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§§

EINFÜHRUNG

§§

IN DIE SPRACHE DES DEUTSCHEN STRAFRECHTS

Lomonossov-Universität Moskau, Rechtswissenschaftliche Fakultät

THEMA 1. STRAFRECHT IM RECHTSSYSTEM

Die deutsche Rechtsordnung unterscheidet drei Bereiche:

-Privatrecht

-Öffentliches Recht

-Strafrecht

Formal betrachtet ist das Strafrecht ein Teil des öffentlichen Rechts. Das öffentliche Recht folgt dem Prinzip der Subordination: Der Polizist verbietet dem Bürger, Alkohol zu konsumieren. Hier ist also eine Behörde berechtigt, einen Bürger zu etwas zu verpflichten. Im Privatrecht herrscht dagegen das Prinzip der Gleichordnung: Der Kunde zahlt den Kaufpreis und verlangt vom Bäcker die bezahlte Ware. Hier ist der Bäcker nur zur Herausgabe der Ware verpflichtet, weil er mit dem Kunden freiwillig einen Kaufvertrag geschlossen hat.

Aus traditionellen Gründen und wegen der hohen Bedeutung einer strafrechtlichen Verurteilung wird das Strafrecht aber als eigenständiger Bereich der Rechtsordnung verstanden.

Welche Aufgaben hat das Strafrecht? Die Strafnormen sollen die Menschen von Handlungen abhalten, die Interessen anderer Menschen verletzen. Bei der Entscheidung, welche Verhaltensweisen zu bestrafen sind, orientiert sich der Gesetzgeber an der Sozialmoral. Das Strafrecht schützt anerkannte Güter wie Leben, Freiheit und Eigentum, die dadurch zu Rechtsgütern werden. Aber nicht alles ist strafbar, was sozialethisch missbilligt wird. Bestraft werden nur solche Verhaltensweisen, die vom Gesetzgeber als besonders schwerwiegend angesehen werden. Man sagt auch, dass die Aufgabe des Strafrechts darin besteht, den Rechtsfrieden zu sichern. Unter Rechtsfrieden versteht man das friedliche Zusammenleben der Bevölkerung im Schutz des Rechts.

Das Strafrecht ist das schärfste Schwert im Arsenal des Rechts. Deswegen folgen die meisten demokratischen Staaten im Strafrecht dem Prinzip der „ultima ratio“. Strafrecht wird wenn möglich gar nicht, ansonsten als ein allerletztes Mittel zum Erzwingen des Rechtsfriedens verwendet. Zum Beispiel muss bei Bagatelldelikten garantiert werden, dass vor einer strafrechtlichen Sanktion andere Mittel und Wege benutzt wurden, um den Täter vom Begehen weiterer Taten abzuhalten.

Anselm von Feuerbach, der Begründer der modernen deutschen Strafrechtswissenschaft formulierte den Grundsatz »nullum crimen, nulla poena sine lege«* (»kein Verbrechen, keine Strafe ohne Gesetz«), der als Gesetzlichkeitsprinzip bekannt ist. Das Prinzip umfasst vier Aspekte, die man zusammen als die Garantiefunktion des Strafgesetzes bezeichnet:

1.Verbot des Gewohnheitsrechts: das Strafgesetz muss schriftlich sein.

2.Verbot der Analogie: strafbar ist nur die Handlung, die das Gesetz eindeutig mit Strafe bedroht, und nicht etwa eine ähnliche.

3.Verbot von gesetzlicher Unbestimmtheit: das Gesetz muss Art und Voraussetzungen der Strafe klar beschreiben.

4.Verbot der Rückwirkung: das Strafgesetz muss vor der Straftat existiert haben. Eine belastende Rückwirkung ist im Strafrecht unzulässig.

Das deutsche Strafrecht hat drei Teile:

Das materielle Strafrecht beschreibt die Voraussetzungen der Strafbarkeit und deren Rechtsfolgen. Beides ist nach deutschem Recht im Strafgesetzbuch (StGB) und in zahlreichen Bestimmungen des sogenannten Nebenstrafrechts geregelt, z.B. im Außenwirtschaftsgesetz oder im Arzneimittelgesetz. Schon seit 1872 ist das deutsche Strafgesetzbuch in Kraft. Es wurden seitdem sehr viele Aktualisierungen und Änderungen gemacht. Das StGB besteht aus zwei Teilen. Der Allgemeine Teil des StGB regelt

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Grundsätzliches, z.B. Fragen des Vorsatzes, des Versuches und der Rechtfertigungsgründe. Der Besondere Teil behandelt die einzelnen Unrechtstypen und die Strafen, die dafür vorgesehen sind.

Zum formellen Strafrecht gehört das Strafprozessrecht. Es enthält zum einen (u.a. im Gerichtsverfassungsgesetz, GVG) Bestimmungen über den Aufbau und die Zuständigkeiten der Organe der Rechtspflege (v.a. Gerichte und Staatsanwaltschaft), zum anderen (in der Strafprozessordnung, StPO) Bestimmungen über den Ablauf des Strafverfahrens. Eine wichtige Rechtsquelle ist auch das Jugendgerichtsgesetz (JGG).

Das Strafvollzugsrecht beinhaltet (im Strafvollzugsgesetz) die Bestimmungen über die

Durchführung der Rechtsfolgen, die von den Strafgerichten verhängt wurden. Dabei ist der Vollzug der Freiheitsstrafe besonders wichtig.

_____________________________

Bagatelldelikt n. – eine Straftat von geringer Bedeutung

*Gesetzlichkeitsprinzip: Erstmals ausdrücklich formuliert wurde das Postulat „nulla poena, nullum crimen sine lege“ (keine Strafe ohne Gesetz, kein Verbrechen ohne Gesetz) von Paul Johann Anselm von Feuerbach in seinem „Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts“ aus dem Jahr 1801. Feuerbach griff hierbei auf vorangegangene staatsund rechtstheoretische Überlegungen anderer europäischer Philosophen und Juristen der Aufklärung zurück und führte diese in der lateinischen Kurzformel begrifflich zusammen.

Rückwirkung f. - Wirkung eines Gesetzes auf einen bestimmten Zeitpunkt vorher

Beantworten Sie die Wiederholungsfragen:

1.In welche Bereiche ist die deutsche Rechtsordnung unterteilt?

2.Erklären Sie den Unterschied zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht.

3.Erzählen Sie über die Aufgaben des Strafrechts.

4.Warum nennt man das Strafrecht „das schärfste Schwert“ im Arsenal des Rechts?

5.Aus welchen Bereichen besteht das deutsche Strafrecht?

6.Was steht im Allgemeinen Teil des StGB?

7.Was ist im Besonderen Teil aufgelistet?

8.Was bedeutet der Begriff „Strafvollzug“?

9.Welche Stellung nimmt das Strafrecht im deutschen Rechtssystem ein?

10.Was versteht man unter „Gesetzlichkeitsprinzip“?

Aufgaben zum Thema

Setzen Sie die Beispiele in Beziehung zu dem, was Sie in diesem Kapitel gelernt haben:

1.„Das ____________________ regelt die Situationen, wo sich zwei Gleichberechtigte gegenüberstehen. Das ________________ __________ hat mit solchen Situationen zu tun, wo sich eine Privatperson und der Staat gegenüberstehen.“ Ergänzen Sie!

2.Herr H kauft bei Saturn einen neuen Fernseher. Das ist eine Rechtsbeziehung zwischen Herrn H (natürliche Person) und der Media-Saturn-Holding GmbH (juristische Person). Öffentliches oder

Privatrecht?

3.Frau F verdient ziemlich viel Geld und ist in Deutschland steuerpflichtig. Aber sie will keine Steuern zahlen. Das deutsche Finanzamt hat etwas dagegen. Öffentliches oder Privatrecht?

4.Aus welchen Teilen des StGB kommen die folgenden Zitate:

A.„Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.“

B.„Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.“ (Welcher Paragraph des StGB ist das? Wie heißt die Straftat?)

C.„Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.“ (Notwehr ist

ein Rechtfertigungsgrund.)

5. GG, Art. 103 Abs. 2 „Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.“ Wie heißt das Rechtsprinzip?

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THEMA 2. ABLAUF DES STRAFVERFAHRENS

Im Strafverfahren wird geklärt, ob eine Person eine Straftat begangen hat und welche Strafe dafür verhängt wird. Jedes Strafverfahren beginnt mit dem Ermittlungsverfahren (1). Entweder erstattet eine Person eine Strafanzeige bei der Polizei bzw. bei der Staatsanwaltschaft, oder die Ermittlungsbehörden nehmen von Amts wegen die Ermittlungen auf. Man unterscheidet also 2 Arten von Delikten:

Bei Antragsdelikten wird ein Strafantrag gestellt. Antragsdelikte sind leichtere Delikte, die nur verfolgt werden, wenn der Geschädigte selbst die Straftat anzeigt. (z.B. Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, einfache Körperverletzung, Verleumdung).

Bei Offizialdelikten wird Strafanzeige gemacht. Als Offizialdelikt bezeichnet man Straftaten, die so schwer sind, dass die Strafverfolgungsbehörden die Straftat verfolgen, auch wenn der Geschädigte keine Strafanzeige macht. (z.B. Sexualdelikte, Diebstahl, schwere Körperverletzung, Mord). Die Straftat kann natürlich nur verfolgt werden, wenn die Staatsanwaltschaft von der Straftat weiß.

Die Ermittlungsbehörden sind bei Vorliegen eines Anfangsverdachts verpflichtet, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Die Polizei ist in der Regel die Behörde, die als erste vom Verdacht erfährt. Die Staatsanwaltschaft erforscht mit Hilfe der Polizei den Sachverhalt und bewertet, ob ein hinreichender Tatverdacht gegen den Beschuldigten vorliegt. Liegt ein solcher Verdacht vor, so erhebt sie die öffentliche Klage (auch Anklage genannt). Wenn die Staatsanwaltschaft entscheidet, dass eine Verurteilung nicht wahrscheinlich ist, stellt sie das Ermittlungsverfahren ein. Möglich ist zudem die Einstellung wegen Geringfügigkeit.

Einem Beschuldigten steht im Strafverfahren ein Verteidiger zur Seite. Grundsätzlich muss das Gericht den Anwalt akzeptieren, den der Beschuldigte gewählt hat. Verzichtet er aber auf die freie Wahl seines Anwalts, wird für ihn ein so genannter Pflichtverteidiger vom Gericht bestellt.

Erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage, reicht sie diese bei dem zuständigen Gericht ein. Dann beginnt das sogenannte Zwischenverfahren (2). Das Gericht prüft aufgrund der Anklage, ob das Hauptverfahren eröffnet wird oder nicht. In der Praxis ist es relativ selten, dass die Hauptverhandlung nicht eröffnet wird.

Der Eröffnungsbeschluss leitet das Hauptverfahren (3) ein. Dies findet in Form der Hauptverhandlung statt*. Es findet eine Beweisaufnahme statt, d.h. richterliche Prüfung und Benutzung der Beweismittel. Es werden Zeugen und Sachverständige angehört, Urkunden vorgelesen usw. Dann kommt das Plädoyer des Staatsanwalts (und Beantragung der Strafe). Anschließend hält der Verteidiger sein Plädoyer. Der Angeklagte bekommt „das letze Wort“, in dem er etwas zur Sache oder zu seiner Person sagen, sich entschuldigen oder ein Geständnis ablegen kann.

Plädoyer n. [plɛdo̯a'jeː] - die Rede, die der Staatsanwalt oder der Verteidiger vor Gericht hält, bevor das Urteil gesprochen wird

Nach einer geheimen Beratung verkündet das Gericht das Urteil: „Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: ...“. Hat ein Richter Zweifel an der Schuld des Angeklagten, muss er ihn freisprechen. Hat ein Richter keinen Zweifel an der Schuld des Angeklagten, so kann er ihn verurteilen. Hier gilt also der Grundsatz in dubio pro reo („Im Zweifel für den Angeklagten“).

Beispiel eines Strafurteils: https://stephanherold.com/Recht_PDF/Referendariat/13_Urteil.pdf

Wie alle menschlichen Entscheidungen können auch gerichtliche Entscheidungen Fehler enthalten.

Beispiel: In dem Strafverfahren vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth wurde der Angeklagte Donald Stellwag 1995 wegen Bankraubes trotz Mangels an Beweisen zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, obwohl er die Tat immer bestritten hatte. Es reichte offensichtlich aus, dass der Richter aufgrund des bisherigen Lebenslaufes des Angeklagten von seiner Schuld überzeugt war. Nachdem Herr Stellwag die Freiheitsstrafe voll abgesessen hatte, fand man kurze Zeit nach seiner Entlassung durch einen Zufall den eigentlichen Bankräuber.

3

So kann der Verurteilte ein Rechtsmittel einlegen, mit dem Zweck, dass seine Sache neu verhandelt (Berufung als „zweite Instanz“) oder auf Rechtsfehler überprüft wird (Revision, s. das Schema unten). Diese Stufe nennt man das Rechtsmittelverfahren (4).

Ist das Urteil rechtskräftig und hat das Gericht eine Verurteilung ausgesprochen, so beginnt das Vollstreckungsverfahren (5), in dem die Strafe vollstreckt wird. „Strafvollstreckung“ bedeutet die Erzwingung der Strafe durch staatliche Organe. Zuständig für die Vollstreckung der Strafe ist die Staatsanwaltschaft.

_________________________________

Geringfügigkeit f. - die Schuld des Täters wird nach der Schuldprognose als gering (klein) angesehen; dabei muss es sich bei der Tat um ein Vergehen (s. Thema 3) handeln

* Das Hauptverfahren besteht eigentlich aus zwei Abschnitten, und zwar aus 1) der Vorbereitung der Hauptverhandlung, geregelt in §§ 213–225a StPO, und 2) der Hauptverhandlung selbst, geregelt in §§ 226–275.

Schema: Rechtsmittel, Instanzen, Strafrecht

Beantworten Sie die Wiederholungsfragen:

1.Nennen Sie die fünf Stufen eines Strafverfahrens.

2.Erklären Sie den Unterschied zwischen einem Strafantrag und einer Strafanzeige.

3.Welche Behörde darf ein Ermittlungsverfahren einleiten beziehungsweise einstellen?

4.Was macht die Staatsanwaltschaft, wenn sie im Ermittlungsverfahren erkennt, dass die Verurteilung des Beschuldigten in einer Hauptverhandlung nach Aktenlage wahrscheinlich ist?

5.Welche Funktion hat ein Strafverteidiger?

6.Was versteht man unter dem Begriff „Beweisaufnahme“?

7.Was bedeutet „Plädoyer“?

8.Wie verstehen Sie den Grundsatz in dubio pro reo?

9.Welche Rechtsmittel gibt es? Erklären Sie den Unterschied zwischen den beiden Formen, die im Text erwähnt werden.

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Aufgaben zum Thema

Kommentieren Sie die Beispiele. Falls nötig ergänzen Sie die Sätze:

1. Die Polizei beobachtet auf einer Streifenfahrt einen Einbruchdiebstahl. Einbruchsdiebstahl ist dabei ein besonders schwerer Fall des Diebstahls. Liegt hier ein Antragsoder Offizialdelikt vor?

Streife f. - eine Gruppe von meist zwei Polizisten, die umherfahren, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist. Beispiel: Die Polizei geht auf Streife.

2.„Das ________________________ dient der gerichtlichen Feststellung, ob der Beschuldigte eine strafbare Handlung begangen hat, endet mit Verurteilung, Freispruch oder Einstellung des Verfahrens.“ Welche Stufe des Strafverfahrens ist hier gemeint?

3.„Ein ______________ darf Tatsachen verschweigen, die für seinen Mandanten ungünstig sind; er darf aber Beweismittel nicht vorsätzlich verfälschen“. Wie heißt der juristische Beruf?

4.Wovon ist die Rede in jedem der beiden Fälle?

A. „Die im Recht vorgesehene Möglichkeit, nach einem Gerichtsurteil bei einem höheren Gericht eine neue Verhandlung zu verlangen.“

B. „Ein Antrag an ein höheres Gericht, das Urteil eines untergeordneten Gerichts zu prüfen und zu ändern“. Auf welche Begriffe beziehen sich Definitionen A und B?

5.„Nach diesem strafprozessualen Grundsatz sind alle ernsthaften Zweifelsfragen bei der Entscheidung zugunsten des Angeklagten zu werten.“ Von welchem Grundsatz ist hier die Rede?

6.„§ 160 StPO. Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung

(1) Sobald die S___________________ durch eine Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie zu ihrer Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen. (…)“

Wissenswertes

(fakultativ):

- 1 -

Strafanzeige

und

Strafantrag

Wissenswertes

(fakultativ):

- 2 -

Strafvollstreckung

und

Strafvollzug

Als Strafanzeige, die man umgangssprachlich oft auch nur Anzeige nennt, bezeichnet man die schlichte Mitteilung eines Sachverhalts an die Strafverfolgungsbehörden. Die Strafanzeige ist damit eine reine Tatsachenmitteilung, bei der ein Bürger Staatsanwaltschaft, Polizei oder Gericht über einen möglicherweise strafrechtlich relevanten Sachverhalt informiert. Die Strafanzeige ist also dadurch charakterisiert, dass den Strafverfolgungsbehörden wie Polizei, Staatsanwaltschaft und Strafgericht ein Sachverhalt bekannt gemacht wird, der strafrechtlich relevant sein könnte. (…) Rein rechtlich gesehen hat die Strafanzeige als bloße Mitteilung eines Sachverhalts keinerlei Bedeutung. Da viele Straftaten aber erst durch eine entsprechende Anzeige bekannt werden, hat die Strafanzeige eine erhebliche praktische Relevanz.

Der Strafantrag ist im Gegensatz zur Strafanzeige als bloßer Mitteilung das tatsächliche Verlangen, eine bestimmte Tat strafrechtlich zu verfolgen. Anders als die einfache Anzeige eines Sachverhalts ist der Strafantrag deshalb die schriftliche Erklärung des Antragstellers, dass er die Strafverfolgung in einem bestimmten Fall ausdrücklich wünscht. Charakteristisch für den Strafantrag ist deshalb, dass ein bestimmter Sachverhalt nicht nur den Strafverfolgungsbehörden bekannt gemacht werden soll, sondern dass die strafrechtliche Verfolgung der Tat ausdrücklich verlangt wird. (…) Der Strafantrag hat als Strafverfolgungsvoraussetzung eine ganz erhebliche rechtliche Bedeutung. Quelle: www.anwalt.de

Die Strafvollstreckung umfasst alle verfahrensrechtlichen Maßnahmen, die auf Durchsetzung eines rechtskräftigen Strafurteils gerichtet sind, dementsprechend also die Vollstreckung von Geldstrafen, Freiheitsstrafen oder Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 449 ff. StPO). Im Allgemeinen setzt die Strafvollstreckung die Rechtskraft des Urteils voraus, beginnt also nicht, solange noch eine Berufung oder Revision läuft und erfolgt durch die Staatsanwaltschaft (§ 451 StPO).

Dagegen ist Strafvollzug die Durchführung und inhaltliche Ausgestaltung der Haftstrafe oder der freiheitentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung. Ziel ist die Resozialisierung eines Gefangenen, die ihn auf ein Leben in sozialer Verantwortung vorbereiten soll. (…)

Zu den Maßregeln der Besserung und Sicherung gehören hauptsächlich die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) und die

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Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB).

Nicht zum Strafvollzug und der Strafvollstreckung gehört die Untersuchungshaft (U- Haft), die lediglich die Durchführung des Strafprozesses und die spätere Strafvollstreckung sichert. (…)

Quelle: www.strafakte.de Vergleichen Sie: http://vital.lib.tsu.ru/vital/access/services/Download/ vtls:000486083/SOURCE1 Seiten 60-62

THEMA 3. FORMEN DER STRAFTAT

Das deutsche Strafrecht unterscheidet vier Formen von Straftaten: das vollendete Vorsatzdelikt, das versuchte Vorsatzdelikt, das Fahrlässigkeitsdelikt und das Unterlassungsdelikt. Die Voraussetzungen dieser Straftattypen unterscheiden sich zum Teil wesentlich; auch ihr Prüfungsaufbau ist unterschiedlich. Unter „Prüfungsaufbau“ verstehen wir hier die Prüfung einzelner Voraussetzungen für die Strafbarkeit des Täters.

1. Das vollendete Vorsatzdelikt ist der „Normalfall“ einer Straftat, d.h. es kommt besonders oft vor. Wie erkennt man ein solches Delikt? Zuerst fragt man nach der Tatbestandsmäßigkeit eines Verhaltens. Da müssen 3 Merkmale vorliegen: eine gefährliche Handlung, deren Erfolg (bei den Erfolgsdelikten) und der Vorsatz. Die Tathandlung muss für den Erfolg kausal sein, also ihn verursacht haben. Dann sucht man beim Täter nach möglichen Rechtfertigungsgründen, die die Tat rechtfertigen würden. Liegen keine Rechtfertigungsgründe vor, dann folgt die Frage nach möglichen Entschuldigungsgründen. Die Entschuldigungsgründe rechtfertigen zwar die Tat nicht, sie können jedoch die Schuld des Täters teilweise oder vollständig verneinen.

Mit Erfolgsdelikt bezeichnen wir ein Delikt, dessen Tatbestand einen bestimmten Erfolg voraussetzt, der von der Handlung getrennt ist, wie z.B. den Tod des Opfers bei Totschlag, die Beschädigung einer Sache bei der Sachbeschädigung. Von einem Tätigkeitsdelikt spricht man dagegen, wenn der Tatbestand nur aktives Tun und keinen davon getrennten Erfolg voraussetzt. Z.B. Trunkenheit im Verkehr oder die falsche uneidliche Aussage.

2. Für das versuchte Vorsatzdelikt ist charakteristisch, dass der Erfolg der Tat nicht eingetreten ist.

Versuch liegt aber auch dann vor, wenn der Erfolg zwar eingetreten ist, aber nicht von dem Täter verursacht wurde oder ihm nicht zuzurechnen ist.

Beispiel: A vergiftet B. Bevor das Gift zu wirken beginnt, wird B von einem anderen erschossen.

Ein versuchtes Vorsatzdelikt ist immer strafbar, wenn es sich um ein Verbrechen handelt. Handelt es sich um ein Vergehen, ist der Versuch nur strafbar, wenn das im Gesetz direkt angeordnet ist.

Ein Verbrechen ist eine Straftat, die mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft wird.

Ein Vergehen ist eine weniger schwere Straftat und wird mit einer Freiheitsstrafe unter einem Jahr oder mit Geldstrafe bedroht. (§ 12 StGB)

3.Beim Fahrlässigkeitsdelikt verwirklicht der Täter einen Straftatbestand nicht vorsätzlich, sondern aus Unachtsamkeit, also fahrlässig.

Beispiel: Als A sein Gewehr reinigt, löst sich ein Schuss, der B tötet. A hat sich nicht wegen einer vorsätzlichen, sondern wegen einer fahrlässigen Tötung strafbar gemacht.

Der Täter handelt unbewusst fahrlässig, wenn er die gebotene Sorgfalt außer Acht lässt und so den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, ohne das zu erkennen. Dagegen handelt der Täter bewusst fahrlässig, wenn er es für möglich hält, dass er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, jedoch darauf vertraut, dass der Erfolg nicht eintreten wird.

Die Unterscheidung zwischen bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit spielt nur eine Rolle bei der Abgrenzung zum bedingten Vorsatz (Vorsatzdelikte) und hinsichtlich der Strafzumessung.

4. Das StGB unterscheidet echte und unechte Unterlassungsdelikte. Eine Straftat wird als echtes Unterlassungsdelikt bezeichnet, wenn eine Strafrechtsnorm ein Unterlassen ausdrücklich unter Strafe stellt. In solchen Fällen wird durch Unterlassen der Tatbestand einer Gebotsnorm erfüllt.

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Beispiele: unterlassene Hilfeleistung (z.B. man hilft anderen Menschen bei einem Unfall nicht), Nichtanzeige geplanter Straftaten; Hausfriedensbruch (z.B. man bleibt ohne Erlaubnis des Besitzers in der Wohnung).

Bei den unechten Unterlassungsdelikten wird unter den in § 13 StGB genannten Voraussetzungen durch Unterlassen der Tatbestand einer Verbotsnorm erfüllt. Das Unterlassen wird vergleichbar dem aktiven Tun bestraft. Aber ein unechtes Unterlassungsdelikt kann nicht von jedem, sondern nur von Personen begangen werden, die gemäß § 13 StGB dafür verantwortlich sind, dass der Erfolg nicht eintritt. Diese Rechtspflicht zum Handeln, also den Erfolg abzuwenden, wird Garantenpflicht genannt.

Beispiele der Garantenstellung: Verwandte, Ehegatten; der Babysitter, sobald er die Kinder von den Eltern übernimmt; der Arzt, der die Behandlung seines Patienten beginnt; der Rettungsschwimmer, der sich im Freibad oder der Sanitäter auf dem Sportplatz befindet.

Beantworten Sie die Wiederholungsfragen:

1.Wie viele und welche Arten von Straftaten unterscheidet das Strafrecht?

2.Nennen Sie die drei wichtigsten Voraussetzungen eines vollendeten vorsätzlichen Deliktes.

3.Was unterscheidet Erfolgsdelikte von Tätigkeitsdelikten?

4.In welcher Beziehung müssen die Tathandlung und der Erfolg bei einem vollendeten Delikt stehen?

5.Was für einen Unterschied gibt es zwischen vollendeten und versuchten Straftaten?

6.Erzählen Sie über bewusste und unbewusste Fahrlässigkeit.

7.Begriff und Arten der Unterlassungsdelikte.

8.Wer ist ein „Garant“?

9.Ist der Versuch eines Vergehens strafbar?

10.Wie verstehen Sie das Begriffspaar „Gebotsund Verbotsnorm“?

Aufgaben zum Thema

Kommentieren Sie die Beispiele. Falls nötig ergänzen Sie die Sätze:

1)A schießt auf B, um diesen zu töten, verfehlt jedoch sein Ziel. B bleibt daher unverletzt. Was liegt hier vor?

2)A schießt auf B, um diesen zu töten, verfehlt jedoch sein Ziel. Unmittelbar anschließend schießt C – von dem der A nichts wusste – auf den B und tötet diesen. Was liegt vor?

3)Im Paragraph 323 c Strafgesetzbuch (StGB) „Unterlassene ________________“ steht geschrieben:

„Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten*, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“

Verurteilungen wegen unterlassener ________________ sind aber relativ selten.

*man kann jemandem etwas zumuten = man kann von jemandem etwas (Schwieriges) fordern

4)Gemäß § 249 StGB wird Raub mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. Ist der Versuch

eines Raubes immer / unter bestimmten Umständen strafbar?

5)„Wenn der eine Ehepartner dem anderen nicht hilft, wenn dieser sich in Leiboder Lebensgefahr befindet, dann macht er sich aufgrund dieser ____________stellung möglicherweise einer Körperverletzung bzw. Tötung durch Unterlassen strafbar.“

6)„Ein _____________ Delikt liegt vor, wenn ein bestimmter Erfolg vom Täter zwar als Folge seines Verhaltens geplant und vorhergesehen wurde, aber nicht ein_______en ist.“

7)A. Täter eines _________en Unterlassungsdelikts ist jeder, der dem gesetzlichen Gebot (z.B. Hilfe zu leisten § 323c

StGB) nicht nachkommt. Der H________________ (§ 123 Abs.1 StGB) zählt hier ebenfalls dazu. Der Straftatbestand wird dadurch erfüllt, dass eine Person die Räumlichkeiten nicht verlässt, obwohl sie dazu aufgefordert wurde (Unterlassungsdelikt) oder sich als zweite Alternative, unerlaubt Zutritt verschafft (Begehung durch aktives Handeln).

B. ____________e Unterlassungsdelikte sind ebenfalls Straftaten, die dadurch verwirklicht werden, dass eine bestimmte Person etwas nicht verhindert, obwohl diese Person hierzu verpflichtet ist. Das, was von der Person unterlassen wird, führt zu der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes, so als wenn die Person die Straftat (aktiv) ausgeführt hätte. Für ____________e Unterlassungsdelikte können nur die Personen bestraft werden, die sich darum kümmern müssen, dass der Erfolg der Straftat nicht eintritt. Diese Personen befinden sich in der sogenannten Garantenpflicht (z.B. Eltern gegenüber ihren Kindern).

8) „Als Steigerung (verstärkte Form) zur bewussten oder unbewussten ________________ steht die Leichtfertigkeit (lat. culpa lata). Hier handelt es sich um einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem der Handelnde die gebotene Sorgfalt in krasser Weise missachtet. Manchmal verlangt das Gesetz ausdrücklich Leichtfertigkeit (§§ 177 (3),

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178 (3), 251).

Beispiele: L_______________g handelt, wer in der Eile einem Dreijährigen ein geladenes Gewehr in die Hand drückt mit der Bitte, es einen Augenblick zu halten, und der Ermahnung, ja nicht abzudrücken; oder wer bei dichtem Nebel auf der Autobahn 120 km/h fährt.“

§§Tatbestände (fakultativ)

Sachbeschädigung

Frage aus einer Online-Rechtsberatung:

Hallo, ich habe am Sonntagnacht eine ziemliche Dummheit gemacht, und zwar habe ich in stark angetrunkenem Zustand an unserer Hauseingangstür eine Scheibe eingetreten, als das Schloss mal wieder etwas klemmte und ich es wohl nicht geregelt bekam. Einer der Nachbarn hat dann wohl die Polizei verständigt. Die hat dann 10 min. später 5 Mann hoch bei mir vor der Wohnung gestanden und hat mich mit dem Sachverhalt konfrontiert. Da ich aber da schon nicht mehr alle Einzelheiten wusste, zogen sie dann wieder ab. Und man sagte mir, ich soll mich auf der Wache melden. So nun war ich heute dort, der Kollege, der das bearbeitet, ist diese Woche nicht mehr anzutreffen, und man hat mich vertröstet und mir nur gesagt, dass eine Strafanzeige wegen Sachbeschädigung gegen mich läuft und diese nach dem Abschlussbericht des Kollegen an die Staatsanwaltschaft geht.

Da mir die Sache sehr unangenehm ist, habe montags gleich die Hausverwaltung verständigt und gesagt, dass ich selbstverständlich die Kosten übernehme. Meine Verwalterin zeigte Verständnis und versprach das unbürokratisch zu regeln. Zu sagen ist noch, dass ich hier Wohnungseigentümer in einem 12-Parteienhaus bin. (= ein Haus, in dem 12 Familien wohnen)

Meine Frage wäre nun, womit ich von Seiten der Staatsanwaltschaft noch rechnen muss. Aussage wollte die Kollegin heute auf der Wache nicht aufnehmen. Ich wollte angeben, dass ich für den Schaden aufkomme und dies bereits in die Wege geleitet ist.

Antwort des Anwalts:

Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),

vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne wie folgt beantworte. Dieses Forum dient dazu, Ihnen eine erste rechtliche Orientierung zu verschaffen, kann und soll keinesfalls die Beratung bei einem Kollegen vor Ort ersetzen.

Die Sachbeschädigung ist in § 303 StGB geregelt. Um den Tatbestand der Sachbeschädigung zu erfüllen, müssten Sie vorsätzlich und bewusst die Beschädigung der Tür vorgenommen zu haben.

Dies lässt sich aufgrund Ihrer Schilderung relativ gut relativieren, denn Sie waren einerseits angetrunken und andererseits gehe ich davon aus, dass es nicht Ihre Absicht war, dass Sie die Türe eintreten wollten.

Der Tatbestand der Sachbeschädigung ist darüber hinaus auch ein Antragsdelikt, d.h. wird nur verfolgt, wenn ein Geschädigter, also Miteigentümer hier Strafanzeige gestellt hat. Nur in den Fällen, wo die Staatsanwaltschaft ein öffentliches Interesse bejaht, wird der Straftatbestand auch ohne entsprechenden Antrag verfolgt. Dies wäre aber in Ihrem Fall nicht anzunehmen.

Da Sie sich mit der Hausverwaltung bereits über die Regulierung des Schadens verständigt haben, sollten Sie dies der Polizei auch ggf. schriftlich mitteilen und darüber hinaus darauf hinweisen, dass es nicht Ihre Absicht war, die Türe zu beschädigen. Unter Umständen kann die Hausverwaltung auch den Anzeigeerstatter dazu bewegen, die Anzeige wieder zurückzunehmen, so dass das strafrechtliche Verfahren gegen Sie eingestellt wird.

Die fahrlässige Sachbeschädigung ist nicht strafbar, sondern löst nur zivilrechtliche Schadensersatzansprüche aus. Fahrlässig haben Sie dann gehandelt, wenn Ihnen zum Zeitpunkt der Tat nicht bewusst war, dass Sie mit dem Tritt gegen die Tür, diese beschädigen werden. Insoweit kommt bei entsprechender Argumentation gegenüber der Polizei bzw. Staatsanwaltschaft auch eine Einstellung des Verfahrens wegen einer fahrlässigen Sachbeschädigung in Frage.

Wenn Sie nicht einschlägig, d.h. wegen eines derartigen Deliktes bereits vorbestraft sind, würde das Verfahren, auch wenn die Anzeige aufrechterhalten würde, voraussichtlich nach den §§ 153 ff. StPO gegen eine Geldauflage eingestellt werden.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen eine erste rechtliche Orientierung verschaffen, sollte etwas unklar geblieben sein, nutzen Sie bitte die kostenlose Nachfragefunktion des Portals.

Mit freundlichen Grüßen

Tobias R.

- Rechtsanwalt - www.frag-einen-anwalt.de

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THEMA 4. VOLLENDETES VORSATZDELIKT: PRÜFUNGSAUFBAU

Vorprüfung: Liegt überhaupt eine Handlung vor?

Es gibt mehrere konkurrierende Handlungslehren. Nach der herrschenden sozialen Handlungslehre definiert sich eine Handlung als willensgetragenes und sozialerhebliches menschliches Verhalten. Nicht vom Willen beherrscht, „unwillkürlich“ sind z.B. erzwungene Handlungen (vis absoluta), Bewegungen im Schlaf oder Reflexbewegungen.

Stufe 1. Tatbestandsmäßigkeit

Die Tatbestandsmäßigkeit gliedert sich in den objektiven und subjektiven Tatbestand. 1a. Der objektive Tatbestand verlangt bei Erfolgsdelikten:

das Vorliegen einer Handlung, Verwirklichung aller objektiven Tatbestandsmerkmale einer Straftat (z.B. „andere Person“, „Körperliche Misshandlung“ und „Gesundheitsbeschädigung“, bei der Körperverletzung, § 223 StGB) sowie Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs (z.B. Tod bei den Tötungsdelikten, Gesundheitsschädigung bei den Körperverletzungsdelikten),

die Kausalität der Tathandlung für den Taterfolg, die die Frage betrifft, ob das Verhalten des

Täters den Taterfolg nach naturwissenschaftlichen Kriterien verursacht hat, sowie

die objektive Zurechnung der Tathandlung in Bezug auf den Taterfolg. Objektiv zurechenbar ist ein tatbestandlicher Erfolg dann, wenn das für den Erfolg ursächliche Verhalten ein rechtlich relevantes Risiko geschaffen hat, welches sich im konkreten tatbestandsmäßigen Erfolg auch realisiert hat.

Beispiel: Ein Gewitter kommt näher. A überredet den ahnungslosen B zu einem Spaziergang in der Hoffnung, dass B vom Blitz getroffen wird. Das passiert tatsächlich.

In dem Fall gibt es keine Erfolgszurechnung, da A selbst kein rechtlich relevantes Risiko geschaffen hat, welches sich den Erfolg verursacht hat. Das Risiko, welches hier zum Erfolg geführt hat, war ein durch Naturgewalt ausgelöstes, von A nicht kontrollierbares Risiko.

Mehr über Kausalität und objektive Zurechnung

Die Formel für die Kausalität fasst die Mehrheit der Juristen als „conditio sine qua non“ zusammen. Wörtlich: „Bedingung, ohne die nicht…“

Nach der herrschenden Äquivalenztheorie heißt es: Jede Bedingung ist für den Erfolg kausal und somit gleichwertig (äquivalent), wenn sie nicht weggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Form entfallen würde.

Beispiel: Wenn A den B erschießt, dann ist der Schuss des A kausal für den Tod des B, da B noch leben würde, wenn man den Schuss „wegzaubert“.

Eine Konsequenz dieser Theorie muss allerdings sein, dass auch Eltern „kausal“ für einen Totschlag sind, den ihr erwachsenes Kind begeht. Hätten die Eltern ihr Kind niemals geboren, so hätte es auch niemals eine strafbare Handlung vornehmen können. Werden die Eltern also wegen Totschlags bestraft? Natürlich nicht. Die naturwissenschaftliche Kausalität wird durch die objektive Zurechnung eingeschränkt.

1b. Der subjektive Tatbestand umfasst:

den Vorsatz (s. Thema 5) - d.h. den Willen zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller seiner objektiven Tatumstände,

sonstige subjektiven Tatbestandsmerkmale: Absichten: z.B.: die Zueignungsabsicht, die im Rahmen des Diebstahls geprüft werden muss; Motive: z.B.: Habgier und niedrige Beweggründe bei Mord (§ 211 StGB).

Stufe 2. Rechtswidrigkeit

Die Prüfung der Rechtswidrigkeit bestimmt, ob ein Verhalten, das den objektiven und subjektiven Tatbestand erfüllt, Unrecht im Sinne des Strafrechts ist.

Im Regelfall ist ein tatbestandsmäßiges Verhalten auch rechtswidrig. Ausnahmsweise ist ein

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tatbestandsmäßiges Verhalten gerechtfertigt und somit nicht strafbar, wenn ein Rechtfertigungsgrund vorliegt (z.B.: Notwehr, Einwilligung).

Stufe 3. Schuld

Auf der Prüfungsstufe der Schuld fragen wir uns, ob man dem Täter die Tat persönlich vorwerfen kann. Das ist z.B. dann nicht der Fall, wenn der Täter noch unter 14 Jahren ist, wenn er geisteskrank ist, oder wenn er zur Zeit der Tat infolge extremen Alkoholkonsums schuldunfähig war (Vollrausch , § 323a StGB).

Der Täter kann nur in dem Fall bestraft werden, wenn sein Verhalten tatbestandsmäßig und rechtswidrig und schuldhaft war.

Beantworten Sie die Wiederholungsfragen:

1.Wann liegt keine Handlung im rechtlichen Sinne vor?

2.Wie viele und welche Prüfungsstufen sind Ihnen bekannt?

3.Welche Arten des Tatbestandes kennt das deutsche Strafrecht?

4.Erläutern Sie den Unterschied zwischen der Kausalität und der objektiven Zurechnung.

5.Nennen Sie die Voraussetzungen der objektiven Tatbestandsmäßigkeit bei einem Erfolgsdelikt.

6.Welche Merkmale umfasst der subjektive Tatbestand?

7.Welche besonderen Umstände können ein tatbestandsmäßiges Verhalten rechtfertigen?

8.Was prüft man auf der Stufe der Schuld?

9.Wie verstehen Sie die „conditio sine qua non“?

10.Sind die Eltern für die Straftaten ihrer erwachsenen Kindern verantwortlich?

Aufgaben zum Thema

Kommentieren Sie die Beispiele. Falls nötig ergänzen Sie die Sätze:

1.Ein Mann wird mit vorgehaltenem Messer aufgefordert, sein Geld herauszugeben, woraufhin er den Täter bewusstlos schlägt. Was liegt vor?

2.„Eine Handlung, deren Folgen in den Augen der Mitmenschen wichtig sind“. Finden Sie einen synonymen Ausdruck im Text.

3.„ S___________ im strafrechtlichen Sinne bedeutet, dass die Tat dem Täter persönlich nach seiner Einsichtsfähigkeit vorgeworfen werden kann. Der Täter trägt immer dann die Verantwortung für sein normwidriges Verhalten, wenn er sich auch anders hätte entscheiden können. Der Täter muss also sowohl über eine Einsichtsals auch über eine Steuerungsfähigkeit verfügen.“ Wovon ist

die Rede?

4. „Überholende __________tät.

Beispiel: Die junge Frau T. will ihren Freund O. vergiften, der geht nämlich fremd. Damit der O. das Gift nicht schmeckt, gibt sie eine ordentliche Portion in ein Glas Tee. Der O. trinkt den Tee und freut sich seines Daseins, als es klingelt und die junge Frau Z. vor der Tür steht. Die hat nämlich erfahren, dass der O. eine Freundin hat (die T.), und hat beschlossen, ihm eine Lektion zu erteilen. Sie zückt ihre Waffe und erschießt den O., noch bevor das Gift wirken kann.“

Wessen Handlung war für den konkreten Erfolg ursächlich? Wer hat sich strafbar gemacht und wegen welches Delikts? Beantworten Sie diese Fragen, indem Sie den nachfolgenden Text ergänzen:

„ Die ______ ist ursächlich für den Erfolg in seiner konkreten Gestalt, den Tod des O. Die _______ wiederrum hat keine Bedingungen gesetzt, die für den konkreten Erfolg ursächlich waren. Während die ______ sich des Totschlags strafbar gemacht hat, hat die ______ „nur“ den Versuch gewagt. Denn die von ihr gesetzte Bedingung ist überholt worden.“

5.„Die ordnungsgemäße Teilnahme am Straßenverkehr ist zwar gefährlich, aber erlaubt, so dass der Täter, wenn er unverschuldet einen Unfall „baut“ (verursacht), kein rechtlich relevantes

_________o gesetzt hat (und dementsprechend auch nicht fahrlässig gehandelt hat). In solchen Fällen spricht man stattdessen von einem allgemein erlaubten _________o.“

6.Ehemann A ist ein unruhiger Zeitgenosse. Im Tiefschlaf wälzt er sich hin und her. Bei einer schnellen Bewegung im Schlaf schlägt er seiner Frau B den Ellenbogen ins Gesicht. Die Nase der B

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