Иностранный язык учебный год 2022-23 / Auszug 1

der Pandektenordnung entsprechend das Sachenrecht voranstellen w" und entschied sich erst später anders101. Diese Umstellung während der Beratungcn zeigt. dass die Anordnung nicht gleichgültig gewesen sein kann102 • Eine Begründung gab die Kommission nicht, wohl aber findet sich eine doppelte Begründung in der; \1otin·n zum B(lye~ischen Entwurf von 1861/64: »Die Voranstellung des Rechtes lkr Schuldwrhaltnisse rechtfertigt sich, abgesehen von der Wichtigkeit desselben fur den Rl'd1ts-

Ralf Michaels

Stellung bedeute den Vorrang des Händlers vor dem Eigentümer 107. Implizit wird damit angenommen, die Anordnung des BGB spiegele die relative Wichtigkeit der geregelten Teile wider. Das wird indes durch den zweiten, formalen Grund für die Stellungsumkehr relativiert: das Bestreben des Gesetzgebers, Materien erst dann zu regeln, wenn ihre Voraussetzungen bereits in früheren Teilen geregelt sind - gerade so als lese man ein Gesetzbuch wie das Vorlesungsskript einer Pandektenvorlesung108 (deren Systematik das BGB ja übernommen hat) von vorn nach hinten109. Die Stellung vor dem Sachenrecht muss damit regelungstechnisch jedenfalls auch als Ausdruck des Klammerprinzips verstanden werden110 , das auch der Entscheidung für den Allgemeinen Teil entspricht111 . Damit ist mit der Stellung auch geregelt, dass Vorschriften des Schuldrechts auch auf sachenrechtliche Verhältnisse Anwendung finden können, umgekehrt aber sachenrechtliche Vorschriften auf das 2. Buchgrundsätzlich nicht anzuwenden sind, die Forderung also nicht (mehr) als Sache zu behandeln ist. Freilich verträgt sich die Erklärung mit einem Klammerprinzip im BGB

107 Anton Menger, Das bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen, 5. Aufl. 1927, 37-39, auch für Voranstellung des Familienrechts vor Sachenund Schuldrecht. Anders begründete Kritik bei Otto v. Gierke, Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs und das deutsche Recht, Leipzig 1889, 80: Sachenrecht sei ursprünglicher als Schuldrecht und müsse daher dem (im AT enthaltenen)

Personenrecht nachfolgen.

108 Gleiche Begründung bei Albrecht Schweppe, Das Römische Privatrecht in seiner heutigen Anwendung, 4. Ausg. Göttingen 1828, Bd. I, 124. Dem entsprach die häufige Äußerung, das BGB sei »fast nur ein in Paragraphen gegossenes Pandektenkompendium«, so kritisch Otto v. Gierke, Das Bürgerliche Gesetzbuch und der Deutsche Reichstag, 1896, 7 (zu v. Gierkes Kritik v. Lewinski, Systembildung [Fn.51], 228; weitere Nachweise aus der zeitgenössischen Diskussion bei Tilman Repgen, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 2001, 41f., Fn. 82). Im gleichen Sinne, aber positiv, Ernst Immanuel Bekker, System und Sprache (Fn.102), 7. Ebenso schon über das Sächs. BGB von 1865 Unger, Entwurf (Fn. 98), 20; Paul Koschaker, Europa und das römische Recht, 4. Aufl. 1966, 258; zum BGB aus neuerer Zeit etwa Horst Heinrich Jakobs, Wissenschaft und Gesetzgebung im bürgerlichen Recht, 1983, 13; Rolf Knieper, Gesetz und Geschichte, 1996, 37f.

109 Ebenso zur Stellung des Familienrechts SächsE XII, XIII; Carl Georg v. Wächter, Pandekten, Bd. I, Leipzig 1880, 186 Anm.1; dazu und zu Mengers Kritik (Fn.107), das Familienrecht müsse vorgehen, Wolfram Müller-Freienfels, Zur Diskussion um die systematische Einordnung des Fami-

lienrechts, Teil 1, RabelsZ 37 (1973), 609, 657-659.

110 Dafür zum BGB Staudinger/]. Schmidt, 13. Bearb. 1995, vor §§24lff„ Rn.566, 573; ähnlich Heinrich Titze, Bürgerliches Recht. Recht der Schuldverhältnisse, 4. Aufl. 1932, 7 (§ 2); Ludwig Kuhlenbeck, Von den Pandekten zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Ed.II, Berlin 1899, 2 (Schuldrecht durchziehe alle anderen Bücher); ebenso für die anderen Bücher (nicht aber für das Sachenrecht) schon Friedrich Carl v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 1, Berlin 1840, 389. Ähnlich Wolfgang Schur, Anspruch, absolutes Recht und Rechtsverhältnis im öffentlichen Recht entwickelt aus dem Zivilrecht, 1991, 87f.: seit Windseheid sei der Anspruch das zentrale Element des Zivilrechts, dieser entspreche aber eher dem im Schuldrecht geregelten »Bekommensollen« als

dem sachenrechtlichen »Haben«.

1 1 1 Zu dieser HKK/ Schmoeckel, vor§ 1, Rn. 41. Weniger überzeugend ist dagegen die Erklärung, so stehe das allgemeine Schuldrecht gleich hinter dem AT (Kuhlenbeck, Von den Pandekten II [Fn.110], 2; Staudinger/Weber, 11.Aufl.1967, vor §§241ff., B 2); mit dieser Begründung hätte man das allgemeine Schuldrecht dem AT zuschlagen müssen (vgl. ]ustus Wilhelm Hedemann, Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches, 2. Aufl. 1931, 19 [§ 3.III.1]), ebenso wie das »allgemeine Sachenrecht« der §§90ff. aus dem 3. Buch in den AT wanderte (HKK/Rüfner, §§90-103, Rn. l).