld des Angeklagten, so kann er ihn verurteilen. Hier gilt also der Grundsatz in dubio pro reo („Im Zweifel für den Angeklagten“).

Beispiel eines Strafurteils: https://stephanherold.com/Recht_PDF/Referendariat/13_Urteil.pdf

Wie alle menschlichen Entscheidungen können auch gerichtliche Entscheidungen Fehler enthalten.

Beispiel: In dem Strafverfahren vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth wurde der Angeklagte Donald Stellwag 1995 wegen Bankraubes trotz Mangels an Beweisen zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, obwohl er die Tat immer bestritten hatte. Es reichte offensichtlich aus, dass der Richter aufgrund des bisherigen Lebenslaufes des Angeklagten von seiner Schuld überzeugt war. Nachdem Herr Stellwag die Freiheitsstrafe voll abgesessen hatte, fand man kurze Zeit nach seiner Entlassung durch einen Zufall den eigentlichen Bankräuber.

So kann der Verurteilte ein Rechtsmittel einlegen, mit dem Zweck, dass seine Sache neu verhandelt (Berufung als „zweite Instanz“) oder auf Rechtsfehler überprüft wird (Revision, s. das Schema unten). Diese Stufe nennt man das Rechtsmittelverfahren (4).

Ist das Urteil rechtskräftig und hat das Gericht eine Verurteilung ausgesprochen, so beginnt das Vollstreckungsverfahren (5), in dem die Strafe vollstreckt wird. Zuständig für die Vollstreckung der Strafe ist die Staatsanwaltschaft.

Schema: Rechtsmittel, Instanzen, Strafrecht

Wiederholungsfragen:

1.Nennen Sie die fünf Stufen eines Strafverfahrens.

2.Erklären Sie den Unterschied zwischen einem Strafantrag und einer Strafanzeige.

3.Welche Behörde darf ein Ermittlungsverfahren einleiten beziehungsweise einstellen?

4.Was macht die Staatsanwaltschaft, wenn sie im Ermittlungsverfahren erkennt, dass die Verurteilung des Beschuldigten in einer Hauptverhandlung nach Aktenlage wahrscheinlich ist?

5.Welche Funktion hat ein Strafverteidiger?

6.Was versteht man unter dem Begriff „Beweisaufnahme“?

7.Was bedeutet „Plädoyer“?

8.Wie verstehen Sie den Grundsatz in dubio pro reo?

9.Welche Rechtsmittel gibt es? Erklären Sie den Unterschied zwischen den beiden.

10.Wie verstehen Sie den Ausdruck „die Strafe wird vollstreckt“?

Kommentieren sie die Beispiele:

1.Die Polizei beobachtet auf einer Streifenfahrt einen Einbruchdiebstahl. Liegt hier ein Antragsoder Offizialdelikt vor?

2.„Das X dient der gerichtlichen Feststellung, ob der Beschuldigte eine strafbare Handlung begangen hat, endet mit Verurteilung, Freispruch oder Einstellung des Verfahrens.“ Welche Stufe des Strafverfahrens ist X?

3.„Ein Y darf Tatsachen verschweigen, die für seinen Mandanten ungünstig sind; er darf aber Beweismittel nicht vorsätzlich verfälschen“. Was bedeutet hier „Y“?

4.A. „Die im Recht vorgesehene Möglichkeit, nach einem Gerichtsurteil bei einem höheren Gericht eine neue Verhandlung zu verlangen.“

B. „Ein Antrag an ein höheres Gericht, das Urteil eines untergeordneten Gerichts zu prüfen und zu ändern“. Auf welche Begriffe beziehen sich diese Definitionen?

5.Es ist am Ende der Beweisaufnahme nicht sicher auszuschließen, dass T zur Tatzeit nicht am Tatort, sondern anderswo war. Nach welchem Grundsatz ist T freizusprechen?

THEMA 3. FORMEN DER STRAFTAT

Das deutsche Strafrecht unterscheidet vier Formen von Straftaten: das vollendete Vorsatzdelikt, das versuchte Vorsatzdelikt, das Fahrlässigkeitsdelikt und das Unterlassungsdelikt. Die Voraussetzungen dieser Straftattypen unterscheiden sich zum Teil wesentlich; auch ihr Prüfungsaufbau ist unterschiedlich. Unter 'Prüfungsaufbau' verstehen wir die Prüfung einzelner Voraussetzungen für die Strafbarkeit des Täters.

Das vollendete Vorsatzdelikt ist der „Normalfall“ einer Straftat, d.h. es kommt besonders oft vor. Wie erkennt man ein solches Delikt? Zuerst fragt man nach der Tatbestandsmäßigkeit eines Verhaltens. Da müssen 3 Merkmale vorliegen: eine gefährliche Handlung, deren Erfolg (bei den Erfolgsdelikten) und der Vorsatz. Die Tathandlung muss für den Erfolg kausal sein, also ihn verursacht haben. Dann sucht man beim Täter nach möglichen Rechtfertigungsgründen, die die Tat rechtfertigen würden. Liegen keine Rechtfertigungsgründe vor, dann folgt die Frage nach möglichen Entschuldigungsgründen. Die Entschuldigungsgründe rechtfertigen zwar die Tat nicht, sie können jedoch die Schuld des Täters teilweise oder vollständig verneinen.

Mit Erfolgsdelikt bezeichnen wir ein Delikt, dessen Tatbestand einen bestimmten Erfolg voraussetzt, der von der Handlung getrennt ist, wie z.B. den Tod des Opfers bei Totschlag, die Beschädigung einer Sache bei der Sachbeschädigung. Von einem Tätigkeitsdelikt spricht man dagegen, wenn der Tatbestand nur aktives Tun und keinen davon getrennten Erfolg voraussetzt. Z.B. Trunkenheit im Verkehr oder die falsche uneidliche Aussage.

Für das versuchte Vorsatzdelikt ist charakteristisch, dass der Erfolg der Tat nicht eingetreten ist. Versuch liegt aber auch dann vor, wenn der Erfolg zwar eingetreten ist, aber nicht von dem Täter verursacht wurde oder ihm nicht zuzurechnen ist.

Beispiel: A vergiftet B. Bevor das Gift zu wirken beginnt, wird das B von einem anderen erschossen.

Ein versuchtes Vorsatzdelikt ist immer strafbar, wenn es sich um ein Verbrechen handelt. Handelt es sich um ein Vergehen, ist der Versuch nur strafbar, wenn das im Gesetz direkt angeordnet ist.

Ein Verbrechen ist eine Straftat, die mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft wird. Ein Vergehen ist eine weniger schwere Straftat und wird mit einer Freiheitsstrafe unter einem Jahr oder mit Geldstrafe bedroht. (§ 12 StGB)

Beim Fahrlässigkeitsdelikt verwirklicht der Täter einen Straftatbestand nicht vorsätzlich, sondern aus Unachtsamkeit, also fahrlässig.

Beispiel: Als A sein Gewehr reinigt, löst sich ein Schuss, der B tötet. A hat sich nicht wegen einer vorsätzlichen, sondern wegen einer fahrlässigen Tötung strafbar gemacht.

Der Täter handelt unbewusst fahrlässig, wenn er die gebotene Sorgfalt außer Acht lässt und so den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, ohne das zu erkennen. Dagegen handelt der Täter bewusst fahrlässig, wenn er es für möglich hält, dass er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, jedoch darauf vertraut, dass der Erfolg nicht eintreten wird.

Das StGB unterscheidet echte und unechte Unterlassungsdelikte. Eine Straftat wird als echtes Unterlassungsdelikt bezeichnet, wenn eine Strafrechtsnorm ein Unterlassen ausdrücklich unter Strafe stellt. In solchen Fällen wird durch Unterlassen der Tatbestand einer Gebotsnorm erfüllt.

Beispiele: unterlassene Hilfeleistung (z.B. man hilft anderen Menschen bei einem Unfall nicht), Nichtanzeige geplanter Straftaten; Hausfriedensbruch (z.B. man bleibt ohne Erlaubnis des Besitzers in der Wohnung).

Bei den unechten Unterlassungsdelikten wird unter den in § 13 StGB genannten Voraussetzungen durch Unterlassen der Tatbestand einer Verbotsnorm erfüllt. Das Unterlassen wird vergleichbar dem aktiven Tun bestraft. Aber ein unechtes Unterlassungsdelikt kann nicht von jedem, sondern nur von Personen begangen werden, die gemäß § 13 StGB dafür verantwortlich sind, dass der Erfolg nicht eintritt. Diese Rechtspflicht zum Handeln, also den Erfolg abzuwenden, wird Garantenpflicht genannt.

Beispiele der Garantenstellung: Verwandte, Ehegatten; der Babysitter, sobald er die Kindern von den Eltern übernimmt; der Arzt, der die Behandlung seines Patienten beginnt; der Rettungsschwimmer, der sich im Freibad oder der Sanitäter auf dem Sportplatz befindet.

Wiederholungsfragen:

1.Wie viele und welche Arten von Straftaten unterscheidet das Strafrecht?

2.Nennen Sie die drei wichtigsten Voraussetzungen eines vollendeten vorsätzlichen Deliktes.

3.Was unterscheidet Erfolgsdelikte von Tätigkeitsdelikten?

4.In welcher Beziehung müssen die Tathandlung und der Erfolg bei einem vollendeten Delikt stehen?

5.Was für einen Unterschied gibt es zwischen vollendeten und versuchten Straftaten?

6.Erzählen Sie über bewusste und unbewusste Fahrlässigkeit.

7.Begriff und Arten der Unterlassungsdelikte.

8.Wer ist ein „Garant“?

9.Ist der Versuch eines Vergehens strafbar?

10.Wie verstehen Sie das Begriffspaar „Gebotsund Verbotsnorm“?

Kommentieren Sie folgende Beispiele:

1)A schießt auf B, um diesen zu töten, verfehlt jedoch sein Ziel. B bleibt daher unverletzt.

2)A schießt auf B, um diesen zu töten, verfehlt jedoch sein Ziel. Unmittelbar anschließend schießt C – von dem der A nichts wusste – auf den B und tötet diesen.

3)Die Polizei wird zum Einkaufszentrum E gerufen. In der Passage, vor dem Geschäft des E, randalieren zwei Jugendliche. Mehrfache Aufforderungen des E, Ruhe zu geben oder die Passage zu verlassen, wurden nicht befolgt. Die Passage ist Geschäftsraum.

4)Gemäß § 249 StGB wird Raub mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. Ist der Versuch eines Raubes strafbar?

5)„Wenn der eine Ehepartner dem anderen nicht hilft, wenn dieser sich in Leiboder Lebensgefahr befindet, dann macht er sich aufgrund dieser ... möglicherweise einer Körperverletzung bzw. Tötung durch Unterlassen strafbar.“ Ergänzen Sie den Satz.

6)„Ein ... Delikt liegt vor, wenn ein bestimmter Erfolg vom Täter zwar als Folge seines Verhaltens geplant und vorhergesehen wurde, aber nicht ... ist.“ Ergänzen Sie die fehlenden Wörter.

7)Ein übermüdeter LKW-Fahrers hat seine Lenkzeiten bereits überschritten, trotzdem fährt er weiter. Er schläft am Steuer ein und verursacht eine Massenkarambolage (d.h. mehrere Autos stoßen zusammen). Nach dem allgemeinen Rücksichtnahmegebot (§ 1 StVO) muss der Fahrer bei Übermüdung die Fahrt abbrechen.

THEMA 4. VOLLENDETES VORSATZDELIKT: PRÜFUNGSAUFBAU

Vorprüfung: Liegt überhaupt eine Handlung vor?

Es gibt mehrere konkurrierende Handlungslehren. Nach der herrschenden sozialen Handlungslehre definiert sich eine Handlung als willensgetragenes und sozialerhebliches menschliches Verhalten. Nicht vom Willen beherrscht, „unwillkürlich“ sind z.B. erzwungene Handlungen (vis absoluta), Bewegungen im Schlaf oder Reflexbewegungen.

Stufe 1. Tatbestandsmäßigkeit

Die Tatbestandsmäßigkeit gliedert sich in den objektiven und subjektiven Tatbestand. 1a. Der objektive Tatbestand verlangt bei Erfolgsdelikten:

das Vorliegen einer Handlung, Verwirklichung aller objektiven Tatbestandsmerkmale einer Straftat (z.B. B „andere Person“, „Körperliche Misshandlung“ und „Gesundheitsbeschädigung“, bei der Körperverletzung, § 223 StGB) sowie Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs (z.B. Tod bei den Tötungsdelikten, Gesundheitsschädigung bei den Körperverletzungsdelikten),

Kausalität der Tathandlung für den Taterfolg (Man beantwortet hier die Frage, ob das

Verhalten des Täters den Taterfolg nach naturwissenschaftlichen Kriterien verursacht hat.) sowie

objektive Zurechnung der Tathandlung in Bezug auf den Taterfolg. Objektiv zurechenbar ist ein tatbestandlicher Erfolg dann, wenn das für den Erfolg ursächliche Verhalten ein rechtlich relevantes Risiko geschaffen hat, welches sich im konkreten tatbestandsmäßigen Erfolg auch realisiert hat.

Beispiel: Ein Gewitter kommt näher. A überredet den ahnungslosen B zu einem Spaziergang in der Hoffnung, dass B vom Blitz getroffen wird. Das passiert tatsächlich.

In dem Fall gibt es keine Erfolgszurechnung, da A selbst kein rechtlich relevantes Risiko geschaffen hat, welches sich den Erfolg verursacht hat. Das Risiko, welches hier zum Erfolg geführt hat, war ein durch Naturgewalt ausgelöstes, von A nicht kontrollierbares Risiko.

1b. Der subjektive Tatbestand umfasst:

den Vorsatz - d.h. den Willen zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller seiner objektiven Tatumstände,

sonstige subjektiven Tatbestandsmerkmale: Absichten: z.B.: die Zueignungsabsicht, die im Rahmen des Diebstahls geprüft werden muss; Motive: z.B.: Habgier und niedrige Beweggründe bei Mord (§ 211 StGB).

Stufe 2. Rechtswidrigkeit

Die Prüfung der Rechtswidrigkeit bestimmt, ob ein Verhalten, das den objektiven und subjektiven Tatbestand erfüllt, Unrecht im Sinne des Strafrechts ist.

Im Regelfall ist ein tatbestandsmäßiges Verhalten auch rechtswidrig. Ausnahmsweise ist ein tatbestandsmäßiges Verhalten gerechtfertigt und somit nicht strafbar, wenn ein Rechtfertigungsgrund vorliegt (z.B.: Notwehr, Einwilligung).

Stufe 3. Schuld

Auf der Prüfungsstufe der Schuld fragen wir uns, ob man dem Täter die Tat persönlich vorwerfen kann. Das ist z.B. dann nicht der Fall, wenn der Täter noch unter 14 Jahren ist, wenn er geisteskrank ist, oder wenn er zur Zeit der Tat infolge extremen Alkoholkonsums schuldunfähig war (Vollrausch , § 323a StGB).

Der Täter kann nur in dem Fall bestraft werden, wenn sein Verhalten tatbestandsmäßig und rechtswidrig und schuldhaft war.

Wann ist eine Handlung für einen Erfolg kausal?

Die Formel für die Kausalität fasst die Mehrheit der Juristen als "conditio sine qua non" zusammen. Wörtlich: "Bedingung, ohne die nicht".

Nach der herrschenden Äquivalenztheorie heißt es: Jede Bedingung ist für den Erfolg kausal und somit gleichwertig (äquivalent), wenn sie nicht weggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Form entfallen würde.

Beispiel: Wenn A den B erschießt, dann ist der Schuss des A kausal für den Tod des B, da B noch leben würde, wenn man den Schuss „wegzaubert“.

Eine Konsequenz dieser Theorie muss allerdings sein, dass auch Eltern "kausal" für einen Totschlag sind, den ihr erwachsenes Kind begeht. Hätten die Eltern ihr Kind niemals geboren, so hätte es auch niemals eine strafbare Handlung vornehmen können. Werden die Eltern also wegen Totschlags bestraft? Natürlich nicht. Die naturwissenschaftliche Kausalität wird durch die objektive Zurechnung eingeschränkt.

Wiederholungsfragen:

1.Wann liegt keine Handlung im rechtlichen Sinne vor?

2.Wie viele und welche Prüfungsstufen kennen Sie?

3.Welche Arten des Tatbestandes sind Ihnen bekannt?

4.Beschreiben Sie den Unterschied zwischen der Kausalität und der objektiven Zurechnung.

5.Nennen Sie die Voraussetzungen der objektiven Tatbestandsmäßigkeit bei einem Erfolgsdelikt.

6.Welche Merkmale umfasst der subjektive Tatbestand?

7.Welche Umstände können ein tatbestandsmäßiges Verhalten rechtfertigen?

8.Was prüft man auf der Stufe der Schuld?

9.Wie verstehen sie den Ausdruck conditio sine qua non?

10.Sind die Eltern für die Straftaten ihrer erwachsenen Kindern verantwortlich?

Beispiele zum Kommentieren:

1.Ein Mann wird mit vorgehaltenem Messer aufgefordert, sein Geld herauszugeben, woraufhin er den Täter bewusstlos schlägt. Was liegt vor?

2.„Eine Handlung, deren Folgen in den Augen der Mitmenschen wichtig sind“. Finden Sie einen synonymen Ausdruck im Text.

3.„ ... im strafrechtlichen Sinne bedeutet, dass die Tat dem Täter persönlich nach seiner Einsichtsfähigkeit vorgeworfen werden kann. Der Täter trägt immer dann die Verantwortung für sein normwidriges Verhalten, wenn er sich auch anders hätte entscheiden können. Der Täter muss also sowohl über eine Einsichtsals auch über eine Steuerungsfähigkeit verfügen.“ Wovon ist die Rede?

4.„Überholende ...tät“. Die T will den O vergiften, der geht nämlich fremd. Damit der O das Gift nicht schmeckt gibt sie eine ordentliche Portion in ein Glas Tee. Der O trinkt den Tee und freut sich seines Daseins als es klingelt und die Z vor der Tür steht. Die hat nämlich erfahren, dass der O eine Freundin hat (die T) und beschlossen ihm eine Lektion zu erteilen. Sie zückt ihre Waffe und erschiesst den O, noch bevor das Gift

wirken kann. Ergänzen Sie den Titel. Wessen Handlung war für den konkreten Erfolg ursächlich? Wer hat sich strafbar gemacht und wegen welches Delikts?

5. „Die Benutzung von KfZ im Straßenverkehr ist sozialadäquat, solange diese ordnungsgemäß erfolgt. Wer unverschuldet einen Unfall verursacht, hat kein rechtlich missbilligtes ... geschaffen.“ Ergänzen Sie das Wort.

6. Ehemann A ist ein unruhiger Zeitgenosse. Im Tiefschlaf wälzt er sich hin und her. Bei einer

schnellen Bewegung im Schlaf schlägt er seiner Frau B den Ellenbogen ins Gesicht. Die Nase der B geht dabei zu Bruch. Ist A wegen Körperverletzung strafbar?

7.A möchte endlich seinen reichen Erbonkel O beerben. Er schickt O auf eine lange Flugreise, in der Hoffnung, dass das Flugzeug abstürzt. Dies passiert tatsächlich. O wird getötet.

8.A schubst B in ein Schaufenster, das zu Bruch geht.

9.„... und ... sind die Merkmale, die die Tathandlung mit dem Taterfolg verknüpfen.“ Ergänzen Sie den Satz.

THEMA 5. VORSATZ

Vorsatz beschreibt die psychische Beziehung des Täters zur Tat. Unter Vorsatz versteht man den Willen zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller Tatumstände. Es gibt also zwei Elemente des Vorsatzes - die voluntative Seite = das Wollen und die intellektuelle Seite = das

Wissen.

Nur wenn feststeht, dass der Täter mit Wissen und Wollen in Bezug auf alle objektiven Tatumstände gehandelt hat, liegt der Vorsatz vor. Andernfalls entfällt die Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Begehung eines Delikts. Ausnahmsweise kann der Täter wegen fahrlässiger Begehung des entsprechenden Delikts bestraft werden, wenn das im Strafgesetzbuch direkt vorgesehen ist.

Man unterscheidet 3 Vorsatzformen: Absicht (dolus directus I), Wissentlichkeit (direkter Vorsatz, dolus directus II) und Eventualvorsatz (bedingter Vorsatz).

1. Absicht ist gegeben, wenn es dem Täter gerade darauf ankommt, den Tatbestand zu verwirklichen. Dabei muss der Täter die Tatbestandsverwirklichung nicht für sicher halten. Er muss sie jedoch mindestens als möglich vorstellen. Notwendig für die Absicht ist ein dominierendes Wollenselement und ein Wissenselement. Das Gesetz verwendet gleichbedeutend mit dem Begriff der Absicht (absichtlich) oft die Formulierung „um zu“.

Beispiel, § 211 StGB: „Mörder ist, wer … oder um eine andere Straftat zu ermöglichen … einen Menschen tötet.“

2. Wissentlichkeit oder direkter Vorsatz liegt vor, wenn der Täter weiß, dass er den Tatbestand verwirklicht. Auch der direkte Vorsatz erfordert ein Wissensund Wollenselement. Allerdings spielt hier das sichere Wissen um den Erfolgseintritt die größte Rolle, so dass das Wollenselement in den Hintergrund tritt. "Gewollt" in diesem Sinne ist das, was der Täter als notwendige oder unvermeidliche Folge seiner beabsichtigten Handlung in seinen Willen aufgenommen hat. Auch wenn er nicht will, dass der Erfolg eintritt. Die Wissentlichkeit ist z.B. erforderlich bei § 164 StGB (Falsche Verdächtigung): „Wer einen anderen bei einer Behörde ... oder öffentlich wider besseres Wissen (= lügend) einer rechtswidrigen Tat ... verdächtigt“.

3. Wenn im Gesetz keine bestimmte Vorsatzform vorgeschrieben ist, genügt für jeden Tatbestand bedingter Vorsatz . Umstritten dabei ist, wie ausgeprägt bei Eventualvorsatz die Wissensbzw. Wollenskomponente sein muss. Einigkeit besteht in dem Punkt, dass auch der Eventualvorsatz ein Wissenselement besitzen muss. Der Täter muss den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges wenigstens für möglich halten.

So entfällt der Eventualvorsatz dort, wo der Täter über die Möglichkeit des Erfolgseintritts nicht nachgedacht hat und im Augenblick der Tathandlung nicht weiß, dass er einen Tatbestand verwirklicht.

Hier ist die Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit problematisch, denn auch bei der bewussten Fahrlässigkeit hält der Täter die Rechtsgutsverletzung für möglich. Aber der fahrlässige Täter hofft darauf, dass der tatbestandliche Erfolg nicht eintreten wird. Für eine Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit ist es daher notwendig, zusätzliche Kriterien zu finden.

Faustregel zur Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit:

Bei dolus eventualis sagt sich der Täter: „Es kann etwas passieren – und wenn schon, meinetwegen

(d.h. „ich habe nichts dagegen“).

Der Fahrlässigkeitstäter sagt sich dagegen: „Es könnte etwas passieren – aber es wird schon gut gehen und nichts passieren“.

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