III. DIE KOMMUNIKATIVE AUFGABE DER SPRACHLICHEN ÄUßERUNGEN. EINLEITUNG DER SÄTZE NACH DEM ZIEL DER AUSSAGE
Kommentar
§ 1. Allgemeines
In der Rede hat jede sprachliche Äußerung eine bestimmte kommunikative Aufgabe. Im Kommunikationsprozess bemüht sich der Sprechende auf den / die Adressaten irgendwie einzuwirken, d.h. er setzt sich ein bestimmtes pragmatisches Ziel.
Dem Ziel der Aussage nach unterscheidet man drei Hauptarten von konkreten Sätzen: Aussagesätze, Fragesätze und Aufforderungssätze.
Bei den Aussagesätzen besteht die Redeabsicht in der Mitteilung einer Information, über die der Sprechende selbst verfügt, bei den Fragesätzen — im Erfragen einer dem Sprechenden fehlenden Information, über die der Adressat vermutlich verfügt, bei den Aufforderungssätzen — im Veranlassen des Adressaten zur Ausführung einer Handlung, die der Sprechende für notwendig oder wünschenswert hält. Alle Sätze können als Ausrufesätze gestaltet werden. In den Ausrufesätzen äußert sich der Sprechende seinen emotionalen Gemütszustand in Bezug auf irgendwelche Ereignisse, Handlungen, Gegenstände etc.
Die zu besprechenden Sätze unterscheiden sich voneinander auch nach ihrer äußeren Gestaltung. Die Unterschiede beziehen sich auf die Intonation, die Satzstrukturen, die Wortfolge, die lexikalische Bedeutung ihrer Komponenten und deren semantische Zusammenwirkung.
Die kommunikativen Satzarten sind, jede für sich, inhaltlich und pragmatisch nicht einheitlich. Bei ihrer Analyse nach diesen Aspekten muss man die Sachinformation und die aktuelle Information der Sätze, das Verhältnis des Sprechenden zu dem, was er übermitteln will, und das Verhältnis des Sprechenden zum Adressaten berücksichtigen.
So hängt z.B. die Gestaltung von Aufforderungssätzen von den sozialen Beziehungen zwischen dem Sprechenden und dem Adressatenab: Die Tür schließen! — Schließen Sie bitte die Tür! — Könnten Sie bitte die Tür zuschließen! Dies gilt auch für andere kommunikative Arten von Sätzen. Falls z.B. der Adressat subjektiv davon abgeneigt ist, die Äußerung des Sprechenden als glaubwürdig aufzunehmen, so greift der Sprechende zur Überredung, zur Versicherung. Um den Adressaten effektiver zu beeindrucken, versucht der Sprechende häufig seine Mitteilung bildhaft zu machen. Vgl. den neutralen, den kategorischen und den expressiven Ausdruck ein und desselben Inhalts: Ich bin daran nicht schuld. — Ich versichere Ihnen ausdrücklich, dass ich daran keineswegs schuld bin; Er weiß es nicht. — Er hat davon keine blasse Ahnung; Es ist vollkommen dunkel. — Es ist stockfinster. — Es ist so finster, dass man die Hand vor den Augen nicht sieht; Das ist nicht zu glauben. — Als ob man das glauben könnte!
§2. Aussagesätze
Die Aussagesätze werden in dem Kommunikationsprozess besonders oft gebraucht, sie sind sehr mannigfaltig in semantischer, pragmatischer und konstruktiver Sicht.
Hier ist u.a. der Unterschied zwischen den Aussagesätzen in monologischer und in dialogischer Rede zu beachten, die zwei verschiedenen Grundarten der Kommunikation entsprechen. Im Monolog werden der Redegegenstand selbst und die Sprachmittel vom Sprechenden gewählt, während die reagierenden Repliken des Gesprächspartners im Dialog gewissermaßen vorbedingt sind und von der vorhergehenden Replik des ersten Sprechenden abhängig sein können: Der zweite Sprechende kann die Information des ersten Sprechenden bestätigen, bestreiten oder z.B. nach weiterer Information fragen usw. Die Abhängigkeit und die Bezogenheit der dialogischen Antwortsätze zeigt sich u.a. in der Wahl sowie in der Wiederholung der lexikalischen Mittel oder in der elliptischen Form der Sätze.
Der Sprechende kann sich auch zur Information, die er mitteilt, neutral, einschätzend objektiv, subjektiv oder emotional verhalten. Vgl.: Die Sonne scheint. Der Himmel ist wolkenlos. Draußen hat es 25 Grad Wärme. Das Wetter ist sehr schön. In den ersten drei Sätzen ist ein objektiver Sachverhalt konstatiert, und der letzte Satz enthält eine subjektive Einschätzung des beschriebenen Wetters durch das Adjektiv schön; diese Einschätzung ist ohne emotionale Aufregung dargeboten.
Scheußliches Wetter! Wie unangenehm! Was für ein Pech! Wir wollten aufs Land fahren, aber es regnet so stark, dass wir auf unsere Reise verzichten und zu Hause bleiben müssen. Die ersten drei Sätze informieren über die emotional stark gefärbte subjektive Einschätzung der Situation durch den Sprechenden (und wohl auch über seinen seelischen Zustand). Von der emotionalen Gespanntheit der Äußerung zeugen sowie ihre lexikalischen Elemente — die Wörter mit einschätzender Semantik, als auch die konstruktive Eingliedrigkeit der Sätze und ihre Intonation — das sind Ausrufesätze. Der letzte Satz gibt den rationalen Grund für die Gemütsbewegung des Sprechenden an, weist auf einen objektiven Sachverhalt hin und ist auch äußerlich anders gestaltet.
Im Kommunikationsprozess richtet sich der Sprechende, auch wenn er eine monologische Äußerung hervorbringt, nach dem Adressaten, der dem Redeakt unmittelbar beiwohnt oder von dem der Sprechende distanziert ist. In diesem Zusammenhang ist wichtig, ob und inwieweit der Redegegenstand beiden Kommunikationspartnern bekannt ist. Wenn sie beide z.B. darüber informiert sind, braucht der Sprechende das Bekannte nicht zu wiederholen, er kann sich auf die' Erweiterung der Sachinformation, auf die Mitteilung seiner Einschätzung u.a. beschränken. Oft kommt es dabei vor, dass der Umfang des Übermittelten größer ist, als der eigentliche, verbal (in Worten) bezeichnete Inhalt des Satzes. Als Beispiel dafür können Frage-Antwort-Repliken dienen: Kommst du heute zu mir? — Ich habe leider keine Zeit. Der Wortbestand des Fragesatzes genügt, wenn es dem Angesprochenen bekannt ist, womit die Einladung des Fragenden verbunden ist; der Antwortsatz enthält eine verdeckte, implizite Ablehnung des Vorschlags und die explizite Äußerung des Grundes für diese Ablehnung: Ich kann nicht kommen, weil ich keine Zeit habe. Falls aber der Sprechende voraussetzt, dass der Redegegenstand dem Adressaten unbekannt oder wenig bekannt sein kann, muss er ihn genau erklären, um verstanden zu werden und das Ziel seiner Äußerung zu errreichen.
Bei der differenzierten Deutung der Aussagesätze sind also folgende Richtlinien und Oppositionen zu berücksichtigen:
Die Einstellung des Sprechenden zum Redeakt: Er ist selbst der Initiator des Redeaktes / er reagiert durch seine Äußerung auf die Aufforderung zum Sprechen bzw. auf eine Behauptung einer anderen Person;
Der semantische Gehalt des Satzes: die Mitteilung von einem objektiven Sachverhalt / die Mitteilung von einer subjektiven Einschätzung des Sachverhaltes;
Die konkrete Art des mitgeteilten Sachverhaltes und die Aktualisierung von dessen Elementen. Der Satz kann z.B. von der Existenz / Nichtexistenz eines Gegenstandes, einer Person oder einer Erscheinung an einem bestimmten Ort, in einer bestimmten Zeit, unter bestimmten Umständen usw., von der Handlung bzw. einem Vorgang, die ein Agens ausführt /nicht ausführt, von den Eigenschaften, die einer Person oder Sache eigen / nicht eigen sind etc. informieren;
4) Die positive / negative Einschätzung des Sachverhaltes;
5) Den autosemantischen / synsemantischen Inhalt des Satzes, d.h. z.B. die semantische und strukturelle Abhängigkeit / Unabhängigkeit von dem In- halt des vorhergehenden Satzes;
