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Учебный год 22-23 / Michaels - schuldrechts.doc
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V Entwicklungen seit 1900

vor § 241

rechts gefüllt werden könnten; die Rechtsprechung tut das in weitem Maße49-. Glei­chermaßen war früher die Anwendung von Normen des Bereichernngsrechls im öffentlichen Recht umstritten493, heute stell; einerseits der öffentlich-rechtliche Er­stattungsanspruch ein eigenes Rechtsinstitut mit eigenen Regeln dar, andererseits wird im Gesetz ausdrücklich und speziell modifiziert auf §§812ff. verwiesen163"' Schließlich isl das jungst aktuell gewordene Problem, ob aus Geiselhaft befreite Deutsche ein vom Staat gezahltes Lösegeld zurückzuzahlen haben, weitgehend nichl durch die §§677ff. BGB, sondern durch das Konsuiargeselz zu lösen164*\ Anderer­seits ist aber (ebenso wie die strikle Unterscheidung insgesamt) der von Mayer an­gesprochene Strukturunterschied zwischen privatreeb Iii eher Gleichordnung und öffentlich rech Iii eh er Uber-/Unterordnung zweifelhaft geworden491', Polltisch war die strikte Trennung eine Frucht des Liberalismus im 19. Jahrhundert'1'-'7, die deshalb etwa im Nationalsozialismus angegriffen wurde165'8. Während man aber damals und wieder in den siebziger Jahren die öffentlichrechtliche Überlagerung des Privat­rechts diskutierte und forderte, geht die Entwicklung heute umgekehrt in Richtung einer Privatisierung des öffentlichen Rechts, wo sich etwa Staat und Investoren oft gleichrangig gegenüber stehen166". Die Lehre spricht oft missbilligend von einer »Flucht ins Privatrecht«, wenn sich Verwal tu ngs träger prival rechtlicher Instrumente zur Erfüllung öffentlichrech Ii icher Aufgaben bedienen, und anerkennt dabei nichl immer genügend, dass diese Flucht aus den Begrenzungen des öffentlichen Rechts nur nachvollzteht, dass die diese Begrenzungen begründende Über-/Unterordnung nicht immer besteht.

Es sind daher im Großen und Ganzen zwei Argumentalionslinien, auf denen die Anwendong schuld rechtlicher Normen auf das öffentliche Rechl ruht. Die erste liegl

Umfangreiche RechIsprecbuugsnachweise etwa hei faul Stelkem, Heinz-joachim Bimk. Mi­chael Sachs. Verwaltungsverfahren5gcsetz.6.Aul1 2001, $62, Rn.33-57.

m Bcjahl etwa in RGZ(v. 24.6.1875-111416/05)62,234,238; RGZ(v. 17.2,1903 -VII429/02) 54,24,27 (Zinspflicht des Staates nach 55818,819 291); RGZ (v. 12.5.1911 -VII519/10) 76,270, 275; für analoge Anwendung RGZ (v, 2.10. 1913-111 228/13) 83, 161; RGZ (v. 12.6.1917 - 1H 36/17] **u. 314,316; ablehnend H, Meier-Braueche, Die Anwendbarkeit prival rechl lieber Normen im Verwallungsrechl. Archiv des dflentlichen Rechts 50 (1929), 230. 253-267

444 §49 a Abs.2 VwVfG; §52 Abs.2 des Gesetzes Uber die Versorgung der Beamten und Richter in Bund und Landei n (BeamtVG).

"* Ulrich Gores, Kostentragung für Geiselbelreiunghn Ausland, NJW2004.1909-1913; anders für Bcficiungskosten aber jetzt VG Berlin (v 4 4. 2006 - VG 14 A 12.04).

444 Kinns Günther, (Zivil-)Rechl. Kann das Zivilrecht im Zuge der Globalisierung das offen!liehe Rechl a.setzen?, in: C. .loerges, G.Teubner [Hg.), Rechtsverfassungsrecht, 2003,295-311; Thymus F/si^er. Was sollte das äffen [liehe Rechl vr.jti Fnvatrcchl lernend in Festschrift für Peter Gauch 2004, 85-99.

*" Vgl. Dieler Grmrm. Zur politischen Funktk-n der Trennung von olientlichcm und privatem Rechl in Deutschland, in; W. Wilhelm (Hg.), Studien zur europäischen Rechtsgeschichte. 1972, 224-242 |= in: ders., Recht und Staal der bürgerlichen Gesellschaft, 1987,84-103).

*** Vgl. Michael Stolleis, Geschichte des dffendichen Rechts in Deutschland, Bd. III, 1999, 338­341.

'** Siehe etwa Rall Michaeli. Standorlwetlbewerb als Rechtsfigur. Die Entscheidung des OVG Hamburg zum Airbus A 380 im Lichte der Globnlisierungsdcbatte, Kritische Justiz 2001, 45B.

Ralf Michaels

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System tragen des Schuldrechts

in der Entprivalisierung schuldrechl lieher Normen, die entweder als allgemeine Rechtsgrundsätze500 »Allgemeiner Teil des Rechts«*" oder Ausprägungen eines »Gemein rechts«502 aufgefassl werden, oder aber in öffentlich rechtliche Institute »Iransformiert« werden503. Diese Ansicht hat ihren Ursprung in der Priorität des Privatrechts im 19. Jahrhundert; der Transformationsgedanke entsieht in expliziter Opposition dazu (und nimmt so Gedanken Otlo Mayers auf). Die zweite, bislang weniger behandelte Argumentationslinie betrifft gerade umgekehrt die Privatisie­rung des Handelns der üffentlichen Verwaltung und isl als solche neueren Datums. Der Unterschied lässt sich beispielhaft an der Frage zeigen, ob dei Staat Zinsen nach dem BGB fordern kann504. Eine solche Pflicht hatten das Sächsische Oberverwal-tungsgerichl und der Bayerische Obergeric hl shof im 19. Jahrhundert rechl weilge­hend bejaht5"5 mil dem Argument, die Vorschriften des BGB seien insoweit verall­gemeinerungsfähig; auch im späteren Schrifttum findet sich das Argument, die S|äB81f, stellten allgemeine, privatrechtsübergreifende Rechtsgrundsätze dar5"6. Später wurde umgekehrt das Handeln der Verwaltung als privatrechtsähnlich quali­fiziert. Unproblematisch ist das dort, wo der Staat erwerbswirtschaftlich tälig wird (Bundespost, Bundesbahn, öffentlicher Nahverkehr)5"7; das wäre sogar noch mit ei­ner erweiterten Fiskustheorie zu erklären. Daneben findet sich aber auch das Argu­ment, der Staat müsse Zinsen fordern können, wenn er mit den Einnahmer. laufende Verbindlichkeiten (Schuldenlast) zu tragen hal, weil er insoweit wie ein (privater!)

m RGZ (v. 28.10. 1919 - II! 166719) 97,43,44: »Es «inj also nicht der §618 angewendel, son­dern §618 isl nur ein nu! anderem Recbtsgebiete gefundener Beleg lur das Vorhandensein und die Notwendigkeit des allgemeinen Rechtsgedankens..Hans Julius Wol/f, Otto Bachof, Rolf Stober, VcTwaltungsrecht, Bd.l, 11.Aufl. 1999, 120(1. (525 I): dazu de Wall. Anwendbariteil (Fn.471), 6511.

M1 Karl Friedrich!, Wie weit sind die Vorschrillen des BGB auf Schuldverhältnisse des olfenl-lichen Rechts anwendbar?, ArchBürgR 42 (1916), 28ff.; ders.. Der Allgemeine Teil des Rechts, 1927, pussim.

m Martin Bulhnger, Öffentliches Recht und Privalrechl, 1968; abschwächend zun positiven Recht rfers., Öffentliches Rechl und Privalrechl in Geschichte und Gegenwart in: Festschrift für Fritz Rittner. 1991,1001; ders.. Die funktionelle Unteischeidung von öffentlichem Recht und Pri­vat recht Fils Beilrag zur Beweglichkeit von Verwaltung und Wirtschaft in Europa, in: W. Hoffmann­Riem, E. Schmidt-ABmann (Hg.), Öffentliches Rechl und Privalrechl als wechselseitige Auflang-uidnuugen, 1997, 239-260.

*» Heiko Faber, Verwaltungsrecht, 4. Aull. 1995,163ff. (§18 IV).

Zur umgekehrten Frage einer Pflicht des Staates, Zinsersparnisse aulgrund zuvitl gezahlter Gelder des Bürgers nach §8181 zu ersetzen, vgl. (auch historisch) Wolfgang Schön, Bereicherungs­zinsen der üffentlichen Hand, NJW1993, 32S9-3293.

BVcrwG(v. 7.6. 1958 - VC 272(57), Deutsches Verwallungsblat! 1958. 711, mit Zitaten aus Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof v. 9.11.1886 und des Sachsischen Ober­verwal tun gsgerichts v. 19.10. 1909; Wolff Heintschel v. Itemegg, Verzugszinsen für öffentlich-rechtliche Geldlorderungen. Neue Zeitschrift für Verwaltungsrccht 1992, 522, 524.

™ Latz Eckert, Leistungsslbrungen in veTwaltungsrechtlichen Schuldverhaltnisscn, Deutsches Verwallungsblalt 1962.11.14 (allgemeiner Teil des Rechts im Sinne von Friedrichs, oben Fn.501): a.A- Vottmar Göll. Verzinsung ■ 'iL cm lieh-rechtlicher Geld f orderungen. Deutsches Verwattungs-blalt 1961, 433, 436-438.

307 Etwa BGHZ (v. 26.1.1965 - VI 207/63) 43,337.

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Rall Michaels