
Niederrheinisch
Niederfränkische Dialekte begegnen uns auch in Deutschland. Diese befinden sich in Nordrhein-Westfalen. Und zwar beiderseits des unteren Niederrheins, westlich der niedersächsisch-niederfränkischen Dialektscheide.
Das ist eine Linie, die etwa westlich von Bocholt – Essen – Wuppertal-Barmen – Wipperfürth verläuft und nördlich der sogenannten Uerdinger Linie, der nördlichsten Linie des Rheinischen Fächers, die im Norden von Krefeld-Uerdingen den Rhein überschreitet. Ferner gehören auch die ostbergischen Dialekte (Velbert-Langenberg, Wuppertal-Elberfeld, Gummersbach) dazu.
Die letzteren liegen in einem schmalen Streifen östlich dieser Uerdinger Linie, die, nachdem sie den südlichsten Stadtbezirk Duisburgs durchschreitet, in süd-östlicher Richtung weiter verläuft, und in der Nähe von Wipperfürth auf die Benrather Linie trifft und zusammen mit dieser in ihrem weiteren Verlauf Richtung Osten die Grenze zwischen den niederdeutschen und hochdeutschen Mundarten markiert. Als Sprachgrenze zum Westfälischen, das zur niedersächsischen Dialektgruppe gehört, gilt die sich nach Norden abschwächende Einheitsplurallinie.
Der so abgegrenzte niederrheinische und ostbergische Bereich wird in der jüngeren Dialektgeografie zuweilen auch mit dem Namen Kleverländisch bezeichnet.
Das sogenannte „niederfränkische Übergangsgebiet” zwischen der Uerdinger und der Benrather Linie weist sowohl mittel- als auch niederfränkische und an der westfälischen Grenze bereits niedersächsische Eigenheiten auf:
Südniederfränkisch (Krefeld, Mönchengladbach, Viersen, Heinsberg, Düsseldorf, Solingen, Remscheid, Mettmann sowie im nördlichen Kreis Neuss)
Ostbergisch (Mülheim an der Ruhr, Essen-Kettwig, Essen-Werden, Velbert-Langenberg).
Einordnung des Niederfränkischen
Beim Niederfränkischen handelt es sich um eine Familie eng verwandter westgermanischer Dialekte. Ordnet man die Dialekte einer Dachsprache zu, ist dies bei den niederfränkischen Mundarten das Niederländische.
Aus niederfränkischen Mundarten sind Niederländisch und das in Südafrika verbreitete Afrikaans entstanden.
In der früheren Sprachwissenschaft war es üblich, unter Verabsolutierung des Merkmals der fehlenden hochdeutschen Lautverschiebung das Niederfränkische als einen Zweig des Niederdeutschen zu betrachten, gemäß der Stammbaumtheorie von August Schleicher. So wurden die in Deutschland beheimateten ostniederfränkischen Dialekte, wie z.B. das Kleverländische, demzufolge manchmal noch als „niederdeutsche Dialekte“ bezeichnet. Heute gilt diese Stammbaumtheorie bei renommierten Germanisten allerdings vielfach als veraltet und wird im Wesentlichen nur noch in der teilwissenschaftlichen Sekundärliteratur vertreten und verwendet.
Sprachhistorisch betrachtet gehen die niederfränkischen Mundarten auf die alten Dialekte der Salfranken zurück, deren Dialekte während des Mittelalters in unterschiedlichem Maße von der fortschreitenden hochdeutschen Lautverschiebung beeinflusst und ausdifferenziert wurden. Somit gliederte sich das ehedem einheitliche fränkische Sprachgebiet in Niederfränkisch, Ripuarisch (dazu gehört das Kölsche) und Moselfränkisch.
Die weiter südlich gelegenen rheinfränkischen und süd-/ostfränkischen Mundarten wurden stark vom Alemannischen beziehungsweise Bairischen beeinflusst und haben ihren sprachlichen Charakter noch wesentlich stärker verändert.
Die niederfränkischen Dialekte sind im Gegensatz zum Ripuarischen um Köln, Bonn, Aachen und (zu einem geringeren Teil) im südlichen Bergischen Land nicht oder nur teilweise von der hochdeutschen Lautverschiebung erfasst worden, weshalb sie heute weitgehend denselben Lautstand aufweisen wie das Niedersächsische und das Niederländische.
Das „Düsseldorfer Platt" zeigt neben einigen angrenzenden (süd)niederfränkischen Dialektvarianten geringfügige hochdeutsche Einflüsse („t" am Wortanfang wird zu „z" verschoben; z.B.: „zwei" statt üblicherweise „twee"; „p" und „k" im Wortinneren bleiben auch nur teilweise unverschoben; z.B.: „lope" = laufen, „make" = machen, was auf den Einfluss über den Rhein gekommener Handelsreisender zurückgeführt werden kann). Somit unterscheiden sich die von der Struktur her doch so ähnlichen rheinischen Dialekte um Köln und Düsseldorf erheblich im Lautstand.
Die Dialekte von Mönchengladbach und eines Teils seiner Umgebung sind relativ stark ripuarisch beeinflusst. Sagt man beispielsweise im Kleverländischen und im Niederdeutschen „hebbe(n)“ oder „höbbe(n)“ für haben, heißt es dort, wie im mittelfränkischen „han“.[1] Das Ostbergische weist in Langenberg sowohl die Formen „han“ und „häw(we)“ auf, je nachdem auf welcher Seite des Deilbachs es sich befindet.
Das Kleverländische, das Ostbergische, sowie das Südniederfränkische (Limburgisch in Deutschland) werden oftmals auch als „niederländische Mundarten" bezeichnet, da der sprachliche Abstand zur hochdeutschen Standardsprache (Deutsch) wesentlich ausgeprägter ist als zum Niederländischen.