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Учебный год 22-23 / Michaels - schuldrechts.doc
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V. Entwicklungen seit 1900

vnr § 241

Drittschutz ist mit einer solchen relativ-dinglichen Forderung nicht notwendig ver­bunden, wohl aber - mangels Höchst persönlich keil52,1 - verbindbar. Es handelt sich also um ein System subjektiver Rechte, das nichl zur Ableitung konkreier Ergebnisse dient, wohl aber zur Formulierung der relevanten Entscbeidungskrilerien: Inwieweit ordnet das Forderungsrechl im Innen Verhältnis eher eine höchstpersönliche Hand­lung des Schuldners als Person zu, oder eher einen Gegenstand? Inwieweit ist diese relative Zuordnung gegenüber Dritten schulzbedürftig? In welcher Form soll dieser Drittschutz erfolgen?

4. Relativierung des Relalivilätsgrundsatzes

Schon bald nach Erlass des BGB wurde als Problem gesehen, dass die strenge Rela- 68 tivität des Schuldverhältnisses dessen (faktische und rechtliche) Au Genwirkungen schwer zu erklären vermöge. Solche Au Ben Wirkungen schienen in einer immer stär­ker vernetzten Wirtschaft177 wichtiger zu werden: Liefernngsketlen und Unterver­tragsverhältnisse hängen oft eine Vielzahl von Schuld Verhältnissen aneinander, Netzverträge führen zu einem Zusammenspiel von Vertragsverhältnissen, Konzerne schließlich sind durch eine Vielzahl horizontaler und vertikaler SchuldverhälInisse gekennzeichnet. Die Konzeption der Obligalion als relatives iuris vincultim scheint dagegen von der Isolation einzelner Rechtsverhältnisse auszugehen und diese Ver­netzung nicht erfassen zu lcönnKnS2fl. Als 1928 de Boor seine viel beachlete Schrift zur Kollision von Forderungsrechten veröffentlichte, berief er sich auf den Geist ei­ner organisierten Wirtschaft gegenüber dem (angenommenen) extremen Individua­lismus des 19. Jahrhunderls178 und verwies damit auf die Zeitbedingtheit begrifflich-logischer Elemente. Die französische Wissenschaft hat zur Verarbeitung dieser Ent­wicklungen den Vertrag als fail social eingeordnet: seine normative Bindung treffe nur di= Parteien, als soziales Faktum unterliege er aber der Bewertung auch bezüg­lich seiner Beziehungen zu Dritten52".

Normativ folgt aus dieser Erkenntnis, dass die Außenwirkungen des Schuldver- 69 hältnisses wichtig sind, indes zunächst nichts. Dass das Schuld Verhältnis gegenüber Dritten besteht, bindet die Rechtsordnung nicht darin, wie sie diese Dritt Wirkungen ausgestaltet. Angriffe auf die Relativität des Schuld Verhältnisses waren daher auch Angriffe gegen die dahinter stehenden Prinzipien, insbesondere die Vertragsfrei­heit. Im Dritten Reich und in der DDR wurde unter Berufung auf ein allgemeines

™ Oben Rn. 55.

Wieacker, Prival rech Isgeschic hu- (Fii.l78),520f.

™ Vgl. Horst-Eberhard Henke, Die sog. Relativität des Schuldverliältnisses, 19S9, 11 Fl., 7211.; sein eigenes Abgrenzungsk-itei'ium »übersehbarer Kreis« »möglichst kleinen Zahl ver ttrsr'neiv« (a.a.O., 14,79) ist Freilich analytisch unbefriedigend und praktisch wenig hilfreich; kritisch auch j. Schmidt, AcP 190 (1990), 650.

H7 H.O de flour. Die Kollision von Forderungsrechten, 1928.1.

>u Vgl. (kritisch) Pascal Ancel, Force obligauure et contenu obligationncl du contra!. Revue irinieslrielle de droit civil 1999,771. 805 m.w.N.

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Sys lern fragen des Schuldrechis

Pflichten Verhältnis179 einerseits die lnhallskon trolle von Verträgen erweitert, ande­rerseits der Drittschutz, von Verträgen gegen Störung durch Dritte ausgeweitet180. Damit wurde die positive Privatautonomie zurückgeschnitten, so dass alle Verträge im Einklang mil öffentlichen Interessen standen; eben wegen dieser Garantie schien es weiterhin auch möglich, die negative Privatautonomie von am Vertrag Unbeteilig­ten einzuschränken und solche Dritte stärker durch derartige Verträge zu binden. Auch das Recht der Bundesrepublik erkennt und beschränkt solche Drittwirkungen, manchmal im Namen der Zurückdrang ung der Privatautonomie zugunsten von All­gemeininteressen und Verleil ungsgerecntigkeit181, oft aber umgekehrt im Namen ihrer Verstärkung durch Prinzipien des Ordoliberalismus. Tatsächlich ist die häufige begriffsjuristische Berufung auf die Relativität des Schuld Verhältnisses unglücklich. Wientiger ist eine Besinnung auf die zugrunde liegenden Wertungen, die im Einzel­fall abzuwägen sind; Für Relativität (und damit gegen Drittwirkung) spricht bei Ver­trägen die Privatautonomie (niemand soll durch fremde Vereinbarungen beeinträch­tigt werden), bei außerverlraglicher Haftung das Verantwortungsprinzip (niemand soll für die Handlungen anderer einstehen müssen). Gegen Relativität sprechen da­gegen zum einen bestehende Sonderverbindungen (VerlretungsVerhältnis, Beherr­schung, etc.) oder gesamtwirtschaftliche Überlegungen (Einschränkung wohlfahrts­feindlicher Vereinbarungen). Dabei Hegt, gemäß der Konzeption des Schuldrechts, die Argumentation- und Begründungs last bei dem, der gegen Drittwirkung argu­mentieren will.

Milder weile finden sich eine Vielzahl von Regelungen der (unmittelbaren oder mittelbaren) Drittwirkungen von Schuld Verhältnissen, an denen sich das zeigen lässt. Vier Beispiele seien für Entwicklungen im beginnenden 20. Jahrhundert ge­nannt, zwei aus dem Vertrags recht, eine aus dem Gesellschaf tsrechl, eine aus dem Bereicherungsrechl. Noch 1897 meinte das Reichsgericht, eine Kartell abspräche sei im Rahmen der Privat autonomie grundsätzlich durchsetzbar, sofern nicht »sich im einzelnen Falle aus besonderen Umständen Bedenken ergeben«, insbesondere die beabsichtigte »wucherische Ausbeutung der Konsumenten«182. Erst nach dem Zwei­ten Weltkrieg setzte sich die Erkenntnis durch, dass solche Drill Wirkungen der gegen Wettbewerber gerichteten Kartellabsprache inhärent sind, sie ein »Vertrag mit Au­ßen w-.rkungen « ist183, und die Regulierung (nicht notwendig das Verbot) von Kartel­len zum Schutze Dritter und der Allgeraeinheit aus wirtschaftlichen Gründen jeden­falls nicht an einem Relativitätsgrundsatz scheitern kann"184. Auch Tarif vertrage, die

1959, ir.sbcs. 135ff. zu den Au Benwirkungen.

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zwischen Arbeilgeber- und Arbeitnehmer verbänden abgeschlossen werden, zielen auf Wirkungen für Dritte ab, nämlich die in den Verbänden zusammengeschlossenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, idealiter (für die Tarif Vertragsparteien) sogai auf die nicht Eingeschlossenen. Umgekehrt war die AI [gemein Verbindlichkeit von Tarif­verträgen ursprünglich wegen des Relativitätsprinzips und des Vertretungsrechts problemalisch. Das Reichsgericht begründete zunächst mit einiger Mühe die unmit­telbare Wirkung dieser Verträge auf die Verbandsmitglieder aufgrund der Verband­autonomie185. Der nächste Schritt, die (gesamtwirtschaftlich häufig erwünschte) Erstreckung solcher Verträge auf Nichlverbandsnütglieder, kann nur entweder durch einzelvertragliche Inkorporation erfolgen52*, oder aber durch staatliche Allgemein­verbindlichkeitserklärung186. Beide Probleme wurden zu Anfang des Jahrhunderts im Rahmen des Privalrechts diskutiert'3*; heule, da die entsprechenden Wirkungen anerkannt und spezialgesetzlich geregelt sind, sieht man meist kein Problem mehr mit der Relativität529. Richtig betrachtet handelt es sich freilich um ordoliberal, ge­samtwirtschaftlich begründete Einschränkungen des Relalivitätsprinzips schuld­rechtlicher Verträge. Nicht auf vertragliche Ansprüche beschränkt ist eine so.che Rclalivicrung des Relativitätsprinzips im GeseUschaftsrecht. Unler dem Begriff der Durchgriff shaflung lässi man unter bestimmten Voraussetzungen Muttergesell­schaften für die Verbindlichkeiten ihrer an sich rechtlich selbständigen Tochterge­sellschaften haften, verwehrt ihnen also die Berufung darauf, nicht selbst Schuldner

<■ Etwa RGZ (v, 20.1.1910 - VI 660/08) 73. 92. Anden für Tarifveriragsachiedsspruche RGZ (30.6.1925 - III 371/24)111,166. Maßgeblich llir cic Verbandslheorie war Hugo iiüjheiiNer. Der korporative Arbeitsnonnenvertrag, Bd.l, 1907, 69f[., Bd.II, 1908, 92ff.

"* Philipp Lalmar, Der Arbeitsvertrag, Bd.l, 1902. 776f.. 795-799; Werner flogs. Rechte und Pflichten Dritter aus dem Tarifvertrag, bi: W. Kaskcl (Hg.), Hauptfragen des Tarifrechls. 1927. 105-118 (Rechte durch Vertrag zu Gunsten Driller, Pflichten durch nüllelbare Stellvertretung); vgl. Franz Gamillschcg, Die Differenzierung nach der GewerkschaftszugebOrigkeit. 1966, 40lf.. zum Einlhiss Lotmars Klaus-Dieter Waldt, Die Lehre vcm Arbeitsvertrag bis zum Ende der Weimarei Republik, insbesondere ein Beitrag zum Arbeitsvertrag von Philipp Lotmar, Diss. Münster 1974; Joachim Rucken, Einleitung, in: Philipp Lotmar. Sciiriften zu Arbeitsrecht. Zivilrecht und Rechts­Philosophie. 1992, Xlfl.; Ehcrfiord Dorndorf, Lotmars -Arbeitsvertrag-, in: P. Caroni (Hg.), For-schuugsbnud Philipp Lotmar (1850-1922), 2003, 81-100. Vgl. auch Rn/end Schwarze, Legitimati­on kraft virtueller Repräsentation - ein gemeinschsflsrechUlches Prinzip? Zur Legitimation der Koalitionen gegenüber Nichtmitgliedem, RdA 2001.208-218.

"7 So erstmals die Verordnung Uber Tarifverträge, Arbeiter- und Aiigestclllenausschnsse und Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten vom 23 12. 1918, RGBl.. S. 1456; vgl. auch den aulSinzriei-mer zurückgehenden §16 eines Entwurfs eines Arteitstarifgcsetzes. RGBl. 1920/21, S.493; zum Entwurf Thomas Buhle, Einheitliches Arbeitsrecht in der Weimarer Republik, 1990, 34-58. Man trennte normative (d.h. nurmseuendc) und obligatorische (d.h. vertragliche) Funktionen des Tarif­vertrags.

Zui problematischen prival rech Illeben Einordnung des Tarifvertrags etwa Hedemann, Schuldrecht, 3. Aull. (Fn.271), 261

^ Vgl. zuletzt Dieler Reuicr. Der praktische Nutzen der Rechtsgcschichte (ur das kollektive Arbeitsrecht, in: I. Eckert (Hg.), Der praktische Nutien der Rechtsgeschichte. Festschrift für Hans Hjttenhaicr, 2001. 409. 415-420; zum heutigen Sland (unter Berücksichtigung des Arbeilneh-merentsendegesetzes) Remhurtf fiirhurdi, Arbeitsvertrag und Tarifgellung, ZIA 2003, 655, 655. f>60ff.

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System!ragen des Schuldrechis

zusein54". Grundlage ist hier die Beherrschung des Tochterunternehmens durch die Mutter. Andererseits wollen aber viele be.m »Bereicherungsausgleich im Dreiecks­verhältnis«, einem Vorschlag von Canaris folgend, »übers Eck» abwickeln, also ent­lang cer jeweiligen Vertrags Verhältnisse511. Die von Canaris dafür genannten Grün­de -jeder soll sich grundsätzlich nur mit seinem Vertragspartner auseinanderzuset­zen haben, sich dessen Einreden entgegenhalten lassen und dessen Konkursrisiko tragen - entsprechen den Wertungen, die auch dem Relativitätsprinzip zugiunde liegen. Dei' BGH hat sich dem Vorschlag nicht ausdrücklich angeschlossen und will vielmehr nach den Besonderheiten des Einzelfalls entscheiden, was aber im Ergebnis dem Vorschlag weilgehend entspricht542,

5. Deliklsschutz des Forderungrechls

Die Frage nach dem Schutz des Forderungsrechts gegen Dritte als »sonstiges Recht« aus §823 I hat Rechtsprechung und Wissenschaft beschäftigt wie wenige andere. Nach Erlass des BGB waren viele Argumente begrifflich543: Einige wollten das For­derungsrecht als relatives Recht von §823 I ausnehmen, entweder weil nur absolute Rechte von Dritten Uberhaupt verletzt weiden könnten544 oder weil nur eigenlums-ähnliche und damit absolute Rechte geschützt werden sollten. Nach anderen utufass-le der Begriff »sonstiges Recht« notwendig auch das Forderungsrecht, eben weil es ein subjektives »Recht« war545. Das erste Argument-die Beschränkung auf absolu­te Rechte - war freilich erst möglich, seitdem man erstens Deliktsrecht als Rechts­und Rechtsgüterschulz konzeplionalisierte [also etwa ab dem 17. Jahrhundert)546 und zweitens relative und absolute Rechte zu trennen begann (also etwa ab dem 19. Jahrhundert547). In einem Deliktsrecht, das nur auf Pflichtverletzung beruht, lässt sich schon die Präge nicht sinnvoll stellen. Als man begann, das Deliktsrecht auf den Schutz subjektiver Rechte zu stützen, fand sich zunächst keine ausdrückliche Be­schränkung auf absolute Rechte543, Inwieweit Forderungsrechte gegen Drille gc-

5,0 Karsten Schmidt, Gesell sc ha ftsrechl, 4.Aufl. 20(12, 217If. (§9); Gölz Hi.eck, Christiane Windbichls; Gesellsclialtsrechl, 20. Aufl. 2003, §36, Rn.34ff.

* Claus-Wilhelm Canaris, Der Bereichemngsausglcich im Dreipersonenverhältnis, in; 1. Fest­schrift für Karl Larenz. 1973, 799».

M: Elwa BGHZ (v. 20.fi. 1990 - Xil 98/89| III, 382: Überblick bei Palandt/Sproit, 64. Aufl. 2005.5812. Rn.44ff.

543 Umfassende Nachweise bei Fisther, Verletzung des Gläubigerrechts (Fn.130), 132-134.

544 Ludwig i ■:■ Heinrich Lehmann, Rechl der Schuldverhältnisse. 15. Aull. 1958. 943(. <§234d).

w' Elwa Kuhlennee*. Von den Pandekten I! (Fn.llO), 357, so ausdrücklich noch Konrcd Ca sack, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, Bd.l, 7. Aufl. 1922.670; LG Braunschweig (v, 26,6.1953­9 s 105/52), MDR 1953, 678; ebenso aus deiidierl anliliberaler Sicht Marlin Posch, §823 Abs.l BGB schützt auch Fordei-ungsrecbte, NJ 1954,12-26. Zum Nationalsozialismus unten Fn,553.

5,6 Jansen, Hartungsrecht (Fn.139), 31S[(, auch zu Ansalzen in der Spälscholastlk.

m Oben Rn. 39.

*• Anders/omcti.Hallungsrecbt (Fn.139), 324IL, 328ff.

SO

Rai! Michaels