
- •Entstehung und Entwicklung des Rechtspopulismus in Europa
- •Inhaltverzeichnis.
- •1.Einleitung
- •2. Der Aufstieg und das Wesen des Rechtspopulismus.
- •2.1. Der Aufstieg des Rechtspopulismus.
- •2.2. Das Wesen des Rechtspopulismus.
- •3. Die Herausbildung der ideologischen Kernpunkte der rechtspopulistischen Parteien in Europa.
- •3.1. Erste Nachkriegsjahre.
- •3.3. Perspektive der Rechtspopulisten und deren Forschung.
- •4.Fazit.
3. Die Herausbildung der ideologischen Kernpunkte der rechtspopulistischen Parteien in Europa.
3.1. Erste Nachkriegsjahre.
Ideologische Kernpunkte moderner rechtpopulistischer Parteien sind am besten durch ihren historischen Entwicklungsprozess zu begreifen. Wenn man sich auf die Aufsätze von G. Speckmann und G. Wiegel, A. Werner, E. Kolb, J. Schedler und A. Häusler stützt und sie verallgemeinert, kann dieser Entwicklungs- und Evolutionsprozess rekonstruiert werden, der die ganzheitliche Darstellung der wichtigsten Programmpunkte zur Verfügung stellt.
Evolution der Programmpunkte des Rechtspopulismus kann in zwei Phasen mit einer Übergangsunterphase geteilt werden. Die erste Phase dürfte als „Belastung faschistischer Erbschaft“ bezeichnet werden, die mit der obengenannten Organisationsphase „marginalisierte politische Exotik“ übereinstimmt. In diesem Zeitabstand bildete sich keine Parteiprogrammatik heraus, stattdessen bewährte sich Treue an Passagen des alten Faschismus, wie Antikommunismus (im Falle Deutschlands und Italien auch Revanchismus), Antisemitismus, korporative Struktur der Gesellschaft und die Konfrontation mit der Staatsverfassung2. In den ersten Nachkriegsjahren in Westdeutschland gaben sogar die Benennungen der Organisationen alte Erfahrung wieder, z.B. Deutsche Reichspartei, Sozialistische Reichspartei und Deutsche Nationale Volkspartei (Häusler/Schedler, 2011, S. 312). Häufig geraten sie unter Verbot und nur die formale Anerkennung der demokratischen Staatsverfassung und die Akkumulierung der enttäuschten Stimmen in den krisenhaften späteren 1960er und 1970er Jahren ließen sie eine bescheidene Nische im politischen Leben belegen. So bildeten sich NPD 1964 in der BRD und NF 1972 in Frankreich heraus.
3.2. Transformationsprozess und Übergangsunterphase der Entwicklung der Rechtspopulisten.
Seit Ende der 1970er hatte die Übergangsphase der Entwicklung der europäischen Rechtextreme in Europa begonnen, die ungefähr fünf und zwanzig bis dreißig Jahre dauerte. Ein Teil der Rechtextremen, wie NF in Frankreich, ist diesem Modernisierungsprozess gefolgt und bildete sich als rechtspopulistische Parteien heraus und ein anderer Teil wie die NPD in Deutschland vermied diese Evolution und blieb als neofaschistische legale Gruppierung am Rande der politischen Szene um Proteststimmungen zu akkumulieren. Diejenigen Organisationen, die die Übergangsphase wahrnahmen, begannen in erster Linie nicht nur soziale, kulturelle und wirtschaftliche Probleme zu aktualisieren, sondern auch lebensfähige populäre neoliberale und neokonservative Lösungen darauf vorzuschlagen, statt autoritäre Projekte der gesellschaftlichen und staatlichen Sanierung aus den 1920er und 1930er Jahren zu propagieren. Man dürfte auch davon ausgehen, dass traditioneller Rassismus keine selbstständige und nicht die erste Rolle im Programm der Rechtspopulisten im Sinne der „Sauberkeit des Blutes der Nation“ spielte, sondern instrumentalisiert wurde. So kam es darauf an, durch die zugenommene Zahl der meistens muslimischen Migranten (Abnahme der Bedeutung der Juden als Feind №1), die Probleme in der Wirtschaft, dem Sozialsystem und zweitrangig in der Gesellschaft zu erklären (vgl. Kolb, 2012, S. 135). Die Bedeutung des Antikommunismus ist nicht verschwunden, sondern hat sich verändert. Die Auflösung des Ostblocks und der UdSSR im Zusammenhang mit der Pleite der kommunistischen Ideen haben einerseits das Gefühl der äußeren und inneren Bedrohung durch einen sowjetischen Einfluss und kommunistische Parteien beseitigt, andererseits fand sich sehr schnell ein neuer Feind in Form eines gemeinsamen Europas und einer europäischen Integration (vgl. Krätke, 2012, S. 11f; vgl. Werner, 2013, S. 244ff). Als innere kommunistische Feinde wurden linksozialistische oder sogar sozialdemokratische Organisationen bezeichnet3 (vgl. Mattern, 2012, S. 26f).
Diese Übergangsphase lief nicht ohne schweren inneren Transformationsprozess, der sich in Streitigkeiten zwischen den Anhängern alter tradierter rechtsextremer Ideologien und den neuen modernen Pragmatikern niederschlug. Die ersten sahen den Grund des Aufstiegs in der Radikalität ihrer Parolen, die zweiten strebten ein Koalieren mit dem konservativen Teil der Anhängerschaft bürgerlicher Parteien und damit der Mäßigung der Parolen bzw. der Instrumentalisierung des Rassismus und dessen formellen Abschaffung im Programm an. So brach am Ende der 1990er ein heftiger Konflikt zwischen den Anhängern des Hardliners J.-M. Le Pen und des Pragmatikers B. Maigret aus, der zur Spaltung des NFs führte. Trotzdem übernahm J.-M. Le Pen die Taktik sowie die gemäßigten Ideen seines Rivalen und verschleierte gänzlich das Problem der Migration um sich ausschließlich auf die Probleme der Sicherheit, als auch auf die Bewahrung nationaler Souveränität und traditionellen Werten zu konzentrieren. Dank dieser Verschiebung gelang es J.-M. Le Pen 2002 eine Sensation zu schaffen, als er einer der zwei Kandidaten im zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen wurde. (Kolb, 2012, S. 140f). Allerdings konnte nur ein Generationswechsel in der Führung der rechtspopulistischen Parteien im Laufe der 2000er den jungen Pragmatikern die Möglichkeit geben, mit der alten faschistischen Erbschaft Schluss zu machen, was besonders den Verzicht auf den Antisemitismus angeht4.
Eine der Zäsuren war auch die Weltwirtschaftskrise 2008, die die Wirtschaftslage Europas besonders betroffen und seine politische und wirtschaftliche Integrität in Frage gestellt hat. Damit wurde eine Globalisierung im Sinne der Europäisierung zu dem Hauptobjekt der Attacken von Rechtpopulisten: nicht die Migranten seien eine Wurzel des Übels, sondern die Bürokratie in Brüssel, die Migrationsprobleme, wirtschaftliche und andere Krisen befördere (vgl. Werner, 2013, S. 243ff; vgl. Krätke, 2012, S.11f). Solche Schwerpunktveränderungen und Modernisierungen im Allgemeinen begünstigten das Ansehen der Rechtspopulisten unter der konservativen Mitte und eröffnete für sie große Chancen, ihren Anteil in Regierungsorganen zu stärken.
Dieser historische Entwicklungsprozess der ideologischen Kernpunkte der Rechtspopulisten kann man als folgende Tabelle darstellen:
„Belastung faschistischer Erbschaft“ |
„Modernität“ |
|
Erste Nachkriegsjahre (1950er-1970er) |
Übergangsunterphase (1980er-2000er) |
(seit 2000er/2010er Jahre) |
1.Antikommunismus und Antisowetismus. |
1.Verschiebung vom Antikommunismus in Hass im Bezug auf Linke und Liberale und vom Antisowetismus in Antieuropeismus. (Bewahrung des feindlichen Bildes Russlands bei Rechtspopulisten in Osteuropa). |
1.Starke Abneigung gegenüber der EU-Integration, Forderung nach Abschaffung eines gemeinsamen Europas und Wiederaufbau nationaler Souveränität. |
2.Unloyalität zur demokratischen Staatsverfassung und deren Kritik, Orientierung an autoritäre Projekte und Muster der Vorkriegszeit. |
2.Anerkennung der westlichen demokratischen Staatsform und Integration ins Parteisystem, Übernahme der neoliberalen Ideen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich. |
2.Soziale, wirtschaftliche Probleme der Gesellschaft und alltägliche Sorgen der Bürger stehen durch neoliberales und neokonservatives Prisma im Vordergrund der Parteiprogramme. Akkumulierung der Proteststimmen aus verschiedenen Bevölkerungsgruppen. |
3.Rassismus in Form des Antisemitismus. Wegen der Erfahrung des Krieges verfehlte Idee ohne Unterstützung unter den breiten Massen. |
3.Ersetzung des Antisemitismus durch Islamophobie, die sich gleichzeitig unter der Bevölkerung ausbreitete. |
3.“Derassifizierung“ des Migrationsproblem, das als Folge und nicht Quelle des Übels betrachtet wurde. Es sollte gelöst werden, aber nach den demokratischen Voraussetzungen und Prozeduren. |