
- •In der Phonetik wird von manchen Autoren die Möglichkeit von Aussprachevarianten als Phonostilistik bezeichnet. So definiert Fönagy (1977, 16) diese Auffassung wie folgt:
- •In literaturwissenschaftlichen Interpretationen sind Verwechslungen von Phonie und Graphie leider nicht selten:
- •Powerful factor in producing the effect of a certain whole.“ (Thompson 1969/70, 39)
- •(Grammont 1901, 156)
- •Abb. 93.2: Sprecheremotionalität im Schriftbild von Comics (Goscinny/Uderzo: Le Ciel lui tombe sur la tête. Paris 2005, 41)
- •Abb. 93.3: Mündliche Unverständlichkeit charakterisiert durch Schriftbild (Goscinny/Uderzo: Le Ciel lui tombe sur la tête. Paris 2005, 26)
- •Vin tant divin, loin de toi est forclose Toute mensonge et toute tromperie. En joie soit l'aire de Noach close, Lequel de toi nous fit la tempérie.
- •Abb. 93.7: Dynamik durch Typographie (Gomringer 1972, 61)
- •Ivanova, Gergana (2006): Sound-symbolic approach to Japanese mimetic words. In: Toronto Working Papers in Linguistics 26, 103—114.
- •1. Wortbildung und Stil
Powerful factor in producing the effect of a certain whole.“ (Thompson 1969/70, 39)
Dass phonästhetische Zusammenhänge und harmonische Korrespondenzen in Gedichten bestehen können, lässt sich kaum bestreiten. Allerdings wird man sich bei der Analyse vor der Suche nach verborgenen anagrammatischen Strukturen ebenso hüten wie vor dem Aufweisen komplizierter wahmehmungspsychisch kaum realisierbarer Zusammenhänge.
Phonetisch-semantische Relationen: Beziehung zwischen Laut und Sinn
In der Linguistik gilt unbestritten, dass Phoneme die kleinsten bedeutungsunterscheidenden Zeichen einer Sprache sind, ohne selbst Bedeutung zu haben, und dass erst recht Phone als Realisierung von Phonemen ohne Bedeutung sind.
Streng genommen wird aber gerade dies in einem zentralen Bereich der phonostilisti- schen Analyse stillschweigend angenommen. Man postuliert in der — vorwiegend älteren — literaturwissenschaftlichen Textanalyse, aber auch in der psychologischen Theorie, einen Beitrag der phonischen Gestalt zum Sinngehalt des Textes. Im allgemeinen ohne empirische Absicherung geht man dabei von einer „harmony of sound and sense“ aus (Montgomery 1978, 209), von „natural relationship of sound and content“ (Fônagy 1961, 213), von „intrinsic correspondance between sounds and meaning“ (Taylor 1963, 200), schreibt man den Lauten die Fähigkeit für „symbolische Sprachmalerei“ zu (Thieme 1972, 66), stellt man fest, „that sounds of some words fit the meanings particularly well“ (Wertheimer 1958, 412) und unternimmt man „das Suchen nach einer etwai-gen unmittelbaren Beziehung zwischen Wortschall und Wortbedeutung über die bloße Zeichennatur hinaus“ (Schneider 1938, 140).
Einteilung und Unterscheidung der einzelnen Arten von Laut-Sinn-Beziehungen werden von den verschiedenen phonostilistischen Theoretikern sehr unterschiedlich vorgenommen; nicht einmal über die Existenz der einzelnen Beziehungsarten besteht Konsens (vgl. den Überblick bei Flakowski-Jankovic 1993).
In der neueren Linguistik besteht mindestens seit de Saussure der Grundsatz einer prinzipiellen Arbitrarität des sprachlichen Zeichens. Nach dieser Auffassung besteht keine motivierte Beziehung zwischen lautlicher Gestalt und Bedeutung eines Wortes/ Lexems; aus der sprachlichen Form lässt sich kein Aufschluss über Eigenschaften des Denotates gewinnen. Lautmalende Wörter — wie Kuckuck, le cricri, knirschen, ronronner — werden als spezielle Sonderfälle, als Randerscheinungen aufgefasst. Daneben existiert in der Sprachwissenschaft und Sprachphilosophie seit dem Kratylos-Dialog von Platon die gegenteilige Konzeption, nach der solche motivierten Beziehungen zwischen Laut und Bedeutung zentrales Fundament der Sprachschöpfung sind: Beziehungen, die lediglich durch die sprachgeschichtliche Lautentwicklung verdunkelt werden können.
Lautimitation - Onomatopoesie
Die einfachste Art von Lautbedeutsamkeit, auf die auch in Sprachursprungshypothesen immer wieder zurückgegriffen wird, besteht in der Annahme, dass in der Lexik einer Sprache charakteristische Lautäußerungen des zu bezeichnenden Denotates imitiert werden: Typische Geräusche von Tieren, Geräten, Tätigkeiten geben Anlass zu einer entsprechenden Schallwortbezeichnung. Als Beleg lassen sich aus vermutlich allen Einzelsprachen lautmalende, onomatopoetische Lexeme anführen: dt.: Zilpzalp, Wauwau, Pingpong, tirilieren, miauen, Gong, rattern, klirren, Blitz, päng usw. Interlinguale Differenzen (z. B. das Krähen des Halmes: dt. Kikeriki, frz. cocorico, engl, cock-a-doodle-doo) sind keine Widerlegung der Lautimitations-Hypothese, sondern lassen sich durch einzelsprachlich unterschiedliche Interpretation der Realität erklären.
Wichtiger als die mögliche Rolle der Onomatopoesie beim Sprachursprung ist in diesem Zusammenhang ihre mögliche phonostilistische Funktion im literarischen Text. Es kann kein Zweifel bestehen, dass onomatopoetisch motivierte Sprachzeichen vom Autor stilistisch ausgewählt werden können, um die semantische Information auf der Lautseite sekundär zu unterstützen, d. h. um einen „second message phonostylistique“ zu bewirken (Baligand 1972, 17). Man kann sich die Wirkung einer solchen stilistischen Wahl leicht veranschaulichen, indem man lautmalende Textelemente mit onomatopoetisch unmarkierten Paraphrasen mit annähernd gleichem Informationsgehalt konfrontiert, z. B.: Die Heuschrecke produziert Laute - Die Grille zirpt.
Kayser (1932, 7) nennt lautimitierende Lexeme die „sinnvollen lautmalenden Wörter [...], weil sie neben der Aufgabe des Abmalens auch die des Bedeutens erfüllen“.
Diese Formulierung ist problematisch; man sollte besser feststellen, dass die lexikalische Bedeutung dieser seltenen Lexeme lautlich-assoziativ unterstützt wird. Tatsächlich lassen sich in der Poesie durch Auswahl und Anhäufung lautmalender Lexeme Stileffekte erzielen, bei denen semantische Elemente sehr eindringlich phonostilistisch abgebildet werden:
So rennet nun alles in vollem Galopp Und kürt sich im Saale sein Plätzchen Zum Drehen und Walzen und lustigem Hopp Erkieset sich jeder ein Schätzchen.
Da pfeift es und geigt es und klinget und klirrt,
Da ringelt’s und schleift es und rauschet und schwirrt; [...].
(Goethe, Hochzeitslied)
Die Tanzbewegungen werden nicht nur mit lexikalischen Mitteln geschildert, sondern zudem phonisch-lautmalend abgebildet. Eine phonostilistische Analyse wird nicht nur auf Auswahl und Frequenz onomatopoetischer Lexeme verweisen, sondern den Textzusammenhang dieser lautimitativen Mittel mit Metrum, Rhythmus, Reim, Assonanzen, Alliterationen, Silbenzahl der Wörter etc. herausarbeiten. Bereits Bühler (1933) hat zurecht betont, dass die Möglichkeiten der Auswahl und Anordnung lautmalender Stilmittel begrenzt sind: zunächst einmal durch die syntaktischen Regeln, die wie ein ,„verrou syntaxique1 placé sur la porte de l’onomatopoée“ wirken (Bühler 1933, 107); dann aber auch durch die vonseiten des Sprachsystems nur begrenzt zugelassenen Möglichkeiten zur Bildung lautmalender Neologismen und schließlich durch die wegen der erforderlichen phonologischen Unterscheidbarkeit der Lexeme keineswegs beliebigen Möglichkeiten zur Lautimitation. Die phonostilistische Analyse der Onomatopoesie kann lautmalende Elemente leicht im Text lokalisieren. Vor einer stilistischen Wertung ist es jedoch methodisch erforderlich, die Auswahlmöglichkeiten des Autors zu ermitteln und miteinander zu vergleichen.
Lautexpressivität
Im Gegensatz zu ihrer lautimitierenden onomatopoetischen Funktion kann den Lauten auch eine „valeur expressive“ zugeschrieben werden (Marouzeau 1965, 33); der Interpret nimmt dann eine „evocative power of the sounds of words“ an (Masson 1953/54, 220). Einzelne Laute wären demnach in der Lage, ganz bestimmte Gemütsverfassungen und Tätigkeiten auszudrücken, ihre Verteilung in der poetischen Sprache wäre „nécessaire et régi par les lois de l’expressivité" (Rosetti 1966, 70).
Grammont nimmt sogar an, dass ein lautexpressiver Wert bereits den Phonemen (d. h. der Ebene der langue) vorab jeder Textrealisierung zukommt:
„en analisant dans tous ses détails la nature d’un fonème donné, on peut déterminer d’avance et a priori toutes les valeurs qu’il pourra posséder au point de vue expressif.“