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Учебный год 22-23 / Michaels - schuldrechts.doc
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V. Entwicklungen seit 1900

1. Systematik des Schuldrechis

a) Zurück zum ei nbeilliehen Haftungslatbestaud?

Die Trennung in Vertrag und Delikt, die - wenn auch nicht ausdrücklich - dem BGB zugrunde liegt, wurde im 20. Jahrhundert immer wieder in Frage gestellt. Das betraf nicht nur die Diskussion zu einer dritten Spur »zwischen Vertrag und Delikt«, also insbesondere culpa in contrahendo jnd positive Forderungsverletz ung3**, sondern

v. Gierke, Deutsches Privalrechl III (Fn.135), 6481.; zur straf rechl liehen Haflung in einzel­nen deutschen Parlikularrechten auch Wilhelm Sichel, Die Bestrafung des Vertrag:bruches und analoger Rechtsverletzungen in Deutschland, Halle 1876,117-121.

HKK/Üoni, §241, Rn.77, HKKIHarke. §§311 II, III, Rn.23.

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vor allem radikalere Versuche, die Vertragshaftung zur speziellen Deliktshaftung

zu degradieren. Die Rechtslehre des Nationalsozialismus postulierte, teilweise in Berufung auf einen dem Naturrecht entnommenen allgemeinen Pflichtgedanken131, ein allgemeines Treueverhältnis, das einerseits die Vertragsfreiheit einschränke, an­dererseits Delikts pflichten ausweite. Der Vertrag wurde zur blolJen Konkretisierung der allgemeinen Rechtspflicht132; folglich wurden Delikts- und Vertragshaftung als allgemeine Unrechtshaftung stärker aneinandergerückt133, ein neues Lehrfach "Ver­trag und Unrecht« eingeführt172. Ähnlich fanden sich in der Wissenschaft der DDR Versuche, die Obligation insgesamt durch ein »allgemeines Rechtsverhältnis» in so­zialistischem Sinne zu ersetzen134 oder einen allgemeinen, kategorieuübergreifen­den Begriff der »rechtlichen Verantwortlichkeit» einzufühlen135''. Aoer auch im

172 Grundlage war die Srudieuordnur.g, dazu Kurl August Eckhardt, Das Studium der Rechts­wissenschaft 1935, Für Lehrbücher siehe nur Kurl Larenz, Vertrag und Unrecht, 2 Bde. (Fn.370); Heinrich Stojf, Vertrag und Unrecht, 2 Halbbände, 1936, behandelt Verlrag und Unrecht nur be­züglich der Entstehung getrennt, dagegen gemeinsam für die Wirkungen; in einem 3. Teil linden sich »Ansprüche aus sonstigen Schuldverhälrnissen«; anders die von Wilhelm Felgcnlraegcr bear­beitete 3. Aufl. 1943. Vgl. zu allem Frassek, Lebensordnung (Fn.370), DU ff.

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Common law der siebziger Jahre behandelte man als »death of contract« eine Ten­denz zur Ersetzimg des Vertrags- durch Deliktsrecht136 (von dem es ja historisch herstammt137); unter konservativen Regierungen der achtziger Jahre (Reagan, That­cher) sollen diese Entwicklungen zurückgegangen sein138. Auch der gescheiterte schweizerische Vorentwurf von 1997 für eine Revision und Vereinheitlichung des HaftpflichtTechts sah in seinem Art.41 einen einheitlichen Haftungstatbestand vor, der nach Art.42 grundsätzlich auch zwischen Vertragsparteien auf vertragswidriges Verhalten anwendbar sein sollte178.

Insgesamt muss man zwei Eragen trennen. Die eine ist die empirische Frage da­nach, wie weil das Vertragsrecht einerseits, das Deltktsrechl andererseits zur Rege­lung spezifischer Regelungsprobleme herangezogen wird. Beispielsweise wird die Produkthaftung in Deutschland deliktsrechtlich, in Frankreich vertragsrechtlich qualifiziert37'; Verbiaucherschutz erfolgt in Deutschland und Europa weilgehend durch Vertrags-, in den USA durch Deliktsrecht3S". Hier ist in der Tat historisch ein Bedeutungszuwachs des Vertrages mindestens bis zum 19. Jahrhundert festzustel­len, der einhergeht mit einer Präferenz für eine autonome Regelung von Rechten und Pflichten und gegen eine staatliche Regelung351. Allerdings ist einerseits auch das Vertragsrecht von zwingenden Normen durchsetzt, andererseits kann auch das De­liktsrecht Freiheit fördern; die Präferenz des Vertragsrechts ist in Deutschland wohl hauptsächlich auf Schwächen des Deliktsrechts zurückzuführen303. Eine andere Fra­ge betrifft den Strukturunterschied zwischen Vertrags- und Deliktsrechl. Hier nun besteht ein fundamentaler Unterschied im deutschen zum englischen und amerika­nischen Recht, der den »deathof contractu in Deutschland unwahrscheinlich macht. Das zeigt sich exemplarisch an einer Analyse von Picker, der - insoweit scheinbar wie die Analysten des Common law - die vertragliche Sekundärhaftung im Innen-

S.293; dazu Peter Hotninelhojf, Einheitlicht oder zerspallene Zivilrechtsordnung: Zum Nebenein­ander von ZGB und DDR-Vertragsgesetz, im .1. Eckert, H, Hattenhauer [Hg.], Das Zivilgesetzbuch der DDR vom 19. Juni 1975,1995,72-87). Zum einheitlichen Haftuugskonzept in Frankreich oben Rn.30 am Ende.

3,5 Für England Patrick S- Atiyah, The Rise and Fall of Freedom of Conlracl, 1979; für die USA Graitr Gilmom, The Death of Conlracl, 1974; kritisch Kegel, Vertrag und Delikt (Fn.7), 120ff. und

passirn.

3™' Zimmermann, Law of Obligations (Fc.32), lff,; zweifelnd Kaser/Knütel, Römisches Prival-rscht (Fn. 1371,532, Rn.2.

3,7 Zu England Patrick Atiyah, Freedom ol Contract and the New Righl, in: ders., Essays on Contracl, 1986,355-385, insbes. 379ff.; zu den USA EH. Bnckley (Hg,), The Fall and Bise of Free­dorn of Conlracl, 1999

3,3 Vgl. Daniel Koch, Die Gesamtrevision des schweizerischen Haltpflichtrechts, ZEuP 2001, 753, 755f. m.w.N,

3" Umfassender Rcchlsvergleich bei Mathias Reimait't, Liabilily for Defective Products at the Beginning of the Twenty-Firsl Century: Emeigence of a World-Wide Standard?, (20D3) 51 Ameri­can Journal of Comparative Law 751, insbes. 798f,;/eaFi-5ebas!ien BorgJierii, La responsable du fsit des produils. Elude de droit compare, 2004.

380 Vgl. HKKISchmoeckel, vor §§312ff., Rn.21.

181 HKKJHofer, vor §241, Rn.l3ff.

58J HKK/Dorn, §241, Rn.77.

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Verhältnis als relative Spezialausformung einer allgemeinen Deliktshaftung, als re­latives neminem Ittedere auffassl383. Allerdings sieht Picker die Grundlage für diese Haltung gerade nicht in einer allgemeinen Pflichtenordnung, sondern in der speziell durch den Verlrag bewirkten »Sachzuordnung inier parles*3*1. Diese wiederum, so muss man ergänzen, ergib! sich aus der verlrag liehen Primärhaftung auf Erfüllung3" - nur weil im deutschen Recht der Schuldner zur Leistung verpflichtet isl und ge­zwungen werden kann, kann man auch eine solche relative SachZuordnung anneh­men, und so erklärt sich auch der Unterschied zum Common law, das die Vertrags­haftung als Haftung wegen Nichterfüllung, wegen Verl rag sbruchs, konzipier! und den durchseizbareu Erfüllungsanspruch nur ausnahmsweise gewährt386.

b) Kritik an der Systematik des BGB

Die Gliederung des BGB hat viele Rechtsordnungen beeinflusst387, war aber in Deutschland keineswegs unumstritten. Kritisiert wurde die Kategorie Schuldrecht von Anfang an deshalb, weil sie auf der Slrukiur des Rechtsverhältnisses beruhte; gefordert wurde dagegen immer wieder eine Gliederung nach Lebensbereichen. Scion für Ajiioii Menger war das Schuldrecht »rein geschichtlicher Sammelbegriff«; er wollte das Deliklsrechl ausgliedern md ins Strafrechl verlagern38'. Ahnliche Kri­tik äußerte tt Gierke3*'1, der einen naturrechtlich geprägten Aufbau vom Individuum

las Eduard Pkker, Positive Forderuiigsverletzung und culpa in contrahendo - Zur Problematik der Haftungen -zwiichen. Vertrag und Delikt, AcP 183 (1983), 369. insbes. 395-398; Michael Plolner, Die Rechlsfigui' des Vertrags mit Schutz Wirkung für Drille und die sogenannte Experten-hallung, 2003, 15611.; dazu auch Wolfgang Schur. Leistung und Sorglalt, 2001, 243ff. Zum ahn­liehen französischen Prinzip der responsabllite civile oben Fn.214.

M ftc*er. ACP183 (1983),369,399-401 (»Intcr partes steht dieobligatorische Zuordnnngnam-licb der dinglichen gleich«. 401). 507 f.; ders,. Vertragliche und doli k tische Schadenshaftung-Über­legungen zu einer Neustrukluricrung der Hain, ngssysteme, JZ 1987,1041,1044 mit Fn. 17; zustim­mend insoweit jan Wilhelm. Sachenrecht, 1 \u;i 2002, Rn 48, 59f[.

M1 Vgl. Picket, AcP 183 (1983). 369, 505-508; Michaels, Sachzuordnung (Fn.228), 186f„ 268ff.

J** Vgl. Micha eis, Sachzuoidnung(Fn. 228), 264 ff. Klassisch dazu Mar Rhemslein, Die Slruklui des vertraglichen Schuldverhallnisses im angio-amerikanischen Recht. 1932: vgl. auch Paul Neu­lang Erfüllungszwang als »remedy« bei Nichterfüllung, 1998,35ff., 232ff. zu Rhcinslsln,

So enthüll das tschechische ZGB einen Tilel »Relative Vermögensrechte- (der unserem Schuldrecht entspricht) und darin einen ersten Teit »Allgemeines Schuldrecht:« vgl. JfH Zzmäuek. Der Vurentwurf des neuen tschechischen ZGB im Blickwinkel des europäischen Verbrauclier-schulzierhls, in: .1- Basedow u.a. (Hg,), Aufbruch nach Europa - 75 Jahre Max-Piauck-lns:itut für Piivatrechi, 2001, 1089, 1096. Auch Georgien hat - unter dem Einfluss des deutschen BGB - ein Allgemeines Schuldrechl (dazu allgemein Lade Chanliiria, Das neue Zivilgesetzbuch Georgiens - Verhältnis zum deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, ebd. 893-904; ßesjorion Zoidze, The Sys­tem and Principles of the Law of Obligalions of Georgia, ebd., 1097, 11(11-1105). Zu Griechenland und Japan oben Fn. 99.

Menger, Besitzlose Volksklassen (Fn. 107), 145-150. *•> v.Gicrke, Entwurf (Fn. 107), 185. Zur SyKemkrilik v. Gieikes am BGB o Leu.uis*i, Syslem-bildung (Fn.51). 226-235.

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