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Fleischer-Darstellungsarten.doc
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6.3.3. Die Darstellungsarten im einzelnen

Im folgenden soll versucht werden, die oben abgeleiteten Grundtypen der Dar Stellung im einzelnen zu charakterisieren. Naturgemäß bleiben in diesem Rahmen spezielle didaktisch-methodische Fragen - wie etwa die Aufstellung von speziellen Übungsformen für die systematische, nach Altersstufen gestaffelte Entwicklung von sprachlichen Fähigkeiten - unberücksichtigt. Aber auch Unterschiede, die sich aus der unterschiedlichen Kommunikationsform - der mündlichen oder schritt liehen Kommunikation - ergeben, scheiden in den folgenden Darlegungen aus. Da es hier darauf ankommt, die Darstellungsarten im engeren Sinne zu erfassen, werden auch Hinweise auf die praktische Gestaltung von Darstellensaufgaben, in denen vor allem auch der kommunikative Aspekt berücksichtigt wird, nur gele­gentlich einfließen.

6.3.3.1. Beschreiben

Das Beschreiben haben wir allgemein als informatives Darstellen von Gegenständen und Zuständen bestimmt. Der objektive Grundtyp zielt auf die sachgerichtete In­formation des Empfängers; dabei tritt die persönliche Anteilnahme des Verfassers zurück. Jede Interpretation oder Meinung müßte bei diesem Typ des Beschreibens, bei dem es lediglich um die Übermittlung von Fakten eines Sachverhalts geht, als unzweckmäßige Redundanz betrachtet werden. Als wichtigstes Kennzeichen des Beschreibens darf die planmäßige und systematische Erfassung und sprachliche Fixierung von Merkmalen (äußere Beschaffenheit, Funktionsweise, innere Zusam­menhänge u. a.) der genannten Sachverhalte gelten. Auf Grund einer gegebenen kommunikativen Situation und seiner Intention wählt der Verfasser bestimmte Merkmale von Sachverhalten aus, bezeichnet sie und verleiht ihnen durch ihren Stellenwert in der Gesamtdarstellung des Sachverhalts ein bestimmtes Gewicht. Zu diesem Zweck gliedert der Sender das zu beschreibende Objekt in seine Teile und macht dem Leser die Einzelteile in ihrer Form, Beschaffenheit und Funktion vorstellbar; exakte Angaben über Größen-, Form- und Lagebeziehungen der Ein­zelteile sind daher ebenso wie genaue Bezeichnungen für die zu beschreibenden

134 Auf die Darstellung eines analogen Schemas der Darstellensarten wird hier ver­zichtet.

Teile von großer Bedeutung. Jedes Beschreiben „erklärt" in diesem Sinne und läßt sich metaphorisch als „Zeichnen mit sprachlichen Mitteln" umschreiben.

Objektive Tierbeschreibung:

Der Uhu

„Zu den Ohreulen gehört unsere größte Eulenart, der riesige Uhu (Bubo bubo), der in etwa 15 Rassen über die Paläarktische Region ... verbreitet und in Süd­china bis in tropisches Gebiet vorgedrungen ist. Seine Länge beträgt einschließ­lich des 25-28 cm langen Schwanzes 63-77 cm, das Gewicht 2-2 V2 kg. Das sehr reiche und dichte Gefieder ist auf der Oberseite dunkel rostgelb und schwarz geflammt, an der Kehle gelblichweiß, auf der Unterseite rostgelb, schwarz in die Länge gestreift; die waagrecht abstehenden Federohren sind schwarz, auf der inneren Seite gelb eingefaßt, die Schwung- und Schwanzfedern mit braunen und gelblichen, dunkler gewässerten Punkten abwechselnd gezeichnet. Eigentlich wechseln im Gefieder nur zwei Farben miteinander ab, ein mehr oder weniger lebhaftes Rötlichgrau und Schwarz. Jede Feder ist schwarz geschaftet und ebenso in die Quere gestreift, gewellt und zugespitzt. Auf der oberen Seite treten die dunkleren Spitzen besonders hervor, auf der Unterseite, und zwar hauptsächlich auf der Brust, die Schaftstriche, am Bauche hingegen machen sich wieder die Querstreifen geltend..." (Brehms Tierleben in 4 Bdn., Bd. 3: Vögel.)

Objektive Gegenstandsbeschreibung:

Amphibien-Propellerschlitten

„Das Boot ist nach den Konstruktionsprinzipien des Flugzeugbaus gestaltet. Der tragende, kraftaufnehmende Verband ist in einer Spant- und Stringerbauweise als versteifte Schale konstruiert. Als hauptsächlicher Werkstoff wurde Dur­aluminium verwendet. In seinem grundsätzlichen Aufbau ist es einer Boots­konstruktion ähnlich. Durch diese Bauweise erreicht das Boot bei minimalem Gewicht ein Höchstmaß an Festigkeit und Steifigkeit. Der durch Längsrippen verstärkte Gleitboden bildet mit dem vorderen und dem hinteren Hauptspant

sowie den Aufbauten eine Einheit. Im Vorderteil des Bootes, vor dem Haupt­spant, befindet sich der vordere Gepäckraum, der nur von außen über eine Gepäckluke erreichbar ist. Zwischen den beiden Spanten liegt die heizbare Kabine für die Besatzung und die Fahrgäste beziehungsweise für die zu beför­dernde Fracht. Die Kabine ist isoliert und ähnlich wie ein Pkw ausgekleidet. Der vordere Teil der Kabine wird durch die Sitzbank für die Fahrer und einen Begleiter ausgefüllt. Der hintere Teil ist für Frachtbeladung oder für eine weitere Sitzbank vorgesehen. Am Arbeitsplatz des Fahrers ist die Steuersäule, eine Instrumententafel mit den notwendigen Instrumenten, ein zentrales Bedienpult für das Triebwerk sowie für dessen Kraftstoff- und Luftsystem. In seinem Aufbau erinnert er an das Kockpit eines Kleinflugzeuges." (Deutscher Motorkalender 1968, Berlin 1967, S. 93.)

Beim Beschreiben folgt der Verfasser einem Ordnungsprinzip, das sich aus der konkreten kommunikativen Situation, dem Gegenstand und der jeweiligen Mit-

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teilungsabsicht ergibt. Vor allem die Struktur des statischen Objekts, d. h die Menge seiner Elemente und die Beziehungen, in denen diese Elemente funktional und logisch zueinander stehen, bestimmt wesentlich den logisch-systematischen Aufbau der Beschreibung. Dabei kann der Verfasser zunächst relevante Merkmale des ganzen Objekts beschreiben (Form, Farbe, Größe, Funktion), um sich dann den Einzelteilen zuzuwenden, oder er geht von den Teilen aus und fügt sie so zusammen, daß ein anschauliches Bild vom Ganzen des beschriebenen Gegenstandes entsteht, oder aber - und das darf als besonderer Kunstgriff des Beschreibens gelten - der Verfasser löst das Nebeneinander der Einzelteile oder Elemente von Gegenständen und Zuständen in ein Nacheinander auf und läßt den Empfänger durch die Beschrei- bung der Herstellung oder der Funktion der Einzelteile das Ganze erfassen. In jedem Fall bleibt wesentlich, daß der Verfasser das einmal gewählte logisch-syste- matisierende Ordnungsprinzip einhält.

Die sprachlichen Merkmale einer Gegenstandsbeschreibung entsprechen den oben genannten Wesensmerkmalen dieser Darstellungsart. Auffallend ist vor allem der hohe Anteil von Adjektiven (8-12% des gesamten Wortbestandes von Beschrei- bungen gegenüber 1-3% bei der Vorgangsdarstellung).135 Aber auch die Sub- stantive spielen naturgemäß bei der Merkmalerfassung von Gegenständen und Zuständen eine große Rolle; dabei fallen vor allem Fachausdrücke - die der Exakt- heit der Darstellung dienen - besonders ins Gewicht. Bildhafte Vergleiche können die Anschaulichkeit der Darstellung wesentlich erhöhen. Auch Maßangaben sind in beschreibenden Texten von Bedeutung, ebenso verschiedene sprachliche Elemente die in ihrem Zusammenwirken Lagebeziehungen wiedergeben. Die fast durchgehende Verwendung des Präsens unterstreicht die Allgemeingültigkeit der Aussagen; seltene Abweichungen (Gebrauch des Präteritums) machen deutlich, daß bestimmte Merkmale zum Zeitpunkt der Fixierung des Textes nicht mehr vorhanden oder gültig sind. - Der Stilzug der relativen Kürze zeigt sich vor allem im Dominieren von Einfachsätzen und kurzen, überschaubaren Satzgefügen aber auch attributive Fügungen erfüllen oft die gleiche Funktion: ein Maximum an Information mit einem Minimum an sprachlichen Mitteln wiederzugeben. Bei der Beschreibung komplizierter, schwer überschaubarer Gegenstände empfiehl! es sich, die sprachliche Darstellung durch außersprachliche Mittel (Skizze, Foto) zu ergänzen, um einen möglichst hohen Grad von Anschaulichkeit zu erreichen Dadurch können dann bestimmte Angaben (z. B. Lagebezeichnungen) im Text aus­gespart werden.

Häufig reicht die bloße Faktenübermittlung nicht aus, um dem Zweck einer kon­kreten Kommunikationsaufgabe gerecht zu werden. Dann wird die Objektbeschrei­bung im engeren Sinne, die sachgerichtete Information, durch kommentierende Textelemente ergänzt. Damit treten auch andere Stilzüge stärker hervor, ohne daß jedoch der Grundcharakter der informativen Darstellung verlorengeht. Die Be­schreibung ist dann stärker subjektiv geprägt und lockerer gefügt. Die subjek-tive Variante dieser Darstellungsart begegnet uns bei der Beschreibung von Land-

135 Diese und die folgenden statistischen Angaben wurden Studentenarbeiten zur sprach­lichen Charakterisierung der Darstellungsarten entnommen.

schaften oder Kunstgegenständen, vor allem aber bei der Gestaltung von Texten im Bereich der Werbung (wobei auch wertende Elemente von Bedeutung sind).

Subjektive Variante der Gegenstandsbeschreibung:

Die Pentina

„Eine Kamera, die aus dem Rahmen fällt, ist die Pentina. Sie durchbricht zu­gunsten einer betont modernen Formgebung die konventionelle Bauweise der Spiegelreflex. Sie verbirgt geschickt in ihrem Inneren alle für eine solche Kamera typischen Merkmale, wie den Prismensucher usw. Vier Wechselobjektive stehen in einer sinnvollen Brennweitenabstufung zur Verfügung. Besonders bemerkens­wert aber ist die Ausstattung der Kamera mit einem Hochleistungszentralver­schluß, der nun einmal den Vorzug genießt, das „Blitzen" uneingeschränkt zuzu­lassen. Und eine Belichtungsautomatik befreit Sie von der bangen Sorge um die richtige Belichtungszeit." (Fotografie 1965/6, S.235).

Auch Vorgänge können „beschrieben" werden, wenn wir der überkommenen Terminologie folgen wollen. Dabei handelt es sich allerdings nur um jene Prozesse, die das Merkmal der Wiederholbarkeit aufweisen.

Hei dieser Form der informativen Textgestaltung werden die gleichen Stilzüge wie bei der objektiven Gegenstandsbeschreibung wirksam. Aber die Merkmal-erfassung und sprachliche Fixierung bezieht sich jetzt auf die anschauliche und exakte Wiedergabe der verschiedenen Phasen eines Prozesses, und damit ist das Aufbauprinzip nicht logisch systematisierend, sondern - wie auch beim Bericht -chronologisch.

Vorgangsbeschreibung:

Entleeren des Staubbehälters

„Die an der Saugseite angeschlossenen Rohre werden gelöst, der Staubsauger mit dem Behälter nach unten aufgestellt und beide Verschlüsse geöffnet. Dabei wird der Verschluß an der Unterseite des Saugers mit der Hand in Richtung des Staubbehälters gekippt und aus dem Nocken ausgehängt. Der zweite Verschluß im Vorderteil des Griffes wird ebenfalls in Richtung Staubbehälter herausge­klappt. Dann ist das Motorteil vom Staubbehälter abnehmbar. Nun wird mit einer Hand der Staubfilterring aus Gummi auf dem Staubbehälter festgehalten und mit der anderen Hand das Staubfilter aus Stoff im Behälter um­gestülpt und durch kräftiges Schütteln gereinigt. Die innere, am Ansaugstutzen angebrachte Ventilklappe verhindert hierbei ein Herausschleudern des Staubes. Danach wird das Filter abgenommen, und der Staubbehälter wird ausgeschüttet." (Aus der Gebrauchsanweisung für einen Staubsauger.)

Die Vorgangsbeschreibung weist dem Bericht gegenüber wesentliche Unterschiede auf. Beim Beschreiben von Vorgängen, etwa einer Bedienungsanleitung für ein bestimmtes Gerät, müssen die zu vermittelnden Informationen so ausgewählt und geordnet werden, daß jeder potentielle Empfänger (unter der Voraussetzung be­stimmter Vorkenntnisse) dieses Gerät bedienen kann. Das hat zur Folge, daß vor allem - und fast ausschließlich - Typisches, Wiederholbares vermittelt wird. Damit

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dürfen wir das Streben nach Allgemeingültigkeit der Aussage als ein wesentliche Merkmal der Vorgangsbeschreibung ansehen. Alles Zufällige und Besondere wird daher bei dieser Form der Beschreibung ausgespart. Für den Bericht ist dagegen die Konzentration auf die wesentlichen Besonderheiten eines Vorgangs entscheidend das Streben nach Spezifizierung der zu übermittelnden Informationen ist relevant. Besondere lokale und temporale Angaben in ihrer Einmaligkeit sind daher für den Bericht unentbehrlich (vgl. 6.3.2.).

Die Vorgangsbeschreibung steht auch sprachlich zwischen der Gegenstands beschreibung und dem Bericht. Mit der Beschreibung von Gegenständen hat sie die Exaktheit und Wissenschaftlichkeit der Darstellung gemein, die sich u. a. in einem stark differenzierten, fachspezifischen Wortschatz niederschlägt. Diese Fachausdrücke sind - im Gegensatz zur Gegenstandsbeschreibung - vor allem Verben, doch gehören natürlich auch Substantive und Adjektive hierher. Auffallend ist überhaupt der relativ hohe Prozentsatz an Verben (11-15%), wodurch die Vorgangsbeschreibung fast die Durchschnittswerte des Berichts und der Erzählung erreicht, während die Gegenstandsbeschreibung nur gelegentlich die 6%-Gren/c überschreitet. Das Präsens (vor allem in generalisierender Funktion) ist auch bei der Vorgangsbeschreibung das weithin dominierende Tempus; dagegen wird der Bericht wesentlich durch das Präteritum geprägt. Den objektiven Charakter der Darstellung können unpersönliche Wendungen mit man und Passivkonstruktionen zusätzlich kennzeichnen. Relative Kürze kommt auch in der Vorgangsbeschreibung durch komprimierte Darstellung - vor allem durch einfache, überschaubare Sätze und Satzgefüge - zustande. Aus dem Streben nach Allgemeingültigkeit schließlich läßt sich das Fehlen spezialisierender Temporal- und Lokalangaben ableiten. Gegenstands- und Vorgangsbeschreibungen sind als selbständige Texte in ver­schiedenen Bereichen der Kommunikation von großer praktischer Bedeutung. In der Sphäre der gesellschaftlichen Produktion begegnen beschreibende Texte bei der Fertigungsvorbereitung, bei Verbesserungsvorschlägen, bei .Belehrungen für den Umgang mit bestimmten Maschinen und Geräten und bei der Werbung für be­stimmte Erzeugnisse, um nur einige Beispiele zu nennen. Aber auch im politischen und kulturellen Leben, im Bildungswesen, im öffentlichen Verkehr und - nicht zu­letzt - auch im Alltagsverkehr sind Gegenstands- und Vorgangsbeschreibungen wichtige und daher relativ häufig frequentierte Texttypen. Gelegentlich findet man auch Texte, die als Kombination von Gegenstands- und Vorgangsbeschreibung zu interpretieren sind. Kaum überschaubar aber ist die Menge der Texte, in denen die beschreibenden Darstellungsarten als Basis für Texte anderen Charakters Verwendung finden. In Erzählungen, Berichten, Erörterungen, aber auch in Texten der sogenannten komplexen Darstellungsarten136 sind häufig beschreibende Elemente als wesentliche Bestandteile integriert (vgl. 6.2.1.4.).

136 Genauer: Komplexe Anwendung der Darstellungsarten zur Lösung bestimmter kom­munikativer Aufgaben, Vgl. dazu u. a. Friedrich, B., u. G. Schreinert: Zur Einführung des neuen Lehrplans für die Klasse 10 im Fach Deutsche Sprache und Literatur (II) Deutschunterricht 2 (1971), S. 69ff. - Ferner: Sprache und Praxis, a. a. O., S. 317 ff. Bei diesen „komplexen Darstellungsarten" werden mit Notwendigkeit Elemente verschiedener Darstellungsarten miteinander kombiniert, um optimale kommuni­kative Effekte zu erzielen.

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6.3.3.2. Berichten

Das Berichten ist ein Verfahren, das der informativen Vorgangsdarstellung dient und - wenigstens in den Grundtypen - objektiv geprägt ist. Daher scheiden auch hier - wie beim Beschreiben - kommentierende Elemente weitgehend aus. Wir haben schon darauf verwiesen, daß das Erfassen des Besonderen, des Einmaligen eines Vorgangs als Wesensmerkmal des Berichtens anzusehen ist. Diese Tendenz zur Spezifizierung der Information verlangt vom Autor - in Abhängigkeit von der jeweiligen kommunikativen Situation - eine Konzentration auf das Berichtenswerte, auf die Auswahl der wesentlichen Einzelmomente aus dem komplexen Geschehen. Zugleich wird das Bemühen deutlich, diese Besonderheiten des Vor­gangs vollständig und lückenlos - unter Hinzuziehung von präzisierenden Lokal- und Temporalbestimmungen - darzustellen. Der Berichterstatter wertet in diesem Sinne vor allem durch die Auswahl und Anordnung der Fakten; das setzt ein hohes Maß an Objektivität und Adäquatheit der Widerspiegelung von Vorgängen voraus. Die Reihung der Fakten folgt im allgemeinen den Phasen des dargestellten Pro­zesses; das Ordnungsprinzip des Berichts ist also - wie das der Vorgangsbeschrei­bung - chronologisch.

Objektiver Bericht:

Ein Verkehrsunfall

„Am Sonnabend, dem 1.11.1971, 7.15 Uhr, befuhr ein Lastzug des VEB Kraft­verkehr Leipzig - polizeiliches Kennzeichen SB 43-25 - die Karl-Liebknecht-Straße stadteinwärts. In Höhe der Kurt-Eisner-Straße kam es zu einem Unfall mit schwerem Personenschaden. Die Ampelanlage an der Kreuzung war nicht in Betrieb. Der Lastzug befuhr die Hauptstraße und hatte daher Vorfahrt. Als sich der Lastzug in Höhe des Fußgängerüberweges befand, sprang die 10jährige Schülerin I. T. aus der Kurt-Eisner-Straße 69 auf die Fahrbahn, um zu ihren auf der anderen Straßenseite wartenden Klassenkameradinnen zu gelangen. Sie wurde von der Stoßstange des Wagens erfaßt und zur Seite geschleudert. Durch das kräftige Abbremsen des Fahrzeugs blockierten die Hinterräder; der Lastzug kam ins Schleudern und der Anhänger stellte sich quer zur Fahrbahn. Der nach­folgende Pkw - SC 19-68 - wurde, da dessen Fahrer den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hatte, von dem schleudernden Anhänger erfaßt und beschädigt. Personen kamen dabei nicht zu Schaden. 7.22 Uhr wurde die verunglückte Schülerin mit einem Rettungswagen ins Kran­kenhaus gebracht. Der Straßenverkehr stadteinwärts wurde 7.45 Uhr wieder freigegeben." (Studentenarbeit nach Informationen der Verkehrspolizei.) Die Auswahl der Einzelelemente aus dem komplexen Geschehen richtet sich vor allem nach dem Zweck des Berichts. Zur Erhellung der Ursachen eines Arbeits­unfalls wurden z. B. im folgenden Bericht an die Sicherheitsinspektion des VEB Kraftverkehr Leipzig bestimmte technische Details aufgenommen, die etwa in einem Pressebericht über das gleiche Ereignis - für den Zweck einer allgemeinen Information der Leser - als redundant ausgespart würden.

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Objektiver Bericht: Arbeitsunfall

„Betrifft: Tödlicher Arbeitsunfall des Kollegen S., MB 15 des VEB Kraftverkehr

Leipzig

Am Vorgang beteiligte Personen: Kollege Werner S., geboren am 1. 11. 1922

wohnhaft in M.

August-Bebel-Straße 6

beschäftigt als Kraftfahrer beim VEB Kraftverkehr Leipzig Kollege Harry Z., geboren am 29. 10. 1930

wohnhaft in W.

Markt 19

beschäftigt als Maurerpolier bei der Firma Ebert, Meuselwitz

Am Vorgang beteiligte Kraftfahrzeuge: S 4000 Z polizeiliches Kennzeichen SG 28-06

  1. Anhänger polizeiliches Kennzeichen SG 40-29

  2. Anhänger polizeiliches Kennzeichen SK 68-76 Zeit des Unfalls: 6. Juli 1967, zwischen 17 und 18 Uhr

Ort des Unfalls: Bahnhofstraße Meuselwitz, vor dem Gelände

der Mafa Meuselwitz

Zeuge des Unfalls: Der Passant V., KOM-Fahrer aus Meuselwitz Zum Unfallvorgang:

Kollege S. fuhr mit einem Lastzug, beladen mit Ziegelsteinen, von Leipzig nach Meuselwitz, um am Neubau der Mafa zu entladen. Kurz nach 17 Uhr kam er an kuppelte die Zugmaschine ab und stellte sie etwa 10 Meter weiter vorn rechte neben der Bordsteinkante der Bahnhofstraße ab. Kollegen der Firma Eben hatten den zweiten Anhänger entladen und stellten fest, daß der Platz zum Schieb ten aller Ziegelsteine nicht ausreichte. Sie baten Kollegen S., die Anhänger ein Stück nach vorn zu ziehen.

Kollege S. bestieg die Zugmaschine und fuhr rückwärts an die Hänger heran Kollege Z. hielt die Gabel des ersten Anhängers in der Hand, um die Fahrzeug einheiten anzukuppeln. Beim Zurückstoßen der Zugmaschine schnappte der Bolzen der Anhängerkupplung in das Gabelauge ein, rutschte aber nicht in die Führung der Anhängerkupplung. Kollege S. stieg aus seinem Fahrzeug aus, um die Ursachen zu ergründen.

Der Luftschlauch zwischen dem Motorwagen und den Anhängern war nicht ver­bunden, so daß die Hänger sich im angebremsten Zustand befanden und das Verschieben der Zuggabel wegen der angebremsten Vorderachse nicht möglich war. Kollege S. löste die Anhängerbremsen; die Bremswirkung setzte sofort aus: die beiden Anhänger rollten etwa vier Meter nach hinten weg, da die Bahnhof­straße leichtes Gefälle aufweist. Die Gabel des ersten Anhängers sprang aus dem Kupplungsmaul und schlug auf die Straße auf. Die Zugmaschine, ihres Widerstan­des beraubt, rollte den Anhängern nach. Kollege S. sah das und wollte den Lasten­regler wieder umstellen. Dabei wurde er zwischen Zugmaschine und Anhänger eingequetscht. Der Passant, Herr V., beobachtete diesen Vorgang, stieg in die

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Zugmaschine und fuhr sie einige Meter nach vorn, um Kollegen S. aus seiner Zwangslage zu befreien. Er konnte jedoch nur noch den Tod des Kollegen S. feststellen. Kollege Z. stand rechts neben der Gabel, bekam einen Schlag vom rechten Hohn an den Kopf, konnte sich ducken und wurde von einem Bauarbeiter nach hinten weggerissen, bevor die Zugmaschine auf die Anhänger prallte. Ursachen des Unfalls:

  1. Kollege S. hatte vor dem Aussteigen aus der Zugmaschine die Handbremse nicht angezogen. Der unveränderte Stand der Maschine war daher nicht garantiert.

  2. Das Laufenlassen des Motors begünstigte infolge der Eigenschwingungen das Wegrollen der Zugmaschine.

  3. Der Kupplungsvorgang wurde nicht sachgemäß durchgeführt. Zwischen den Beteiligten gab es vorher keine Absprache.

  4. Die Anhänger wurden vom Kollegen S. statt mit Vorlageklötzern nur mit Ziegelsteinen gegen das Wegrollen gesichert.

Unterschrift"

(Studentenarbeit nach Informationen des Sicherheitsinspektors des VEB Kraft­verkehr Leipzig.)

Die sprachlichen Kennzeichen des objektiven Grundtyps des Berichts ergeben sich vor allem aus den oben charakterisierten allgemeinen Stilzügen der informativen Darstellung und lassen daher bestimmte Gemeinsamkeiten mit den analogen Merk­malen der Beschreibung erkennen (Häufung von Einfachsätzen und überschaubaren Satzgefügen, Attribuierung von eigentlich selbständigen verbalen Sachverhalts­darstellungen zum Zwecke der Komprimierung der Aussage u. a.). Vor allem aus dem anders gearteten Gegenstandsbezug resultieren dann die sprach­lichen Besonderheiten des Berichts: ein relativ hoher Prozentsatz an Verben (13-17/o), die - allerdings nur zum geringen Teil - auch fachsprachlich geprägt sind; das auffallende Zurücktreten von Adjektiven (0,5-3 %); Lokal- und Tempo­ralbestimmungen, die durch exakte Angaben in unterschiedlicher sprachlicher Form präzisiert werden. Das dominierende Tempus ist beim objektiven Bericht naturgemäß das Präteritum.

Für bestimmte spezielle Aufgaben des Berichtens haben sich in der gesellschaft­lichen Praxis entsprechende Sonderformen durchgesetzt. Von ihnen verdient vor allem das Protokoll mit seiner schematischen, der schnellen Information über eine Versammlung oder Beratung dienenden Gliederung besondere Beachtung. Der Protokollkopf enthält stichwortartige Angaben über die Art der Veranstaltung, Ort und Datum, die Teilnehmer (evtl. Hinweise auf entschuldigt oder unentschul­digt Fehlende), den Versammlungsleiter, den Beginn der Veranstaltung und die Tagesordnung. Im zweiten Teil - dem „eigentlichen" Protokoll - wird dann in klar gegliederter Form eine mehr oder minder ausführliche Wiedergabe des Verlaufs der Veranstaltung gegeben (Verlaufsprotokoll), oder der Protokollant be­schränkt sich auf die Fixierung der Beschlüsse oder Ergebnisse der Veranstaltung (Ergebnisprotokoll). Der Schluß des Protokolls enthält stichwortartige An­gaben über den Zeitpunkt der Beendigung der Veranstaltung und die Unterschrift des Protokollanten (gegebenenfalls auch bestimmter Teilnehmer).

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Andere Arten des Berichtens fordern mit Notwendigkeit die Aufnahme kommen tierender (und damit auch wertender) und argumentierender Elemente und dam i eine Expansion des streng referierenden Teils. Ein Rechenschaftsbericht zum Beispiel soll als Grundlage für die Einschätzung und Verbesserung der Arbeit bestimmter Kollektive dienen; er muß daher auch die Stellungnahme der Bericht erstatter zu den dargestellten Sachverhalten mit der Tendenz der Verallgemeinerung enthalten.

Daraus ergeben sich natürlich auch qualitative Veränderungen des oben erläuterte „objektiven" Grundtyps des Berichtens; je nach dem Zweck des Rechenschaft berichts können sich die Proportionen zwischen referierenden und kommentieren den Teilen verschieben. Damit verbunden ist häufig das Zurücktreten von Detail angaben (Zahlen, Daten) zugunsten von Zusammenfassungen; hinzu kommt, daß die verallgemeinernden Teile vorzugsweise im Präsens abgefaßt sind. Während beim Rechenschaftsbericht und in zahlreichen anderen Formen der Kombination referierender Elemente mit beschreibenden, schildernden, kommentierenden oder argumentierenden Elementen der Grundcharakter des Berichtens gewahrt bleibt, entsteht in der Reportage durch die Verschmelzung von referierenden Bestandteilen mit - auf Wirkung zielenden - subjektiv-emotionalen Elementen ein eigenständiges Genre der Publizistik, das nicht nur informieren sondern auch „unterhalten, ... alarmieren, zum Nachdenken anregen und ideologisch formen" will.137

6.3.3.3. Erzählen

Auch das Erzählen ist informative - nicht impressive! - Vorgangsdarstellung wie das Berichten. Im Gegensatz zu dieser referierenden Darstellungsart aber wird beim Erzählen ein einmaliges Geschehen nicht sachlich-registrierend (gleichsam protokollarisch) erfaßt, sonder subjektiv umgeformt, so daß der in sich geschlos­sene Vorgang vom Empfänger mit- oder nacherlebt werden kann. Das setzt das subjektive Ergriffensein des Erzählers vom Erzählstoff voraus; der sachgerichtete Bericht dagegen kann auch ohne persönliche Anteilnahme des Berichterstatters, unter Umständen sogar widerwillig, wiedergegeben werden. Im Gegensatz zur - gleichfalls auf das Nacherleben des Empfängers zielenden - Reportage fehlt der Erzählung die Dominanz der Sachorientierung. Die Erzählung muß weder als Ganzes noch in ihren Teilen unbedingt objektiv und damit überprüfbar sein; Erzählstoffe sind häufig frei erfunden (Phantasieerzählung) oder weichen in wesent­lichen Teilen von realen Vorgängen ab. Die Aufmerksamkeit des Erzählers richtet sich daher nicht nur auf die bloße Abfolge von Ereignissen, sondern auch auf die Gestaltung von Stimmungen, Gefühlen und Gedanken. In diesem Sinne ist die Erzählung gezielte „emotionale Einwirkung" auf den Empfänger; sie will Menschen seelisch aufschließen, sie erheitern, in Spannung versetzen oder nachdenklich stimmen.

137 Literaturkunde. Beiträge zu Wesen und Formen der Dichtung. Hrsg. v. e. Autoren­kollektiv. Leipzig 31965, S. 112.

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Unter diesem Aspekt wählt der Erzähler den Stoff aus, scheidet Nebensächliches aus, hebt andere Faktoren hervor, die für die beabsichtigte Wirkung von Bedeutung sind. Er reiht diese Ereignisse aber nicht einfach aneinander, sondern verbindet die Einzelheiten nach dem Gesetz der Steigerung so miteinander, daß die Spannung des Empfängers einem Kulminationspunkt zustrebt und - nach möglichen retar­dierenden Momenten - wieder gelöst wird. Der hier skizzierte Aufbau von Er­zählungen - entspannte Grundsituation, Spannungssteigerung, Kulminations­punkt, Lösung der Spannung - darf als wesentliches Merkmal des Erzählens - nicht nur im Bereich der Belletristik - gelten. Auch die Alltagserzählung ist geformte Rede im Sinne einfachster künstlerischer Formen.138

Erzählung:

Das Deputat

„Im Jahre 1946 fand der Gewerkschaftsvorsitzende eines Volkseigenen Gutes in einem Strohschober drei Säcke Getreide. Offenbar hatten die Leute vom Gut, die an der Dreschmaschine arbeiteten, die Säcke für sich beiseitegeschafft. Die Leute lebten noch in der Vorstellung, sie müßten sich, wie früher bei der Gutsherrschaft, für magere Löhne schadlos halten. Der Lohn jener Leute war gewachsen, ihr Bewußtsein noch nicht. Der Gewerkschaftsvorsitzende verständigte den Partei­gruppenvorsitzenden und den Betriebsleiter von seiner unangenehmen Entdek-kung. Die drei Männer wogen das gefundene Getreide ab und beobachteten zum Feierabend aus einem Versteck, wer von den Leuten sich das Getreide holen würde. Die Veruntreuer stellten sich auch nacheinander ein, um ihr Kom in Sicherheit zu bringen. Es waren zwei Männer und eine Frau. Als die Belegschaft des Volkseigenen Gutes am Monatsende zur Deputatausgabe herbeieilte, fragte der Parteigruppenvorsitzende einen jener Männer, die ihr Getreide im Strohschober versteckt hatten: „Wilhelm, wieviel Haushaltsgeld würdest du deiner Frau geben, wenn sie dir zuvor zehn Mark aus der Lohntüte entwendet hätte?"

„So eine Frage", erwiderte der Angeredete und hielt grinsend seinen Sack für das Deputat auf. „Überhaupt nichts." „Da sind wir gerechter", sagte der Vorsitzende, ,.denn wir werden dir nur um so viel Getreide weniger einwiegen, wie du dir schon selber genommen hast." Auf der Tenne sagte niemand ein Wort, als den drei Überführten nur der geringe Rest ihres Deputats in die Säcke geschaufelt wurde. Beschämt und schweigend zogen die drei von dannen.

Im Frühjahr des folgenden Jahres war, wie so oft in der Zeit des Neuanfangs, das Kartoffelpflanzgut rar. Die Sozialistische Einheitspartei und die Regierung riefen zu Spenden aus den knappen Wintervorräten der Bevölkerung auf, damit die Felder mit unserem Hauptnahrungsmittel bestellt werden konnten. Auf Fuhrwerken, die von Haus zu Haus fuhren, sammelte man die gespendeten Kar­toffeln pfundweise ein. Auch auf jenem Volksgut wurden in den Haushalten der

138 Damit wenden wir uns gegen die von D. Hujer vertretene These, daß die Begriffe „Erzählung und Schilderung in der Literaturwissenschaft ... selbstverständlich etwas anderes als im Aufsatzunterricht" bezeichnen (Hujer, a. a. O., S. 249).

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Belegschaft Kartoffeln gesammelt. Die Leute setzten ihren Ehrgeiz darein, die Steckkartoffeln für die Felder ihres Gutes aus eigenen Reserven zu sammeln. Aus den Sammellisten ging später hervor, daß jene drei Landarbeiter, die sich im Vorjahre egoistisch mit Getreide aus der gemeinsamen Ernte hatten versorgen wollen, die meisten Pflanzkartoffeln aus ihren Wintervorräten hergegeben hatten.“ (E. Strittmatter, Das Deputat.)

Der oben skizzierte Grundtyp des Erzählens läßt eine Vielfalt von Möglichkeiten subjektiver Ausformung zu. Das bezieht sich auf die Auswahl der Fakten, den Auf bau (z. B. Rückblenden oder Vorausdeutungen) und vor allem auch auf die sprach liehe Gestaltung der Erzählung. Daher lassen sich hier nur wenige verallgemei nerungsfähige Fakten anführen. Wortwahl und Syntax werden vor allem durch die Stilzüge Expressivität, Anschaulichkeit, Lockerheit und Pointiertheit der Dar Stellung geprägt. Die daraus resultierenden sprachlichen Mittel wirksamen Er­zählens sind vielfältig und für die Einzelerzählung keineswegs obligatorisch Wörter mit ausgeprägter emotionaler Färbung, Bilder und Vergleiche, Antithesen Wiederholungen, Parallelismen, direkte Rede, Variation der syntaktischen Struk turen, syntaktische Expressivstellung, um nur die wichtigsten zu nennen. Wegen der anzustrebenden Bewegtheit und Lebendigkeit der Textgestaltung er reicht die Anzahl der Verben bei der Erzählung die höchsten Werte (14-20 % Verben) Die Tempusform der Erzählung ist nicht festgelegt; es dominieren bei der Darstellung des „vollkommen Vergangenen" die Präteritaltempora; aber das Prinzip der Lebendigkeit der Darstellung läßt häufig auch Vergangenes als gegenwärtig erschei nen (historisches Präsens; vgl. 3.3.7.2.). Substantive und Adjektive treten zurück können allerdings für die Detaillierung von Einzelphasen des Geschehens - etwa für die Ausmalung von Ort, Zeit und Personen - von besonderer Bedeutung sein. Die Verbindung der Einzelheiten, der „flüssige Erzählstil", wird u. a. auch durch die Verwendung geeigneter Konjunktionen (bei denen die Temporalkon junktionen und auch Frageelemente eine besondere Rolle spielen) erreicht. Relativ groß ist auch die Zahl von Modalwörtern, Modalpartikeln und Modalverben, die der Spannungssteigerung und der emotionalen Wertung der Rede dienen.139 Die hier genannten Stilzüge und Stilelemente sind in gleichem Maße auch für die zahlreichen Erzählformen der künstlerischen Rede relevant; die Kunst des leben digen, fesselnden Erzählens beruht vor allem auf der bewußten - dem jeweiligen Erzählstoff und der Aussägeabsicht angemessenen - Auswahl und Kombination dieser Stilmittel und der künstlerischen Verdichtung der erzählten Begeben­heit.

Häufiger als die anderen bisher charakterisierten Darstellungsarten ist die Erzäh­lung mit schildernden und reflektierenden, gelegentlich auch mit beschreibenden und kommentierenden Elementen durchsetzt. Vor allem die erzählende Literatur bietet dafür eine Fülle von Beispielen. Daher wird das Erzählen von Krahl/Kurz als kombinierte Darstellungsart (vgl. 6.2.1.4.) bestimmt.140 Die „einfachen Formen"

des Erzählens aber, wie sie etwa durch die Anekdote repräsentiert werden, veran­lassen uns, das Erzählen zu den elementaren Grundverfahren des Darstellern zu rechnen und den Terminus „kombinierte Darstellungsart" auf die oben skizzierten Erweiterungen der Erzählstrukturen zu beschränken.

6.3.3.4. Erörtern

Das Erörtern wurde schon oben als informative Darstellensart gekennzeichnet. Der Gegenstandsbezug des Erörterns ist allerdings nicht eindeutig, und die prag­matische Komponente ist bei dieser Darstellensart stärker ausgeprägt als bei den bisher behandelten elementaren Typen der Darstellung. Offensichtlich handelt es sich beim Erörtern nur um ein bedingt einheitliches Verfahren der Textgestaltung, denn die kommentierenden und argumentierenden Elemente werden sehr häufig durch beschreibende und berichtende Elemente ergänzt. Daher wird die Erörterung gelegentlich auch als kombinierte Darstellungsart bewertet.1*1 Wir abstrahieren in diesem Zusammenhang von den möglichen Einschüben und bestimmen das Argumentieren und Kommentieren (vgl. 6.2.1.4.) als relevante Grundelemente, dieser Darstellungsart. Beide Verfahren wirken aufs engste zusammen beim Erfas­sen der Problemsituation, der Analyse und schließlich auch bei der Lösung des Problems. Mit Hilfe des argumentierenden Verfahrens werden z. B. mehrere Varianten bei der Lösung komplizierter Probleme miteinander verglichen und bewertet. Dabei spielen die Beweisführung, u. U. auch das Fixieren von Begriffs­inhalten (das Definieren), das Urteilen und das Schlußfolgern eine wesentliche Rolle. Das Kommentieren wiederum läßt die Bedeutung und Tragweite des Pro­blems - und selbstverständlich auch verschiedener Problemlösungen - hervortreten und macht Zusammenhänge deutlich.

In der Regel wird bei diesem komplexen Verfahren des Erörterns eine Verbindung von Allgemeinem und Besonderem hergestellt. Die Darstellung konkreter Sach-verhalte kann z. B. verallgemeinert werden und dann wiederum zu Schlußfolgerun­gen führen, die für das Besondere, also die Praxis, von Bedeutung sind. Ausgangs­punkt einer Erörterung können aber auch theoretische Fragestellungen sein, die zunächst durch Beispiele konkretisiert werden; am Ende dieser Kette kann dann wieder eine verallgemeinernde Schlußfolgerung stehen. Generelle Regeln für den Textaufbau von Erörterungen sind daher kaum aufstellbar; von Bedeutung ist vor allem eine klare, übersichtliche und logisch durchdachte Gliederung des Textes. Zum Wesen der Erörterung gehört es ferner, daß nicht nur Problemlösungen, „fertige Ergebnisse" mitgeteilt werden, sondern daß dem Empfänger eine Problem­lösung vorgestellt, verständlich gemacht wird.

  1. Vgl. dazu die Dissertation von Wiehmann, S.: Die Entwicklung der Befähigung der Schüler im Erkennen und im Gebrauch modaler Sprachmittel. Diss. Leipzig 1970

  2. Krahl/Kurz, a. ä. O., S. 46.

141 Sprache und Praxis, a. a. O., S. 317.

Erörterung:

„Zur Bedeutung des Konjunktivs

Wir sind bisher von der Konzeption Flämigs ausgegangen, vor allem von da Tatsache, daß der Konjunktiv keine temporale, sondern eine modale Bedeutung habe und daß man grundsätzlich zwischen einem Konj. I und einem Konj. II (jeweils mit bestimmten Grundbedeutungen) zu unterscheiden habe. Um die Zweckmäßigkeit dieser These im Hinblick auf eine Grammatik für Ausländer zu prüfen, stellen wir zunächst vier Sätze gegenüber:

  1. Er sagte, er sei krank.

  2. Er sagte, er wäre krank.

  3. Er sägte, er sei krank gewesen.

  4. Er sagte, er wäre krank gewesen.

Bei einem Vergleich des Informationsgehaltes dieser Sätze scheint es unbestreit­bar zu sein, daß (3) und (4) einerseits und (5) und (6) andererseits etwa dieselbe Information enthalten (bei (3) und (4) verläuft das Geschehen in Haupt- und Nebensatz gleichzeitig, bei (5) und (6) nicht). Zwischen (3) einerseits und (5) und (6) andererseits besteht jedoch ein tiefgreifender Unterschied semantischer Art, der nicht modalen, sondern vielmehr temporalen Charakter hat. Somit sind austauschbar der Konjunktiv Präs. in (3) und der Konjunktiv Prät. in (4) einer­seits, der Konjunktiv Perf. in (5) und der Konjunktiv Plusqu. in (6). Nicht aus­tauschbar sind - ohne grundlegende Veränderung des Inhalts - die beiden Kon­junktive I in (3) und (5) oder die beiden Konjunktive II in (4) und (6). Anders ausgedrückt: Es gibt in der indirekten Rede größere semantische Unterschiede zwischen Konjunktiv Präs. und Konjunktiv Perf. als zwischen Konjunktiv I und II (die jeweils ohne wesentliche Informationsänderung durcheinander substituiert werden können). ...

Auf Grund der Beispiele (3) bis (6) wird man jedoch den temporalen Charakter nicht übersehn können; es handelt sich freilich nicht um einen absoluten, sondern um einen relativen Zeitcharakter, nicht um eine Beziehung zur objektiv-realen Zeit, sondern um eine zeitliche Relation zwischen den Teilsätzen: In der indirekten Rede zeigen der Konjunktiv Präs. und der Konjunktiv Prät. die Gleichzeitigkeit mit der im Hauptsatz ausgedrückten Handlung, zeigen der Konjunktiv Perf. und der Konjunktiv Plusqu. die Vorzeitigkeit zu der im Hauptsatz ausgedrückten Handlung an. Diese Gesetzlichkeiten sind offensichtlich primär gegenüber den modalen Differenzierungen, handelt es sich doch um objektive Differenzierungen, die Unterschiede im Geschehen der Realität bloßlegen, während die modalen Unterschiede (Neutralisierung - Distanzierung) subjektiver Natur, d. h. vom Sprecher und seiner Kommunikationsabsicht bedingt sind. Die relativ-temporalen Unterschiede der Konjunktive sind obligatorisch, die modalen Unterschiede dagegen nur fakultativ." (G. Helbig, Probleme der deutschen Grammatik für Ausländer, Leipzig 1972, S. 19ff.) !

Die sprachliche Gestaltung von Erörterungen wird wesentlich von den Stilzügen geprägt, die für die Gesamtheit der informativen Texte charakteristisch ist: Objek­tivität der Darstellung, Exaktheit, Klarheit, relative Kürze. Hinzu kommt die Folgerichtigkeit der Gedankenführung.

Daraus resultiert das stärkere Hervortreten von Stilelementen, die für die Kenn­zeichnung von Relationen - und vor allem von kausalen Beziehungen - gleichsam spezialisiert sind: Konjunktionen, Adverbien und adverbiale Fügungen. Der Anteil der Substantive ist - entsprechend dem Gegenstand der Erörterung - wiederum relativ groß; Fachwörter aus den verschiedensten Fachgebieten sind für fundierte Argumentationen unentbehrlich. Verben treten dagegen zurück (durchschnittlich 7,5-10% des Gesamtwortbestandes).

Das argumentierend-kommentierende Vorgehen ist für alle Bereiche des gesell­schaftlichen Lebens von Bedeutung, für die Erfüllung der Produktionsaufgaben ebenso wie für die Erfassung, Bearbeitung und Lösung von Problemen auf politi­schem, wissenschaftlichem, sozialem und künstlerischem Gebiet. Aber auch im persönlichen Leben spielt das Erörtern von Problemen eine wesentliche Rolle. Gemeinsam ist allen Typen des Erörterns die kritische Untersuchung eines Sach­verhalts; das argumentierend-kommentierende Verfahren impliziert aber mit Notwendigkeit auch Wertungen verschiedenster Art und fordert daher vom Verfas­ser eine parteiliche Stellungnahme. Je nach dem Charakter dieser Urteile - mehr nüchtern, sachlich abwägend oder das Emotionale stärker hervorkehrend - unter­scheiden wir (den informativen Grundcharakter immer vorausgesetzt) den objek­tiven Grundtyp und eine stärker subjektiv geprägte Variante des Erörterns. Cha­rakteristisch für die zuletzt genannte Form der Darstellung ist die relative Locker­heit der Textgestaltung; außerdem erhalten subjektive Momente größeres Ge­wicht.

Subjektive Variante der Erörterung:

Die Aufgaben des Schriftstellers heute

„... Bevor wir von den Aufgaben der jungen und alten Schriftsteller im eigenen Land sprechen, erhebt sich die Grundfrage: Warum schreibt er denn, der Schrift­steller?

Viele Menschen leisten andauernd ihre schwere und komplizierte Arbeit in Fabriken, auf dem Land, in Instituten und Kliniken. Aber nur wenige haben das brennende Bedürfnis, die Vorgänge darzustellen, die sich vor ihnen abspie­len.

Jeder oder fast jeder Mensch kennt die Liebe. Doch nur einige haben das Bedürf­nis, über die Liebe zu schreiben.

Was aber geschrieben wird über den Aufbau, an dem sie mitarbeiten, oder über die Schulen oder über die Liebe oder die Freundschaft, das wirkt zurück auf den Leser. Ja, es wirkt dann wieder zurück auf die Wirklichkeit, die" sich doch eben erst seiner bemächtigt hatte, wirkt auf den ganzen Aufbau, sogar manchmal auf Freundschaften und auf Liebe, auf die Arbeit, auf das Denken und Fühlen der Menschen, die das Geschriebene lesen. Was aber löst in uns den Impuls aus zu schreiben?

Zwei Elemente, denke ich, und sie gehen ineinander über. Wir schreiben von innen heraus auf Grund unserer Natur und unseres Charakters und unserer spezifischen Fähigkeiten, und wir werden auch von außen dazu gebracht. Manch­mal durch ein dauerndes Klopfen an die Tür: Kannst du nicht für mich eintreten?

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Manchmal hören wir dieses Klopfen, ohne daß man geklopft hat.

Brecht hätte vielleicht seine drei großartigen Sätze gegen den Krieg ‚Carthago

führte drei Kriege...' nicht aufgeschrieben, wäre nicht an ihn die Bitte ergangen

etwas zu formulieren, was ihn zutiefst erregte.

Darum liegen gleich in der Antwort auf die Frage ,Warum schreibe ich? Warum

unterwerfe ich mich dieser strengen und freudigen Arbeit?' zwei neue Fragen

.Schreibe ich, was ich auch schreibe, einzig und allein aus innerem Bedürfnis

das sich entschieden selbst sein Thema wählt, oder im Auftrag, um zu helfen be:

der Veränderung?'

Ich glaube, zwischen diesen beiden Möglichkeiten gibt es, so verschieden sie

aussehen, keinen großen Unterschied. Wenn ich kein entschiedener Einsiedler

bin, sogar wenn ich ein Einsiedler wäre, würde ich ehrlich über meine eigenen

Probleme schreiben, aber dadurch schreibe ich auch über die Probleme der Weh

in der ich lebe." (A. Seghers, Die Aufgaben des Schriftstellers heute, 1966.)

Rezensieren (Erörterung von Büchern und Kunstwerken) und Interpretieren (Erörterung auf der Grundlage eines gegebenen Textes mit dem Ziel der Erklärung von Inhalt, Form und Wirkungsmöglichkeiten dieses Textes; stärker zum subjek tiven Typ tendierend)142, Beurteilen und Charakterisieren sind kombinierte Darstellungsarten, bei denen das erörternde Element als Basis dient.

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