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Drei Maenner.doc
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Vergiß nicht, wenn Du im Wald bist, acht- bis zehnmal tief Atem zu holen. Nicht öfter. Sonst kriegt man Kopfschmerzen. Und was soll das.

Mir geht es ganz ausgezeichnet. Ich singe viel. In der Küche. Wenn ich esse, steht Deine Fotografie auf dem Tisch. Denn allein schmeckt's mir nicht. Hab ich recht? Hoffentlich kommt morgen ein Brief von Dir. Wo Du ausführlich schreibst. Vorläufig versteh ich nämlich manches noch nicht. Vielleicht bin ich mit der Zeit ein bißchen dumm geworden. Durch die Arterienverkalkung.

Wieso hast Du zum Beispiel drei kleine Katzen im Zimmer? Und wieso hast Du zwei Zimmer und ein extra Bad? Und was soll das mit dem Ziegelstein? Das ist mir völlig unklar, mein lieber Junge.

Herr Franke sagt, hoffentlich wäre es wirklich ein Hotel. Und nicht etwa ein Irrenhaus. Er ist ein schrecklicher Mensch. Hat denn der andere Preisträger auch so viele Räumlichkeiten und Katzen und einen Ziegelstein?

Der Roman in der Zeitung ist diesmal sehr spannend. Viel besser als der letzte. Besonders seit gestern. Herr Franke und ich sind ganz verschiedener Ansicht, wie die Geschichte weitergehen wird. Er versteht nichts von Romanen. Das wissen wir ja nun schon.

Und dann: mach keine Dummheiten! Ich meine Ausflüge auf gefährliche Berggipfel. Gibt es in Brückbeuren Lawinen? Dann sieh Dich besonders vor! Sie fangen ganz harmlos an, und plötzlich sind sie groß. Ausweichen hat dann keinen Zweck mehr.

Passe, bitte, gut auf! Ja? Auch mit den weiblichen Personen im Hotel. Entweder ist es nichts Genaues oder in festen Händen. Daß nicht wieder so ein Krach wird wie damals in der Schweiz. Da sitzt Du dann wieder da mit dem dicken Kopf. Sei so lieb. Sonst hab ich keine Ruhe.

Ich schreibe wieder einmal einen Brief, der nicht alle wird. Also Schluß! Antworte auf meine Fragen. Du vergißt es oft. Und nun zum Bahnhof.

Bleibe gesund und munter! Kein Tag, der vorüber ist, kommt wieder. Und benimm Dich! Du bist manchmal wirklich frech. Viele Grüße und Küsse von

Deiner Dich über alles liebenden

Mutter.«

Nach dem Lunch saßen die drei Männer auf der Terrasse, und Doktor Hagedorn zeigte seine gesammelten Werke. Schulze betrachtete sie eingehend. Er fand sie sehr gelungen, und sie unterhielten sich lebhaft darüber. Herr Kesselhuth rauchte eine dicke schwarze Zigarre, schenkte allen Kaffee ein und sonnte sich in jeder Beziehung. Schließlich meinte er: »Also, heute abend schicke ich das Paket an Geheimrat Tobler.«

»Und vergessen Sie, bitte, nicht, bei ihm anzufragen, ob er auch für Herrn Schulze einen Posten hat«, bat Hagedorn. »Es ist dir doch recht, Eduard?«

Schulze nickte. »Gewiß, mein Junge. Der olle Tobler soll sich mal anstrengen und was für uns beide tun.«

Kesselhuth nahm die Arbeiten an sich. »Ich werde nichts unversucht lassen, meine Herren.«

»Und er soll die Sachen, bitte, bestimmt zurückgeben«, erklärte der junge Mann. »Meine Mutter ist diesbezüglich sehr streng.«

»Selbstverständlich«, sagte Schulze, obwohl ihn das ja eigentlich gar nichts anging.

Kesselhuth zerdrückte den Rest seiner Zigarre im Aschenbecher, erhob sich ächzend, murmelte einiges und ging traurig davon. Denn im Rahmen der Hoteltür stand der Graswander Toni und hatte zwei Paar Schneeschuhe auf der Schulter. Die dritte Lehrstunde nahte. Das Geheimnis des Stemmbogens sollte enträtselt werden.

Eduard und Fritz brachen etwas später auf. Sie planten einen Spaziergang. Zunächst statteten sie jedoch ihrem Schneemann einen kurzen Besuch ab. Der Ärmste taute. »Kasimir weint«, behauptete Hagedorn. »Das weiche Gemüt, Eduard, hat er von dir.«

»Er weint nicht«, widersprach Schulze. »Er macht eine Abmagerungskur.«

»Wenn wir Geld hätten«, meinte Hagedorn, »könnten wir ihm einen großen Sonnenschirm schenken, in den Boden stecken und über ihm aufspannen. Ohne Schirm wird er zugrunde gehen.«

»Mit dem Geld ist das so eine Sache«, meinte Schulze. »Auch wenn wir welches hätten, — spätestens Anfang März stünde hier nur noch ein Schirm herum, und Kasimir wäre verschwunden. Die Vorteile des Reichtums halten sich sehr in Grenzen.«

»Du sprichst, als ob du früher ein Bankkonto gehabt hättest«, sagte Hagedorn und lachte gutmütig. »Meine Mutter behauptet, Besitz sei häufig nichts anderes als ein Geschenk der Vorsehung an diejenigen, die im übrigen schlecht weggekommen sind.«

»Das wäre allzu gerecht«, erklärte Schulze. »Und allzu einfach.«

Dann wanderten sie, in beträchtliche Gespräche vertieft, nach Schloß Kerms hinaus, sahen den Bauern beim Eisschießen zu, folgten quellwärts einem zugefrorenen Gebirgsbach, mußten steil bergan klettern, glitten aus, schimpften, lachten, atmeten schwer, schwiegen, kamen durch weiße Wälder und entfernten sich mit jedem Schritt mehr von allem, was an den letzten Schöpfungstag erinnert.

Schließlich war die Welt zu Ende. Es gab keinen Ausweg. Hohe Felswände behoben den letzten Zweifel. Dahinter befand sich, sozusagen offensichtlich, das leere Nichts.

Und von einem dieser Felsen stürzte ein Wasserfall herab. Nein, er stürzte nicht. Der Frost hatte ihn mit beiden Armen im Sturz aufgehalten. Er war vor Schreck erstarrt. Das Wasser hatte sich in Kristall verwandelt.

»Im Baedeker vergleicht man diesen Wasserfall mit einem Kronleuchter«, bemerkte Hagedorn.

Schulze setzte sich auf eine eisgekühlte Baumwurzel und sagte: »Ein Glück, daß die Natur nicht lesen kann!«

Nach dem Kaffeetrinken ging Hagedorn auf sein Zimmer. Schulze versprach bald nachzukommen. Wegen der kleinen Katzen und wegen eines großen Kognaks. Aber als er aus dem Lesesaal trat und auf die Treppe zusteuerte, wurde er von Onkel Folter gestört. »Sie sehen aus, als ob Sie sich langweilten«, meinte der Portier.

»Machen Sie sich meinetwegen kein Kopfzerbrechen!« bat Schulze. »Ich langweile mich niemals.« Er wollte gehen.

Onkel Folter tippte ihm auf die Schulter. »Hier ist eine Liste! Den Rucksack bekommen Sie in der Küche.«

»Ich brauche keinen Rucksack«, meinte Schulze.

»Sagen Sie das nicht!« erklärte der Portier und lächelte grimmig. »Das Kind der Botenfrau hat die Masern.«

»Gute Besserung! Aber was hat das arme Kind in dem Rucksack zu suchen, den ich in der Küche holen soll?«

Der Portier schwieg und legte Briefe und Zeitungen in verschiedene Schlüsselfächer.

Schulze betrachtete die Liste, die vor ihm lag, und las staunend:

»100 Karten Wolkenstein-Panorama à 15

2, Tuben Gummiarabikum

1 Rolle dunkelrote Nähseide

50 Briefmarken à 25

3 Dutzendpackungen Rasierklingen

2 Meter schmales weißes Gummiband

5 Riegel Wasserglasseife

1 Packung Pyramidon, große Tabl.

1 Flasche Füllfedertinte

1 Paar Sockenhalter, schwarz

1 Paar Schuhspanner, Größe 37

1 Tüte Pfefferminztee

1 Stahlbürste für Wildlederschuhe

3 Schachteln Mentholdragees

1 Hundeleine, grün, Lack

4 Uhrreparaturen abholen

1 Dutzend Schneebrillen

1 kl. Flasche Birkenwasser

1 Aluminiumbrotkapsel für Touren.«

Die Liste war keineswegs zu Ende. Aber Schulze hatte fürs erste genug. Er sah erschöpft hoch, lachte und sagte: »Ach, so ist das gemeint!«

Der Portier legte einige Geldscheine auf den Tisch. »Schreiben Sie hinter jeden Posten den Preis. Am Abend rechnen wir ab.«

Schulze steckte die Liste und das Geld ein. »Wo soll ich das Zeug holen?«

»Im Dorf«, befahl Onkel Polter. »In der Apotheke, beim Friseur, auf der Post, beim Uhrmacher, in der Drogerie, beim Kurzwarenhändler, im Schreibwarengeschäft. Beeilen Sie sich!«

Der andere zündete sich eine Zigarre an und sagte, während er sie in Zug brachte: »Ich hoffe, es hier noch weit zu bringen. Daß ich jemals Botenfrau würde, hätte ich noch vor einer Woche für ausgeschlossen gehalten.« Er nickte dem Portier freundlich zu. »Hoffentlich bilden Sie sich nicht ein, daß Sie mich auf diese Weise vor der Zeit aus Ihrem Hotel hinausgraulen.«

Onkel Folter antwortete nicht.

»Darf man schon wissen, was Sie morgen mit mir vorhaben?« fragte Schulze. »Wenn es Ihnen recht ist – ich möchte für mein Leben gern einmal Schornstein fegen! Wäre es Ihnen möglich zu veranlassen, daß der Schornsteinfeger morgen Zahnschmerzen kriegt?« Er ging strahlend seiner Wege.

Onkel Folter nagte über eine Stunde an der Unterlippe. Später fand er keine Zeit mehr dazu. Die Gäste kehrten in Scharen von den Skiwiesen und von Ausflügen heim.

Schließlich kam sogar der Hoteldirektor Kühne nach Hause. »Was ist denn mit Ihnen los?« fragte er besorgt. »Haben Sie die Gelbsucht?«

»Noch nicht«, sagte der Portier. »Aber es kann noch werden. Dieser Schulze benimmt sich unmöglich. Er wird immer unverschämter.«

»Streikt er?« fragte Karl der Kühne.

»Im Gegenteil«, meinte der Portier. »Es macht ihm Spaß!«

Der Direktor öffnete wortlos den Mund.

»Morgen möchte er Schornstein fegen!« berichtete Folter. »Es sei ein alter Traum von ihm.«

Karl der Kühne sagte: »Einfach tierisch!« und ließ Herrn Folter in trübe Gedanken versunken zurück.

Geheimrat Tobler alias Herr Schulze brauchte zwei Stunden, bis er, von der Last des Rucksacks gebeugt, ins Hotel zurückkehrte. Er hatte sich übrigens nie so gut unterhalten wie während dieser von seltsamen Einkäufen ausgefüllten Zeit. Der Uhrmacher hatte ihn beispielsweise über die politische Lage in Ostasien weitestgehend aufgeklärt, und über die wachsende wirtschaftliche Einflußnahme Japans auf dem Weltmarkt. Der Provisor in der Apotheke hatte die Homöopathie verteidigt und ihn für einen der nächsten Abende zu einem Viertel Roten in die Dorfschenke eingeladen. Das blonde Ladenfräulein beim Friseur hatte ihn für den Ehemann der Botenfrau gehalten. Und der Drogist hatte ihm, im Flüsterton, bei künftigen größeren Einkäufen Prozente in Aussicht gestellt.

Er lud den Rucksack in der Hotelküche ab und begab sich in den fünften Stock, um die Abrechnung für den Portier fertigzumachen. Er öffnete die Tür zu seinem Zimmer und mußte feststellen, daß er Besuch hatte! Ein fremder, gutgekleideter Herr lag, mit dem Kopf vorneweg, unter dem Waschtisch, hämmerte emsig und hatte anscheinend keine Ahnung, daß er nicht mehr allein war. Jetzt begann er sogar zu pfeifen. »Sie wünschen?« fragte Schulze laut und streng.

Der Eindringling fuhr hoch, stieß mit dem Hinterkopf gegen die Tischkante und kam, rückwärts kriechend, ans Tageslicht.

Es war Herr Kesselhuth! Er hockte auf dem Fußboden und machte ein schuldbewußtes Gesicht.

»Sie sind wohl nicht bei Tröste!« sagte Schulze. »Stehen Sie gefälligst auf!«

Kesselhuth erhob sich und klopfte seine Beinkleider sauber. Mit der Hand, die übrigblieb, massierte er den Hinterkopf.

»Was haben Sie unter meinem Waschtisch zu suchen?« fragte Schulze energisch.

Der andere wies auf einen großen Karton, der auf dem Stuhl lag. »Es ist wegen der Steckdose, Herr Geheimrat«, sagte er verlegen. »Die war nicht ganz in Ordnung.«

»Ich brauche keine Steckdosen!«

»Doch, Herr Geheimrat«, antwortete Johann und öffnete den Karton. Es kam eine nickelglänzende elektrische Heizsonne zum Vorschein. »Sie erkälten sich sonst zu Tode.« Er stellte das Gerät auf den Tisch, kroch erneut unter den Waschtisch, fügte den Stecker in den Kontakt, kam wieder hervor und wartete gespannt.

Allmählich begann das Drahtgitter zu erglühen, erst rosa, dann rot; und schon spürten sie, wie sich die eisige Dachkammer mit sanfter Wärme füllte. »Das Wasser in der Waschschüssel taut auf«, sagte Johann und schaute selig zu seinem Gebieter hinüber.

Tobler empfand diesen Blick, aber er erwiderte ihn nicht.

»Und hier ist ein Kistchen Zigarren«, erklärte Kesselhuth schüchtern. »Ein paar Blumen habe ich auch besorgt.«

»Nun aber nichts wie raus!« meinte der Geheimrat. »Sie hätten Weihnachtsmann werden sollen!«

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