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учебный год 2023 / Baumann, Hypotheque rechargeable - eine wideraufladbare Hypothek als Grundschuld a la francaise

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Einleitung

„Grundbesitzer und Kapitalisten begegnen sich in dem Bedürfnis nach einfacher Gestaltung des ihre Interessen berührenden Rechts. Dem Grundbesitzer ist wesentlich daran gelegen, den Kredit, den der Grund und Boden ihm gewährt, erschöpfend, rasch und ohne Weiterungen verwerten zu können. Dem Kapitalisten aber verleiden umständliche Formen, Schwierigkeiten, welche bei der nachgesuchten Eintragung von dem Grundbuchamt gemacht werden.“

Reinhold Johow1

A. Vorüberlegungen

I. Im Westen etwas Neues?

Die französische Hypothek galt bisher als Paradebeispiel für ein streng akzessorisches Grundpfandrecht ähnlich der Sicherungshypothek nach § 1184 BGB.2 Mehrfach wurde auf damit zusammenhängende Nachteile, auf eine gewisse Schwerfälligkeit dieser Hypothekenform hingewiesen.3 Die deutsche Grundschuld wurde hingegen bereits 1966 von der EWG-Kommission als Modell für eine europäische Harmonisierung der Grundpfandrechte ins Spiel gebracht. Die EWG-Kommission schätzte an der Grundschuld, dass sie aufgrund ihrer Forderungsunabhängigkeit eine hohe Anpassungsfähigkeit an verschiedenste Kreditsituationen aufweise.4 Durch die Einführung der hypothèque rechargeable 2006 hat sich auf französischer Seite etwas getan. Für diese Arbeit wurde für hypothèque rechargeable die deutsche Bezeichnung „wiederaufladbare Hypothek“ gewählt.5 Dies soll nicht ausblenden, dass sich bislang noch keine einheitliche

1Johow, in: Schubert (Hrsg.), Die Vorlagen der Redaktoren, Sachenrecht Teil 2, S. 461 f.: Die selbständige Hypothek, Gründe für deren Aufnahme.

2Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht, S. 732, 3 D 322 f.; Hadding/Schneider, Recht der Kreditsicherheiten, Frankreich, S. 192 Nr. 204.

3Hadding/Schneider, Recht der Kreditsicherheiten, Frankreich S. 36 Nr. 40, S. 230 Nr. 233; Stöcker, Die Eurohypothek, S. 142; Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, S. 606 ff.; Kircher, Grundpfandrechte in Europa, S. 262 ff.

4Vgl. Stöcker, Die Eurohypothek, S. 217, sog. Segré-Bericht (Bericht einer Sachverständigengruppe unter Leitung von Claudio Segré an die EWG-Kommission zum Aufbau eines europäischen Kapitalmarktes, 1966).

5Ebenso Sonnenberger/Dammann, Französisches Handelsund Wirtschaftsrecht, S. 474, VII 82; Klein/Tietz, RIW 2007, S. 106; Kühl, Kreditwesen 2006, S. 31.

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Einleitung

Übersetzung durchgesetzt hat6 und die Bezeichnung etwas sperrig und an der wörtlichen Übersetzung haftend wirken mag. Diese Wiederaufladbarkeit bezieht sich auf die Forderungen, die die Hypothek sichert. Ein Sicherungsrecht, das mit neuen Forderungen wiederaufgeladen werden kann, kann nicht gleichzeitig streng akzessorisch sein. In Reinform wäre es ein von der Forderung inhaltlich gelöstes Recht wie die Grundschuld. Handelt es sich bei der wiederaufladbaren Hypothek gar um eine verkappte Grundschuld?7

Zu den fundamentalen Unterschieden des deutschen und französischen Zivilrechts gehört traditionell der Gegensatz von französischem Konsensprinzip und deutschem Abstraktionsprinzip. Die Nicht-Akzessorietät eines Grundpfandrechts einerseits und die Trennung und Abstraktheit des Verfügungsgeschäfts vom Verpflichtungsgeschäft andererseits sind zwar zu trennen.8 Die wiederaufladbare Hypothek muss daher mit der Grundschuld strukturell gewiss nicht übereinstimmen. Obwohl die Nicht-Akzessorietät der Grundschuld gerade keine unmittelbare Folge des Abstraktionsprinzips ist, wurde gleichwohl wiederholt auf einen historischen Zusammenhang hingewiesen.9 Beides liege konzeptionell nahe beieinander.10 Die mit der Wiederaufladbarkeit verbundene Lockerung der Verbindung zwischen Sicherungsrecht und Forderung könnte die wiederaufladbare Hypothek auch von der vertraglichen Ebene ein Stück weit verselbstständigen und damit eine gewisse Annäherung an das deutsche Abstraktionsprinzip bewirken. Die Wichtigkeit der Reform scheint durch französische Betrachter bestätigt zu werden, von denen nicht wenige die wiederaufladbare Hypothek als „Revolution“ bezeichnen.11 Schließlich ist auch die europäische Dimension der Reform zu beachten. Zu überlegen wird sein, ob die wiederaufladbare Hypothek einen

6 Vgl. „wiederauffüllbare Hypothek“ bei Leutner/Lehberg, ZfIR 2006, S. 817. 7 Vgl. hierzu Leutner/Lehberg, ZfIR 2006, S. 817 ff.

8 Stadler, in: Chinesisches Zivilund Wirtschaftsrecht aus deutscher Sicht, S. 47.

9 Vgl. die rechtshistorischen Zusammenhänge bei Buchholz, Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, insb. S. 11: „In den Gebieten (der deutschen Staaten im 19. Jahrhundert), die sich für das „abstrakte“ System entschieden hatten, galten die „selbständige Hypothek“ (Grundschuld) und die „abstrakte Auflassung“ als eine notwendige und logische Einheit.“ Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, S. 606: „Abstraktion und Nicht-Akzessorietät haben gemeinsame gedankliche und wirtschaftliche Wurzeln.“

10Stadler, in: Chinesisches Zivilund Wirtschaftsrecht aus deutscher Sicht, S. 48.

11Vgl. Les Echos, 26.09.2005 „Crédit : la révolution de l'hypothèque.“

Le Point, 17.1.2007: „L'hypothèque en pleine révolution.“ Vgl. auch Becqué-Ickowicz, in: Évolution des sûretés réelles, S. 86: „D'un point de vue théorique, cette création est à certain égard plus qu'une réforme : une révolution!“

Einleitung

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neuen Impuls für die Bestrebungen zur Rechtsvereinheitlichung im Hypothekenrecht geben kann.

II. Gegenstand und Gang der Untersuchung

Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die wiederaufladbare Hypothek. Ihre rechtlichen Besonderheiten sollen herausgearbeitet werden. Dabei soll auch versucht werden einzuschätzen, wie sie sich in der Praxis bewähren wird. Die gewählte wissenschaftliche Methode ist der Rechtsvergleich. Vergleichsmaßstab ist die deutsche Rechtsordnung. Sie bietet sich nicht nur wegen der nicht-akzessori- schen Grundschuld an. Das BGB verfügt über eine große Vielfalt an Hypothekenformen. Diese Vielfalt spiegelt sich in der Praxis jedoch nicht wider, da dort die Grundschuld vorgezogen wird. Die Grundschuld hat sich auch deshalb durchgesetzt, weil bei ihr die gesicherten Forderungen einfach ausgewechselt und/oder erweitert werden können. Da dies anscheinend auch die besondere Fähigkeit der wiederaufladbaren Hypothek sein soll, ist zu fragen, inwieweit die wiederaufladbare Hypothek der Grundschuld ähnelt und ob sie eine vergleichbare Entwicklung nehmen könnte. Das Hauptaugenmerk ist auf deutscher Seite folglich auf das „Erfolgsmodell“ Grundschuld zu legen. Zu berücksichtigen wird hierbei auch das Risikobegrenzungsgesetz von 2008 sein. Aber auch die verschiedenen Hypothekenformen sind einzubeziehen. Die diversen Zwischenformen zwischen streng akzessorischer Sicherungshypothek und nicht-akzessori- scher Grundschuld könnten Ähnlichkeiten mit einer wiederaufladbaren Hypothek aufweisen und so deren Bewertung erleichtern.

Der Aufbau der Untersuchung orientiert sich an der wiederaufladbaren Hypothek. Der Schwerpunkt bildet ihre technisch-inhaltliche Ausgestaltung: Bestellung, Wiederverwendbarkeit, Rangfolge, Übertragung und Erlöschen. Dem vorgelagert ist die Betrachtung der Entstehungsgeschichte der wiederaufladbaren Hypothek. Die Frische der Reform bietet die Chance, einen noch wenig verstellten Blick auf die Vorgeschichte der Reform zu erhalten. Zugleich wird so die bisherige Rechtspraxis bei der Sicherung von Forderungen mit in die Untersuchung einbezogen. Dadurch verbreitert sich die Basis der Untersuchung, was für das Verständnis und die Beurteilung der wiederaufladbaren Hypothek nützlich sein wird. Entsprechend lässt sich die Untersuchung grob in diese zwei Abschnitte unterteilen, an welche sich dann eine zusammenfassende Gesamtbewertung anschließt.

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Einleitung

B. Klärung einiger Grundbegriffe der Untersuchung

Für diese Untersuchung nehmen einige Begriffe eine wichtige Rolle ein. Auf deren Inhalt und Bedeutung soll vorab eingegangen werden.

I. Wiederaufladbarkeit und Wiederverwendbarkeit

Bei der Bezeichnung rechargeable handelt es sich nicht um einen üblichen und inhaltlich hinreichend bestimmten Begriff des französischen Kreditsicherungsrechts,12 sondern eher um eine Anleihe aus dem technisch-physikalischen Bereich. Ein deutsches Pendant existiert nicht. Der Tradition des Code Civil folgend soll offenbar in einfacher, dem juristischen Laien verständlicher Sprache deutlich gemacht werden, wie diese neue Hypothek funktioniert. Ähnlich wie etwa ein Prepaid-Handy mit neuem Guthaben wiederaufgeladen werden kann, soll auch diese Hypothek mit neuen Forderungen wiederaufgeladen werden können. Für die folgende Untersuchung ist dies inhaltlich zu präzisieren. Zu denken ist an Rechtsbegriffe wie Revalutierung oder Forderungsauswechslung. Erstere betrifft die Fälle, in denen ein teilweise beglichenes Darlehen aufgestockt oder ein bereits zurückgezahltes Darlehen erneut ausgezahlt wird.13 Bei einer Forderungsauswechslung wird die gesicherte Forderung ausgetauscht. Beide Begriffe beschreiben einen Teil dessen, was mit Wiederaufladen gemeint ist, sie erfassen jedoch nicht alle Facetten. Hierzu gehören alle über die ursprünglich gesicherte Forderung hinausgehenden Erweiterungen14 der grundpfandrechtlichen Sicherung. Die Wiederaufladbarkeit soll die Verwendung der Sicherheit für solche Forderungen ermöglichen, die bislang in keiner Beziehung zu Grundpfandrecht oder gesicherter Forderung standen. Um diese vielfältige Verwendbarkeit zum Ausdruck zu bringen und eine gewisse Nähe zum Begriff Wiederaufladung zu erhalten, werden im Folgenden diese verschiedenen Erweiterungsformen der gesicherten Forderung unter Wiederverwendung zusammengefasst und die entsprechende Fähigkeit eines Grundpfandrechts als Wiederverwendbarkeit bezeichnet.

12 Kritisch hierzu de Ravel d'Esclapon, L'hypothèque rechargeable, S. 15; Frémeaux/ Daublon, Defrénois 2006, art. 38430, S. 1095.

13Vgl. Stöcker, Die Eurohypothek, S. 32.

14Becker-Eberhard, Die Forderungsgebundenheit der Sicherungsrechte, S. 492 ff.

Einleitung

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II. Akzessorietät

Kreditsicherheiten sind zumeist akzessorisch ausgestaltet. Unter Akzessorietät wird im deutschen Zivilrecht eine bestimmte Form der einseitigen Abhängigkeit eines Rechts von einem anderen Recht verstanden.15 Das Hauptrecht und das akzessorische Nebenrecht sind so miteinander verknüpft, dass die für das Hauptrecht getroffene Regelung unmittelbar auch auf das Nebenrecht einwirkt.16 Das Hauptrecht ist das führende, das Nebenrecht das geführte, angelehnte Recht.17 Der Gesetzgeber hat eine solche Beziehung in Konstellationen vorgesehen, in denen ein Recht gegenüber dem anderen ein Übergewicht hat und das Schicksal des anderen bestimmt18, weil das eine Recht ausschließlich der Sicherung und der Realisierung des Leistungsanspruchs des anderen Rechts dient.19 Dieser Funktion entsprechend ist das Nebenrecht durch die akzessorische Verknüpfung auf diesen Zweck gesetzlich reduziert und der Schuldner durch die Begrenzung der Haftungsrisikos geschützt.20 Dieser Schuldnerschutz in Form einer Haftungsbegrenzung ist die rechtspolitische Funktion der Akzessorietät. Er wird in Reinform in allen Phasen der Forderung gewährt, indem das akzessorische Recht dem Hauptrecht hinsichtlich seiner Entstehung, seines Umfangs, seiner Zuständigkeit, seiner Durchsetzung und seines Untergangs folgt.21 In der Abwägung zwischen Schuldnerschutz und Verkehrsinteresse wird die Akzessorietät jedoch oftmals erheblich gelockert.22

Die eben beschriebenen Überlegungen zur Akzessorietät finden sich weitgehend auch im französischen Recht.23 Anfänge der Akzessorietät lassen sich bereits bei den dem deutschen und französischen Recht gemeinsamen Wurzeln im römischen Recht finden.24 Es setzte sich die Erkenntnis durch, dass man die Vollrechtsund Besitzübertragung als Sicherheit besser vermied, da dies gefährlich

15Wiegand, in: Probleme der Kreditsicherung, S. 38; Medicus, JuS 1971, S. 497.

16Habersack, JZ 1997, S. 857.

17Medicus, JuS 1971, S. 497.

18Ebenda.

19Wiegand, in: Probleme der Kreditsicherung, S. 38.

20Ebenda.

21Vgl. Medicus, JuS 1971, S. 498 ff.; Staudinger/Wiegand, Anh. zu §§ 929-931 Rn. 188.

22Stöcker/Stürner, Grundpfandrechte in Europa, Band III, S. 45.

23Vgl. im Bezug auf die Hypothek Aynès/Crocq, Les sûretés 2011, S. 169 Nr. 400 und Mazeaud/Mazeaud/Chabas/Picod, Leçons de droit civil, Sûretés, S. 286 ff. Nr. 234 ff.; ähnlich zur Bürgschaft Legeais, Dr. & patr. 2001, Nr. 92, S. 68.

24Habersack, JZ 1997, S. 860; Becker-Eberhard, Die Forderungsgebundenheit der Sicherungsrechte, S. 127 ff.

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Einleitung

für den Schuldner war, aber auch schlicht und einfach unpraktisch für beide Seiten.25 Bei der Betrachtung der französischen Dogmatik zur Akzessorietät sind gleichwohl Unterschiede zu beachten. Der Begriff accessoire wird im französischen Zivilrecht deutlich weiter gefasst.26 Goubeaux unterteilt den Begriff in accessoires par production, zu denen insbesondere Früchte im Sinne von § 99 BGB zählen, und accessoires par affectation (durch Zuordnung/ Zweckbestimmung), worunter Realsicherheiten fallen.27 Auffallend ist vor allem, dass hiernach jedes Recht akzessorisch gemacht werden kann und hierzu lediglich eine Willensbetätigung ausreicht.28 Der Begriff der Akzessorietät ist somit nicht wie im deutschen Recht auf eine bestimmte Form der gesetzlichen Verbindung zweier Rechte begrenzt, welche im Kern durch die Parteien nicht verändert werden kann29, sondern erfasst auch vertragliche Konstruktionen, die zu einer Begrenzung eines Rechts führen.30 So gilt etwa auch der Eigentumsvorbehalt als akzessorische Rechtsposition.31

Die unterschiedliche Bedeutung der Akzessorietät zeigt sich bei der Diskussion um den Begriff der sûreté (Sicherungsrecht). Zur dessen klassischer Definition

25 Vgl. Mazeaud/Mazeaud/Chabas/Picod, Leçons de droit civil, Sûretés, S. 13 Nr. 6; Aynès/Crocq, Les sûretés 2011, S.174 f. Nr. 408.

26Goubeaux, La règle de l'accessoire en droit privé, S. 33 ff. Nr. 18 ff.; vgl. auch Cabrillac, in: Études dédiées à Alex Weill, S. 109; Crocq, Propriété et garantie, S. 61 f.

27Goubeaux, La règle de l'accessoire en droit privé, S. 35 f. Nr. 19.

28Vgl. Goubeaux, La règle de l'accessoire en droit privé, S. 47, 26: „Il faut distinguer plusieurs hypothèses: Il est des accessoires dont la destination se trouve inscrite dans leur nature même : une hypothèque garantit toujours une créance, [...] . Il existe aussi toute une série de situations dans lesquelles le rapport de destination est essenciellement subjectif.“

S.48 Nr. 26: „De cette souplesse, il résulte encore que le nombre d'accessoire par destination est illimité et qu'on peut créer des variétés à l'infini. Dès l'instant qu'un opération toute intellectuelle suffit à établir un rapport d'accessoire. À principale, il est extrêmement facile de multiplier de telles relations.“ Zustimmend Crocq, Propriété et garantie, S. 61 Nr. 71.

29Vgl. Jauernig, NJW 1982, S. 269; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Band 5, S. 12; Becker-Eberhard, Die Forderungsgebundenheit der Sicherungsrechte,

S.64 ff.; Staudinger/Wiegand, Anh. zu §§ 929-931 Rn. 190; Schmidt, in: Festschrift

Serick, S. 331; Bülow, Recht der Kreditsicherheiten, S. 9 Rn. 27, S. 369 Rn. 1094.

30 Zur engen deutschen Definition vgl. die Überlegungen zum Akzessorietätsersatz bei Medicus, JuS 1971, S. 503 f.

31 Aynès/Crocq, Les sûretés 2011, S. 382 f. Nr. 805; anders das deutsche Recht, siehe Palandt/Grüneberg, § 401 Rn. 5; zu den dogmatischen Überlegungen im deutschen Recht siehe Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Band 1, S. 206 ff., insb. S. 212; Wiegand, in: Probleme der Kreditsicherung, S. 38, S. 52.

Einleitung

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gehört die akzessorische Verbindung zur gesicherten Forderung.32 Erst mit dem Aufkommen neuer Sicherungsformen in den letzten Jahrzehnten wie etwa dem Eigentumsvorbehalt33 oder der selbstständigen Garantie (garantie autonome)34 wurde dieses traditionelle Verständnis in Frage gestellt.35 Die Reform von 2006 hat diese Sicherungsrechte nun als sûreté eingeordnet.36

Trotz Übereinstimmungen sind beim Begriff der Akzessorietät historisch gewachsene Unterschiede in der deutschen und französischen Dogmatik festzustellen und anzuerkennen.37 Dies verlangt beim Rechtsvergleich eine erhöhte Vorsicht. Der Akzessorietät von Kreditsicherheiten wird nach der französischen Vorstellung grundlegende Bedeutung beigemessen, wohingegen der formalen Forderungsunabhängigkeit prinzipiell misstraut wird.38 In jüngeren deutschen Beiträgen zur europäischen Harmonisierung wurde hierauf reagiert und begriffliche Veränderungen vorgenommen. Die vertragliche Begrenzung eines formal forderungsunabhängigen dinglichen Rechts wird als vertragliche Akzessorietät bezeichnet.39 Damit geht einher, dass die trennscharfe Unterscheidung in einerseits akzessorisch forderungsgebundene und andererseits formal forderungsunabhängige, aber vertraglich gebundene Sicherungsrechte zunehmend schwerer fällt.40

32 Siehe Crocq, Propriété et garantie, S. 230 Nr. 278, S. 234 Nr. 282: „Une sûreté est l'affectation à la satisfaction du créancier d'un bien, d'un ensemble de bien ou d'un patrimoine par l'adjonction aux droit résultant normalement pour lui de contrat de base, d'un droit d'agir, accessoire de son droit de créance, … .“

Vgl. auch Marty/Raynaud/Jestaz, Les sûretés, S. 3 f. Nr. 3; Mazeaud/Mazeaud/Chabas/ Picod, Leçons de droit civil, Sûretés, S. 10 ff. Nr. 5 ff.; Cabrillac/Mouly, Droit des sûretés 2004, S. 424 Nr. 503; Hadding/Schneider, Recht der Kreditsicherheiten, Frankreich, S. 36 Nr. 40.

33Sonnenberger/Dammann, Französisches Handelsund Wirtschaftsrecht, S. 488 f., VII 106.

34Sonnenberger/Dammann, Französisches Handelsund Wirtschaftsrecht, S. 480 f., VII 93 ff.; Simler/Delebecque, Les sûretés 2009, S. 257 f. Rn. 284.

35Vgl. Witz, JCP E 1993, I. Études et chroniques, Art. 244, S. 233, der bereits in den 80ern die Akzessorietät nicht mehr als konstituierendes Merkmal einer Kreditsicherheit ansah.

36Chapitre II : De la garantie autonome, Art. 2321 CC, und chapitre VIII : De la propriété cédée à titre de garantie, Art. 2488-1 – Art. 2488-5 CC.

37Vgl. auch Stöcker/Stürner, Grundpfandrechte in Europa, Band III, S. 45, die im europäischen Kontext auf mannigfaltige Erscheinungsformen und unterschiedliche Auswirkungen der Akzessorietät hinweisen.

38Vgl. Stöcker, WM 2006, S. 1947.

39Ebenda, aufgenommen auch von Baur/Stürner, Sachenrecht 2009, § 36 Rn. 78.

40Vgl. MünchKomm/Eickmann, § 1191 Rn. 11.

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Einleitung

III. Zusammenhang zwischen Bestimmtheit und Akzessorietät

Der Bestimmtheitsoder Spezialitätsgrundsatz41 als sachenrechtlicher Grundsatz besagt im deutschen Recht an sich lediglich, dass Rechte zur Wahrung der Rechtsklarheit nur an einzelnen Sachen bestehen können.42 Eine Bestimmtheit der von einer Hypothek zu sichernden Forderung lässt sich hieraus noch nicht ohne weiteres begründen. Hinter diesem speziellen sachenrechtlichen Grundsatz steht das allgemeine Erfordernis der Bestimmtheit von Verfügungen, da deren Zuordnungsfunktion eine ausreichende inhaltliche Klarheit voraussetzt.43 Hieraus lassen sich für die Verfügung „Hypothekenbestellung“ gewisse Anforderungen an deren Inhalt ableiten.

Neben dieser rein sachenrechtsdogmatischen Erklärung ist die rechtspolitische Bedeutung zu beachten.44 Durch die Bestimmung der gesicherten Forderung werden Belastungen für Dritte nachvollziehbar und bewertbar. Die Bestimmtheit der gesicherten Forderung stellt somit die Publizität und Ordnung der Sicherungsrechte sicher.45 Sie dient nicht nur dem Schutz des Rechtsverkehrs, sondern ist ebenso ein Aspekt des Schuldnerschutzes und nicht zuletzt auch eine Konsequenz der Akzessorietät.46 Die akzessorische Verknüpfung führt dazu, dass das führende Recht inhaltlich zu einem Teil des geführten Rechts wird. Für dessen inhaltliche Klarheit ist auch eine Klärung der gesicherten Forderung erforderlich. Nur so kann die Akzessorietät ihrem Zweck, die Haftung des Schuldners entsprechend dem Inhalt des führenden Rechts zu begrenzen, gerecht werden.47 Fehlt es an einem individualisierbaren führenden Recht, geht auch die Akzessorietät ins Leere. Lockerungen der Bestimmtheit führen so mittelbar auch zu einer Lockerung der Akzessorietät. Das Erfordernis der Bestimmtheit einer hypothekarisch gesicherten Forderung bestimmt daher gemeinsam mit der Akzessorietät die Reichweite der Sicherheit48 und dient auch dem Schuldnerschutz.

41 Zu der teilweise unterschiedlichen Verwendung der beiden Begriffe vgl. Staudinger/ Wiegand, Anh. zu §§ 929-931 Rn. 95; MünchKomm/Oechsler, § 929 Rn. 6 f.

42 Staudinger/Seiler, Einl. zum SachenR. Rn. 54; Baur/Stürner, Sachenrecht 2009, § 4 Rn. 17.

43Vgl. Westermann/H. P. Westermann, Sachenrecht, § 3 II, S. 20; Wiegand, in: Probleme der Kreditsicherung, S. 41; Wilhelm, Sachenrecht, S. 12 f. Rn. 20 f.

44Wiegand, in: Probleme der Kreditsicherung, S. 41.

45Ebenda.

46Ebenda; für die Bürgschaft Bülow, Recht der Kreditsicherheiten, S. 267 Rn. 840.

47Vgl. Wiegand, in: Probleme der Kreditsicherung, S. 41 f.

48Vgl. Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, S. 611.

Einleitung

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Im französischen Recht wird diese letztgenannte Funktion der spécialité bei der vertraglichen Hypothek stärker betont. Es wird darauf hingewiesen, dass die Festlegung des belasteten Grundstücks sowie der gesicherten Forderung der Begrenzung der Belastung des Schuldnervermögens diene und damit die Kreditwürdigkeit des Schuldners erhalte.49 Dies komme auch den Gläubigern zu Gute und sei letztlich auch für die Funktionsfähigkeit des Kreditwesens generell von Bedeutung.50 Auch im französischen Recht wird der Spezialitätsgrundsatz jedoch nicht allein mit dem Schuldnerschutz begründet, sondern ebenso um rechtsdogmatische Erklärungen ergänzt.51

IV. Abstraktionsprinzip, Konsensprinzip und Akzessorietät

Wie eingangs angedeutet besteht zwischen französischem und deutschem Zivilrecht ein fundamentaler Unterschied: Das Verhältnis von Verpflichtungen und Verfügungen ist grundlegend anders geregelt.52 Das deutsche Recht trennt das Verfügungsgeschäft vom zugrunde liegenden Schuldverhältnis (Trennungsprinzip) und verselbstständigt dieses, indem es in seiner Wirksamkeit von Letzterem unabhängig ist (Abstraktionsprinzip).53 Nach dem im französischen Recht geltenden Konsensprinzip hat hingegen grundsätzlich bereits die schuldrechtliche Vereinbarung verfügende Wirkung.54 Die fehlende Trennung hat zur Folge, dass die Wirksamkeit der Verfügung anders als im deutschen Recht von der Wirksamkeit des Rechtsgrundes, seiner Causa, abhängig ist.55 Hieraus ergibt sich zwar noch keine Vorfestlegung hinsichtlich der Akzessorietät eines Sicherungsrechts. Gleichwohl ist das Verhältnis von Abstraktionsund Akzessorietätsprinzip leicht missverständlich. Die unterschiedlichen Bezugspunkte werden bei der Betrach-

49Marty/Raynaud/Jestaz, Les sûretés, S. 131 Nr. 194; Mestre/Putman/Billiau, Traité de droit civil, S. 299 Nr. 324; Mazeaud/Mazeaud/Chabas/Picod Leçons de droit civil, Sûretés, S. 312 Nr. 269, S. 316 Nr. 274; Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht, S. 735, 3 D 337.

50Mazeaud/Mazeaud/Chabas/Picod, Leçons de droit civil, Sûretés, S. 312 Nr. 269, S. 316 Nr. 274; Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht, S. 735, 3 D 337.

51Mestre/Putman/Billiau, Traité de droit civil, S. 300 Nr. 324; Crocq, Dr. & patr. 2001, Nr. 92, S. 61.

52Zu den weiteren Gestaltungsmöglichkeiten Aretz, JA 1998, S. 242 ff.

53Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, S. 7 f.

54Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht, S. 571, 3 B 109, S. 54, 2 G 201 ff.; Hadding/Schneider, Recht der Kreditsicherheiten, Frankreich, S. 193 Nr. 206; vgl. zu den historischen Ursprüngen auch Ferrari, ZEuP 1993, S. 60 ff.

55Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, S. 31 f.