
Systematischer Hintergrung
Es gibt drei Aufgaben des Redners (officia oratoris): Ein Redner soll das Publikum
belehren (docere),
unterhalten (delectare) und
emotional bewegen (movere)
Es gibt bei der Erstellung einer Rede fünf Arbeitsphasen (partes artis):
die Auffindung der Gedanken (inventio)
die Gliederung der Gedanken (dispositio)
die Versprachlichung der Gedanken (elocutio)
das Einprägen der Rede ins Gedächtnis (memoria) und
den Vortrag der Rede (pronuntiatio, actio).13
In der inventio müssen alle brauchbaren Gedanken und Argumente gefunden werden. Dabei hilft die Topik, ein System von „Plätzen“ (gr. „topoi“, lat. „loci“) genannten Stichworten, die man durchgeht, um zu überlegen, ob sich in dem jeweiligen Bereich ein guter Gedanke findet. Es gibt personenbezogene Topoi (loci a person) und sachbezogene Topoi (loci a re).
In der dispositio müssen die aufgefundenen Gedanken zweckmäßig angeordnet werden. Trotz der Tatsache, dass es für die einzelne Redegattungen je eigene Muster mit verschiedenen Anzahlen an Redeteilen gibt, hat sich folgendes Schema durchgesetzt.
die Einleitung (exordium)
Die Erzählung oder die Darstellung des Sachverhaltes(narratio)
die argumentative Beweisführung (argumentatio)
der Redeschluß (peroratio)
In der elocutio müssen die Gedanken in Worte gekleidet werden. Dabei sind die vier Stilqualitäten oder Stilprinzipien (virtutes elocutionis) und im besonderen die drei Stilarten oder Stilgattungen (genera dicendi) zu berücksichtigen.
Die vier Stilprinzipien sind:
die Sprachrichtigkeit (latinitas),
die Deutlichkeit des Ausdrucks (perspicuitas)
der Redeschmuck (ornatus)
die Angemessenheit des Ausdrucks, sowohl im Hinblick auf den Inhalt als auch in Betracht der Redesituation (aptum)
Diese Sprachtugenden sind unabhängig von der konkreten Redesituation immer zu beachten. Die komplexeste dieser Stilqualitäten ist der „Redeschmuck“, denn deren Kernstück ist die Leher von den Figuren und Tropen.
Je nachdem, wie aufwendig der Schmuck einer Rede gehalten ist, unterscheidet man drei Stilarten:
der niedere oder schlichte Stil (genus subtile, genus humile). Dieser Stil hat nur leichten Schmuck.
der mittlere Stil (genus medium) hat einen mäßigen Schmuck und
der hohe oder erhabene Stil (genus grande, genus sublime) hat einen einen ausgeprägten Schmuck.
Cicero ordnet diesen Stilarten die drei Aufgaben des Redners (officia oratoris) zu. Wo der Redner belehren wolle (docere), sei der schlichte Stil angemessen, wo er unterhalten wolle (delectare), der mittlere Stil und wo er emotional bewegen wolle (movere) der erhabene Stil.
In der memoria muss die fertig formulierte Rede auswendig gelernt und behalten werden. Zu diesem Zweck werden verschiedene Mnemotechniken, v.a. bildliche Vorstellungshilfe, erlernt.14
Die pronuntiatio oder actio, in der die auswendig gelernte Rede vorgetragen wird, gilt in der Antike als der wichtigste Teil der Redekunst. Um wirkungsvoll vorzutragen, erlernt man Techniken zur Verbesserung des Klangs der Stimme, eine angemessene Stimmodulation, Mimik und Gestik. Letztere wird äußerst detaliert behandelt.15
Die Rhetorik wird oft als ein Regelsystem gesehen, das zum Verfertigen von Reden anleitet. Dieses praktische Regelsystem dient zunächst zur Schulung des Orators, zur Steigerung seines Ausdrucksvermögens. Die Berühmtheit des Begriffes der Rhetorik in der breiten Öffentlichkeit ist auch eher der Praxis zu verdanken. Das rhetorische Regelwerk ist einerseits als „eine positive Möglichkeit, sich sozial zu entwickeln“ zu sehen, aber andererseits als „eine sozial gefährliche Technik. Jenseits all dieser unterschiedlichen Einschätzungen besteht aber Konsens darüber, dass das Thema Rhetorik in der modernen Kommunikationsgesellschaft neue, erstrangige Bedeutung gewinnt.“16 Der andere Grund, warum der Begriff der Rhetorik heutzutage so oft verwendet wird, hängt also damit zusammen, dass die Kommunikation in der modernen Gesellschaft eine sehr wichtige Rolle spielt.
Woran kann man das sehen? Zunächst daran, dass es heute z. B in Deutschland sehr viele Rhetorikkurse angeboten werden. Die größten Firmen haben ihre eigenen Rhetoriktrainer. Alle Manager müssen einen oder mehrere Rhetorikkurse absolvieren.
In diesem Zusammenhang entsteht die Frage: Was wird in einem Rhetorikkurs angeboten? Welche Probleme werden da behandelt?
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Begriff der Rhetorik unterschiedliche Dinge bezeichnet: „eine kommunikative Praxis, die darauf bezogene Theorie, ein kommunikationstechnisches Schulungsfach und eine wissenschaftliche Disziplin.“17
1 Vgl. hierzu: Göttert (1998), S. 25.
2 Knape (2003).
3 Knape (2000a), S. 33.
4 Holocher (1996), S. 22.
5 Hier handelt es sich um drei Kategorien: Meinungswechsel, Einstellungswechsel und Verhaltenswechsel, die vom Psycholgen Carl Hovland stammen. „Meinung und Einstellung sind die Akzeptanzträger. Auf sie ist der Persuasionsakt zunächst gerichtet. Er soll auf dem mentalen Weg beim Empfänger Handlungsgewißheit, die Gewißheit im Moment richtig zu handeln, erzeugen. [...] Beim Meinungswechsel ist diese Handlungsgewissheit kurzfristig, kann sich schnell verflüchtigen; beim Einstellungswechsel ist sie langfristig angelegt.“ Knape (1998), S. 57-58.
6 Knape (2000a), S. 34. Sieh zu diesem Thema Knape (1998), S. 54-69.
7 Perelman (1980), S. 163.
8 Hier handelt es sich um drei Kategorien: Meinungswechsel, Einstellungswechsel und Verhaltenswechsel, die vom Psycholgen Carl Hovland stammen. „Meinung und Einstellung sind die Akzeptanzträger. Auf sie ist der Persuasionsakt zunächst gerichtet. Er soll auf dem mentalen Weg beim Empfänger Handlungsgewißheit, die Gewißheit im Moment richtig zu handeln, erzeugen. [...] Beim Meinungswechsel ist diese Handlungsgewissheit kurzfristig, kann sich schnell verflüchtigen; beim Einstellungswechsel ist sie langfristig angelegt.“ Knape (1998), S. 57-58.
9 Knape (2000a), S. 34. Sieh zu diesem Thema Knape (1998), S. 54-69.
10 Knape (1998), S. 65. Knape (2003).
11 Knape (2000a), S. 34.
12 Ueding (1998), S. 7.
13 Vgl. hierzu: Göttert (1998), S. 25.
14 Vgl. hierzu: Göttert (1998), S. 70-72, Knape (2000), S. 165-168, Ottmers (1996), S. 198-205.
15 Vgl. hierzu: Göttert (1998), S. 72-74, Knape (2000), S. 169-171, Ueding (1995), S. 71-72.
16 Knape (2000b), S. 7.
17 Knape (2000a), S. 9.