
Lektion 3 persönlichkeitspsychologie und typologie
Die bis jetzt behandelten Theorien versuchten, das Verhalten des Menschen dadurch zu erklären, dass sie diejenigen Prozesse aufdeckten, die zu dem Verhalten führten. Mit Persönlichkeitsmerkmalen dagegen wird die Persönlichkeit eines Menschen lediglich beschrieben, nicht erklärt. Die Charakter- oder Persönlichkeitseigenschaften eines Menschen werden dabei direkt aus dem Verhalten, das er zeigt, abgeleitet.
Im täglichen Umgang tun wir tatsächlich dasselbe. Aufgrund von Beobachtungen bezeichnen wir z. B. jemanden als „tüchtig", „arrogant", „verschlossen", „freundlich" oder „hilfsbereit". Wenn wir z. B. jemanden über einen längeren Zeitraum hinweg in seinem Büro sitzen und vor sich hinstarren sehen, dann sind wir schnell der Meinung, er sei „faul" oder ein „Tagträumer". Aufgrund unserer Beobachtung schreiben wir dieser Person also eine Charaktereigenschaft zu oder - mit anderen Worten - wir verpassen ihr ein Etikett!
Die persönlichkeitstheorie von eysenck
Hans Jürgen Eysenck wurde 1916 in Deutschland geboren, lebte und arbeitete aber den größten Teil seines Lebens in England. Er hat sich unter anderem intensiv mit Persönlichkeitspsychologie beschäftigt und verschiedene psychologische Testverfahren entworfen.
Dimensionen
In Anlehnung an Cattell ging Eysenck von Dimensionen aus, die den Persönlichkeitsmerkmalen eines Menschen zugrunde liegen. Insbesondere beschäftigte Eysenck sich mit der Dimension „Extraversion - Introversion".
Die beiden Begriffe „Extraversion - Introversion" bilden je den Extrempol einer Skala, auf der verschiedene Grade von Extraversion und Introversion unterschieden werden können. Eysenck beschrieb den Typus des extravertierten bzw. introvertierten Menschen mit einem ganzen „Bündel" von Eigenschaften. Im folgenden wollen wir Ihnen diese beiden Typen vorstellen.
Der extravertierte Mensch
Der extravertierte Mensch ist sozial eingestellt, liebt Parties, hat viele Freunde, liest und studiert nicht gerne, ist risikofreudig, handelt spontan und gefühlsmäßig, liebt Veränderungen und Situationen, in denen eine gewisse Spannung steckt. Er ist ziemlich sorglos, optimistisch und oberflächlich. Er liebt es, Dinge zu unternehmen, verliert aber auch wieder ziemlich schnell die Lust an dem, was er tut.
Mit dieser Beschreibung erhalten wir das klassische Bild des extravertierten Typus. Dargestellt wird sozusagen der „reine" Typus, den wir natürlich niemals in dieser extremen Form bei einem Menschen antreffen. Genauso wenig gibt es einen „rein" introvertierten Menschen. Wir wollen uns aber die Beschreibung des introvertierten Typus zunächst einmal ansehen.
Der introvertierte Mensch
Der introvertierte Mensch ist ruhig, lebt etwas zurückgezogen und ist mehr am Innenleben der Menschen als an äußeren Dingen interessiert. Er denkt nach, bevor er handelt, ist also wenig spontan in seinem Verhalten, er vermeidet Aufregung, ist ernst und liebt die Regelmäßigkeit in seinem Leben. Gefühle werden unter Kontrolle gehalten, und selten äußert der introvertierte Mensch Aggressionen. Er ist ehrlich und hält an den Normen und Werten der Gesellschaft fest. Selbst Eysenck war der Meinung, dass diese Art von Beschreibungen eher der Karikatur eines Menschen als einem „wirklichen" Menschen gleichen. Wie wir ja schon gesehen haben, stellen diese beiden Begriffe jeweils einen Extrempol der Dimension „Extraversion - Introversion" dar. Sie stehen für den extrem extravertierten oder extrem introvertierten Menschen - aber kein Mensch ist absolut extravertiert oder absolut introvertiert!
Emotionale Stabilität und emotionale Instabilität (Neurotizismus)
Die wichtigste Persönlichkeitsdimension, die Eysenck untersucht hat, ist die Dimension emotionale Stabilität - emotionale Instabilität. Ein anderer Begriff für „Emotionale Instabilität" ist „Neurotizismus" - ein Begriff, den wir von nun an verwenden werden. In der nächsten Lektion werden wir noch vertieft auf den Begriff „Neurose" eingehen. Hier soll uns zunächst eine kurze Beschreibung der neurotischen Persönlichkeit genügen: Eine neurotische Persönlichkeit ist insbesondere durch Ängstlichkeit und innere Unruhe gekennzeichnet. Demgegenüber strahlt die emotional stabile Persönlichkeit Ruhe und innere Gelassenheit aus. Auch für die Dimension „Emotionale Stabilität - Neurotizismus" gilt, dass es kaum Menschen gibt, bei denen eine der beiden Ausprägungen in seiner „reinen" Form zu finden ist. Eysenck hat auch untersucht, ob die Dimension „Extraversion - Introversion" in einem Zusammenhang mit der Dimension „Emotionale Stabilität - Neurotizismus" steht. Seine Untersuchung zeigte, dass eine Einstufung auf der einen Dimension keine Vorhersage über die Einstufung auf der anderen Dimension zulässt.
Mit anderen Worten: Sowohl der introvertierte als auch der extravertierte Typus kann emotional stabil oder emotional instabil sein. Wissenschaftlich ausgedrückt heißt das, dass die Dimension „Extraversion - Introversion" nicht mit der Dimension „Emotionale Stabilität - Neurotizismus" korreliert.