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Lottchen_m.doc
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22.05.2015
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1 Luise und Lotte haben die Erlaubnis erhalten, in den Ort zu gehen. Die „doppelte Lotte“ soll unbedingt im Bild festgehalten werden. Um Fotos nach Hause zu schicken! Da wird man sich wundern!

2 Der Fotograf, ein gewisser Herr Eipeldauer, hat, nach der ersten Verblüffung, ganze Arbeit geleistet. Sechs verschiedene Aufnahmen hat er gemacht. In zehn Tagen sollen die Postkarten fertig sein.

3 Zu seiner Frau meint er, als die Mädchen fort sind:

4 „Weißt du was, am Ende schick ich ein paar Glanzabzüge an eine Illustrierte! Die interessieren sich manchmal für so was!“

5 Draußen vor seinem Geschäft dröselt Luise ihre „dummen“ Zöpfe wieder auf, denn die brave Haartracht beeinträchtigt ihr Wohlbefinden. Und als sie ihre Locken wieder schütteln kann, kehrt auch ihr Temperament zurück. Sie lädt Lotte zu einem Glas Limonade ein. Lotte sträubt sich. Luise sagt energisch: „Du hast zu folgen! Mein Vater hat vorgestern frisches Taschengeld geschickt. Auf geht’s!“

6 Sie spazieren also zur Försterei hinaus, setzen sich in den Garten, trinken Limonade und plaudern. Es gibt ja so viel zu erzählen, zu fragen und zu beantworten, wenn zwei kleine Mädchen erst einmal Freundinnen geworden sind!

7 Die Hühner laufen pickend und gackernd zwischen den Gasthaustischen hin und her. Ein alter Jagdhund beschnuppert die beiden Gäste und ist mit ihrer Anwesenheit einverstanden.

8 „Ist dein Vater schon lange tot?“ fragt Luise.

9 „Ich weiß es nicht“, sagt Lotte. „Mutti spricht niemals von ihm und fragen möcht ich nicht gern.“

10 Luise nickt. „Ich kann mich an meine Mutti gar nicht mehr erinnern. Früher stand auf Vaters Flügel ein großes Bild von ihr. Einmal kam er dazu, wie ich es mir ansah. Und am nächsten Tag war es fort. Er hat es wahrscheinlich im Schreibtisch eingeschlossen.“

11 Die Hühner gackern. Der Jagdhund döst. Ein kleines Mädchen, das keinen Vater, und ein kleines Mädchen, das keine Mutter mehr hat, trinken Limonade.

12 „Du bist doch auch neun Jahre alt?“ fragt Luise.

13 „Ja.“ Lotte nickt. „Am 14. Oktober werde ich zehn.“

14 Luise setzt sich kerzengerade. „Am 14. Oktober?“

Am 14. Oktober.“

15 Luise beugt sich vor und flüstert: „Ich auch!“

16 Lotte wird steif wie eine Puppe.

17 Hinterm Haus kräht ein Hahn. Der Jagdhund schnappt nach einer Biene, die in seiner Nähe summt. Aus dem offenen Küchenfenster hört man die Förstersfrau singen.

18 Die beiden Kinder schauen sich wie hypnotisiert in die Augen. Lotte schluckt schwer und fragt heiser vor Aufregung: „Und wo bist du geboren?“

19 Luise erwidert leise und zögernd, als fürchte sie sich: „In Linz an der Donau!“

20 Lotte fährt sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. „Ich auch!“

21 Es ist ganz still im Garten. Nur die Baumwipfel bewegen sich. Vielleicht hat das Schicksal, das eben über den Garten hinwegschwebte, sie mit seinen Flügeln gestreift?

22 Lotte sagt langsam: „Ich hab ein Foto von … von meiner Mutti im Schrank.“

23 Luise springt auf. „Zeig mir’s!“ Sie zerrt die andere vom Stuhl herunter und aus dem Garten.

24 „Nanu!“ ruft da jemand empört, „was sind denn das für neue Moden?“ Es ist die Förstersfrau. „Limonade trinken und nicht zahlen?“

25 Luise erschrickt. Sie kramt mit zitternden Fingern in ihrem kleinen Portemonnaie, drückt der Frau einen mehrfach geknifften Schein in die Hand und läuft zu Lotte zurück.

26 „Ihr kriegt etwas heraus!“ schreit die Frau. Aber die Kinder hören sie nicht. Sie rennen, als gälte es das Leben.

27 „Was mögen die kleinen Gänse bloß auf dem Kerbholz haben?“ brummt die Frau. Dann geht sie ins Haus. Der alte Jagdhund trottet hinterdrein.

1 Lotte kramt, im Kinderheim, hastig (поспешно) in ihrem Schrank. Unter dem Wäschstapel (из под стопки белья: die Wäsche + der Stapel) holt sie eine Fotografie hervor und hält sie der am ganzen Körper fliegenden Luise hin (протягивает «всем телом летящей» = дрожащей как осиновый лист Луизе: der Körper - тело).

2 Luise schaut scheu und ängstlich (робко и боязливо) auf das Bild. Dann verklärt (проясняется) sich ihr Blick. Ihre Augen saugen sich förmlich an dem Frauenantlitz fest (прямо-таки прилипают: «присасываются»; saugen – сосать).

3 Lottes Gesicht ist erwartungsvoll (полное ожидания) auf die andere gerichtet (направлено). Luise lässt, vor lauter Glück erschöpft (обессиленная от избытка счастья: «от крайнего, сплошного счастья»: das Glück), das Bild sinken und nickt selig (кивает счастливо: «блаженно»). Dann presst sie es wild an sich (прижимает дико = резко, горячо к себе) und flüstert: „Meine Mutti!“

4 Lotte legt den Arm um Luises Hals. „Unsere Mutti!“ Zwei kleine Mädchen drängen sich eng aneinander (тесно прижимаются друг к другу). Hinter dem Geheimnis, das sich ihnen eben entschleiert hat (за тайной, которая только что открылась; die Schleier – покров, завеса; entschleiern – снять покров; das Geheimnis), warten neue Rätsel (загадки: das Rätsel), andere Geheimnisse.

5 Der Gong dröhnt (громко звучит, раздается) durchs Haus. Kinder rennen lachend und lärmend treppab (вниз по лестнице; die Treppe - лестница). Luise will das Bild in den Schrank zurücklegen. Lotte sagt: „Ich schenke dir’s!“

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