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Иоганн Гёте - Die Wahlverwandtschaften.doc
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Ich hörte ihn einmal zu Charlotten sagen: 'wenn uns nur Eduard mit seiner Flötendudelei verschonte!

Es kann daraus nichts werden und ist für die Zuhörer so lästig.'

Sie können denken, wie mich das geschmerzt hat, da ich Sie so gern akkompagniere«.

Kaum hatte sie es gesagt, als ihr schon der Geist zuflüsterte, daß sie hätte schweigen sollen; aber es war heraus.

Eduards Gesichtszüge verwandelten sich.

Nie hatte ihn etwas mehr verdrossen; er war in seinen liebsten Forderungen angegriffen, er war sich eines kindlichen Strebens ohne die mindeste Anmaßung bewußt.

Was ihn unterhielt, was ihn erfreute, sollte doch mit Schonung von Freuden behandelt werden.

Er dachte nicht, wie schrecklich es für einen Dritten sei, sich die Ohren durch ein unzulängliches Talent verletzen zu lassen.

Er war beleidigt, wütend, um nicht wieder zu vergeben.

Er fühlte sich von allen Pflichten losgesprochen.

Die Notwendigkeit, mit Ottilien zu sein, sie zu sehen, ihr etwas zuzuflüstern, ihr zu vertrauen, wuchs mit jedem Tage.

Er entschloß sich, ihr zu schreiben, sie um einen geheimen Briefwechsel zu bitten.

Das Streifchen Papier, worauf er dies lakonisch genug getan hatte, lag auf dem Schreibtisch und ward vom Zugwind heruntergeführt, als der Kammerdiener hereintrat, ihm die Haare zu kräuseln.

Gewöhnlich, um die Hitze des Eisens zu versuchen, bückte sich dieser nach Papierschnitzeln auf der Erde; diesmal ergriff er das Billet, zwickte es eilig, und es war versengt.

Eduard, den Mißgriff bemerkend, riß es ihm aus der Hand.

Bald darauf setzte er sich hin, es noch einmal zu schreiben; es wollte nicht ganz so zum zweitenmal aus der Feder.

Er fühlte einiges Bedenken, einige Besorgnis, die er jedoch überwand.

Ottilien wurde das Blättchen in die Hand gedrückt, den ersten Augenblick, wo er sich ihr nähern konnte.

Ottilie versäumte nicht, ihm zu antworten.

Ungelesen steckte er das Zettelchen in die Weste, die, modisch kurz, es nicht gut verwahrte.

Es schob sich heraus und fiel, ohne von ihm bemerkt zu werden, auf den Boden.

Charlotte sah es und hob es auf und reichte es ihm mit einem flüchtigen Überblick.

»Hier ist etwas von deiner Hand«, sagte sie, »das du vielleicht ungern verlörest«.

Er war betroffen.

'Verstellt sie sich?' dachte er.

'Ist sie den Inhalt des Blättchens gewahr worden, oder irrt sie sich an der Ähnlichkeit der Hände?' Er hoffte, er dachte das letztre.

Er war gewarnt, doppelt gewarnt; aber diese sonderbaren, zufälligen Zeichen, durch die ein höheres Wesen mit uns zu sprechen scheint, waren seiner Leidenschaft unverständlich; vielmehr, indem sie ihn immer weiter führte, empfand er die Beschränkung, in der man ihn zu halten schien, immer unangenehmer.

Die freundliche Geselligkeit verlor sich.

Sein Herz war verschlossen, und wenn er mit Eduard und Frau zusammenzusein genötigt war, so gelang es ihm nicht, seine frühere Neigung zu ihnen in seinem Busen wieder aufzufinden, zu beleben.

Der stille Vorwurf, den er sich selbst hierüber machen mußte, war ihm unbequem, und er suchte sich durch eine Art von Humor zu helfen, der aber, weil er ohne Liebe war, auch der gewohnten Anmut ermangelte. Über alle diese Prüfungen half Charlotten ihr inneres Gefühl hinweg.

Sie war sich ihres ernsten Vorsatzes bewußt, auf eine so schöne, edle Neigung Verzicht zu tun.

Wie sehr wünschte sie, jenen beiden auch zu Hülfe zu kommen!

Entfernung, fühlte sie wohl, wird nicht allein hinreichend sein, ein solches Übel zu heilen.

Sie nimmt sich vor, die Sache gegen das gute Kind zur Sprache zu bringen; aber sie vermag es nicht; die Erinnerung ihres eignen Schwankens steht ihr im Wege.

Sie sucht sich darüber im allgemeinen auszudrücken; das Allgemeine paßt auch auf ihren eignen Zustand, den sie auszusprechen scheut.

Ein jeder Wink, den sie Ottilien geben will, deutet zurück in ihr eignes Herz.

Sie will warnen und fühlt, daß sie wohl selbst noch einer Warnung bedürfen könnte.

Schweigend hält sie daher die Liebenden noch immer auseinander, und die Sache wird dadurch nicht besser.

Leise Andeutungen, die ihr manchmal entschlüpfen, wirken auf Ottilien nicht; denn Eduard hatte diese von Charlottens Neigung zum Hauptmann überzeugt, sie überzeugt, daß Charlotte selbst eine Scheidung wünsche, die er nun auf eine anständige Weise zu bewirken denke.

Ottilie, getragen durch das Gefühl ihrer Unschuld, auf dem Wege zu dem erwünschtesten Glück, lebt nur für Eduard.

Durch die Liebe zu ihm in allem Guten gestärkt, um seinetwillen freudiger in ihrem Tun, aufgeschlossener gegen andre, findet sie sich in einem Himmel auf Erden.

So setzen alle zusammen, jeder auf seine Weise, das tägliche Leben fort, mit und ohne Nachdenken; alles scheint seinen gewöhnlichen Gang zu gehen, wie man auch in ungeheuren Fällen, wo alles auf dem Spiele steht, noch immer so fortlebt, als wenn von nichts die Rede wäre.

Von dem Grafen war indessen ein Brief an den Hauptmann angekommen, und zwar ein doppelter, einer zum Vorzeigen, der sehr schöne Aussichten in die Ferne darwies; der andre hingegen, der ein entschiedenes Anerbieten für die Gegenwart enthielt, eine bedeutende Hof- und Geschäftsstelle, den Charakter als Major, ansehnlichen Gehalt und andre Vorteile, sollte wegen verschiedener Nebenumstände noch geheimgehalten werden.

Auch unterrichtete der Hauptmann seine Freunde nur von jenen Hoffnungen und verbarg, was so nahe bevorstand.

Indessen setzte er die gegenwärtigen Geschäfte lebhaft fort und machte in der Stille Einrichtungen, wie alles in seiner Abwesenheit ungehinderten Fortgang haben könnte.

Es ist ihm nun selbst daran gelegen, daß für manches ein Termin bestimmt werde, daß Ottiliens Geburtstag manches beschleunige.

Nun wirken die beiden Freunde, obschon ohne ausdrückliches Einverständnis, gern zusammen.

Eduard ist nun recht zufrieden, daß man durch das Vorauserheben der Gelder die Kasse verstärkt hat; die ganze Anstalt rückt auf das rascheste vorwärts.

Die drei Teiche in einen See zu verwandeln, hätte jetzt der Hauptmann am liebsten ganz widerraten.

Der untere Damm war zu verstärken, die mittlern abzutragen und die ganze Sache in mehr als einem Sinne wichtig und bedenklich.

Beide Arbeiten aber, wie sie ineinanderwirken konnten, waren schon angefangen, und hier kam ein junger Architekt, ein ehemaliger Zögling des Hauptmanns, sehr erwünscht, der teils mit Anstellung tüchtiger Meister, teils mit Verdingen der Arbeit, wo sichs tun ließ, die Sache förderte und dem Werke Sicherheit und Dauer versprach; wobei sich der Hauptmann im stillen freute, daß man seine Entfernung nicht fühlen würde.

Denn er hatte den Grundsatz, aus einem übernommenen unvollendeten Geschäft nicht zu scheiden, bis er seine Stelle genugsam ersetzt sähe.

Ja er verachtete diejenigen, die, um ihren Abgang fühlbar zu machen, erst noch Verwirrung in ihrem Kreise anrichten, indem sie als ungebildete Selbstler das zu zerstören wünschen, wobei sie nicht mehr fortwirken sollen.

So arbeitete man immer mit Anstrengung, um Ottiliens Geburtstag zu verherrlichen, ohne daß man es aussprach oder sichs recht aufrichtig bekannte.

Nach Charlottens obgleich neidlosen Gesinnungen konnte es doch kein entschiedenes Fest werden.

Die Jugend Ottiliens, ihre Glücksumstände, das Verhältnis zur Familie berechtigten sie nicht, als Königin eines Tages zu erscheinen. Und Eduard wollte nicht davon gesprochen haben, weil alles wie von selbst entspringen, überraschen und natürlich erfreuen sollte.

Alle kamen daher stillschweigend in dem Vorwande überein, als wenn an diesem Tage, ohne weitere Beziehung, jenes Lusthaus gerichtet werden sollte, und bei diesem Anlaß konnte man dem Volke sowie den Freunden ein Fest ankündigen.

Eduards Neigung war aber grenzenlos.

Wie er sich Ottilien zuzueignen begehrte, so kannte er auch kein Maß des Hingebens, Schenkens, Versprechens.

Zu einigen Gaben, die er Ottilien an diesem Tage verehren wollte, hatte ihm Charlotte viel zu ärmliche Vorschläge getan.

Er sprach mit seinem Kammerdiener, der seine Garderobe besorgte und mit Handelsleuten und Modehändlern in beständigem Verhältnis blieb; dieser, nicht unbekannt sowohl mit den angenehmsten Gaben selbst als mit der besten Art, sie zu überreichen, bestellte sogleich in der Stadt den niedlichsten Koffer, mit rotem Saffian überzogen, mit Stahlnägeln beschlagen und angefüllt mit Geschenken, einer solchen Schale würdig.

Noch einen andern Vorschlag tat er Eduarden.

Es war ein kleines Feuerwerk vorhanden, das man immer abzubrennen versäumt hatte.

Dies konnte man leicht verstärken und erweitern.

Eduard ergriff den Gedanken, und jener versprach, für die Ausführung zu sorgen.

Die Sache sollte ein Geheimnis bleiben.

Der Hauptmann hatte unterdessen, je näher der Tag heranrückte, seine polizeilichen Einrichtungen getroffen, die er für so nötig hielt, wenn eine Masse Menschen zusammenberufen oder -gelockt wird. Ja sogar hatte er wegen des Bettelns und andrer Unbequemlichkeiten, wodurch die Anmut eines Festes gestört wird, durchaus Vorsorge genommen.

Eduard und sein Vertrauter dagegen beschäftigten sich vorzüglich mit dem Feuerwerk.

Am mittelsten Teiche vor jenen großen Eichbäumen sollte es abgebrannt werden; gegenüber unter den Platanen sollte die Gesellschaft sich aufhalten, um die Wirkung aus gehöriger Ferne, die Abspiegelung im Wasser, und was auf dem Wasser selbst brennend zu schwimmen bestimmt war, mit Sicherheit und Bequemlichkeit anzuschauen.

Unter einem andern Vorwand ließ daher Eduard den Raum unter den Platanen von Gesträuch, Gras und Moos säubern, und nun erschien erst die Herrlichkeit des Baumwuchses sowohl an Höhe als Breite auf dem gereinigten Boden.

Eduard empfand darüber die größte Freude.

'Es war ungefähr um diese Jahrszeit, als ich sie pflanzte. Wie lange mag es her sein?' sagte er zu sich selbst.

Sobald er nach Hause kam, schlug er in alten Tagebüchern nach, die sein Vater, besonders auf dem Lande, sehr ordentlich geführt hatte.

Zwar diese Pflanzung konnte nicht darin erwähnt sein, aber eine andre häuslich wichtige Begebenheit an demselben Tage, deren sich Eduard noch wohl erinnerte, mußte notwendig darin angemerkt stehen.

Er durchblättert einige Bände, der Umstand findet sich.

Aber wie erstaunt, wie erfreut ist Eduard, als er das wunderbarste Zusammentreffen bemerkt!

Der Tag, das Jahr jener Baumpflanzung ist zugleich der Tag, das Jahr von Ottiliens Geburt.

Endlich leuchtete Eduarden der sehnlich erwartete Morgen, und nach und nach stellten viele Gäste sich ein; denn man hatte die Einladungen weit umhergeschickt, und manche, die das Legen des Grundsteins versäumt hatten, wovon man soviel Artiges erzählte, wollten diese zweite Feierlichkeit um so weniger verfehlen.

Vor Tafel erschienen die Zimmerleute mit Musik im Schloßhofe, ihren reichen Kranz tragend, der aus vielen stufenweise übereinander schwankenden Laub- und Blumenreifen zusammengesetzt war.

Sie sprachen ihren Gruß und erbaten sich zur gewöhnlichen Ausschmückung seidene Tücher und Bänder von dem schönen Geschlecht.

Indes die Herrschaft speiste, setzten sie ihren jauchzenden Zug weiter fort, und nachdem sie sich eine Zeitlang im Dorfe aufgehalten und daselbst Frauen und Mädchen gleichfalls um manches Band gebracht, so kamen sie endlich, begleitet und erwartet von einer großen Menge, auf die Höhe, wo das gerichtete Haus stand.

Charlotte hielt nach der Tafel die Gesellschaft einigermaßen zurück.

Sie wollte keinen feierlichen, förmlichen Zug, und man fand Sich daher in einzelnen Partieen, ohne Rang und Ordnung, auf dem Platz gemächlich ein.

Charlotte zögerte mit Ottilien und machte dadurch die Sache nicht besser; denn weil Ottilie wirklich die letzte war, die herantrat, so schien es, als wenn Trompeten und Pauken nur auf sie gewartet hätten, als wenn die Feierlichkeit bei ihrer Ankunft nun gleich beginnen müßte.

Dem Hause das rohe Ansehn zu nehmen, hatte man es mit grünem Reisig und Blumen, nach Angabe des Hauptmanns, architektonisch ausgeschmückt; allein ohne dessen Mitwissen hatte Eduard den Architekten veranlaßt, in dem Gesims das Datum mit Blumen zu bezeichnen.

Das mochte noch hingehen; allein zeitig genug langte der Hauptmann an, um zu verhindern, daß nicht auch der Name Ottiliens im Giebelfelde glänzte.

Er wußte dieses Beginnen auf eine geschickte Weise abzulehnen und die schon fertigen Blumenbuchstaben beiseitezubringen.

Der Kranz war aufgesteckt und weit umher in der Gegend sichtbar.

Bunt flatterten die Bänder und Tücher in der Luft, und eine kurze Rede verscholl zum größten Teil im Winde.

Die Feierlichkeit war zu Ende, der Tanz auf dem geebneten und mit Lauben umkreiseten Platze vor dem Gebäude sollte nun angehen.

Ein schmucker Zimmergeselle führte Eduarden ein flinkes Bauermädchen zu und forderte Ottilien auf, welche danebenstand.

Die beiden Paare fanden sogleich ihre Nachfolger, und bald genug wechselte Eduard, indem er Ottilien ergriff und mit ihr die Runde machte.

Die jüngere Gesellschaft mischte sich fröhlich in den Tanz des Volks, indes die Ältern beobachteten.

Sodann, ehe man sich auf den Spaziergängen zerstreute, ward abgeredet, daß man sich mit Untergang der Sonne bei den Platanen wieder versammeln wollte.

Eduard fand sich zuerst ein, ordnete alles und nahm Abrede mit dem Kammerdiener, der auf der andern Seite in Gesellschaft des Feuerwerkers die Lusterscheinungen zu besorgen hatte.

Der Hauptmann bemerkte die dazu getroffenen Vorrichtungen nicht mit Vergnügen; er wollte wegen des zu erwartenden Andrangs der Zuschauer mit Eduard sprechen, als ihn derselbe etwas hastig bat, er möge ihm diesen Teil der Feierlichkeit doch allein überlassen.

Schon hatte sich das Volk auf die oberwärts abgestochenen und vom Rasen entblößten Dämme gedrängt, wo das Erdreich uneben und unsicher war.

Die Sonne ging unter, die Dämmerung trat ein, und in Erwartung größerer Dunkelheit wurde die Gesellschaft unter den Platanen mit Erfrischungen bedient.

Man fand den Ort unvergleichlich und freute sich in Gedanken, künftig von hier die Aussicht auf einen weiten und so mannigfaltig begrenzten See zu genießen.

Ein ruhiger Abend, eine vollkommene Windstille versprachen das nächtliche Fest zu begünstigen, als auf einmal ein entsetzliches Geschrei entstand.

Große Schollen hatten sich vom Damme losgetrennt, man sah mehrere Menschen ins Wasser stürzen.

Das Erdreich hatte nachgegeben unter dem Drängen und Treten der immer zunehmenden Menge.

Jeder wollte den besten Platz haben, und nun konnte niemand vorwärts noch zurück.

Jedermann sprang auf und hinzu, mehr um zu schauen als zu tun; denn was war da zu tun, wo niemand hinreichen konnte.

Nebst einigen Entschlossenen eilte der Hauptmann herbei, trieb sogleich die Menge von dem Damm herunter nach den Ufern, um den Hülfreichen freie Hand zu geben, welche die Versinkenden herauszuziehen suchten.

Schon waren alle teils durch eignes, teils durch fremdes Bestreben wieder auf dem Trochnen, bis auf einen Knaben, der durch allzu ängstliches Bemühen, statt sich dem Damm zu nähern, sich davon entfernt hatte.

Die Kräfte schienen ihn zu verlassen, nur einigemal kam noch eine Hand, ein Fuß in die Höhe.

Unglücklicherweise war der Kahn auf der andern Seite, mit Feuerwerk gefüllt, nur langsam konnte man ihn ausladen, und die Hülfe verzögerte sich.

Des Hauptmanns Entschluß war gefaßt, er warf die Oberkleider weg, aller Augen richteten sich auf ihn, und seine tüchtige, kräftige Gestalt flößte jedermann Zutrauen ein; aber ein Schrei der Überraschung drang aus der Menge hervor, als er sich ins Wasser stürzte, jedes Auge begleitete ihn, der als geschickter Schwimmer den Knaben bald erreichte und ihn, jedoch für tot, an den Damm brachte.