- •Wladislaw Baschkirow Deutsche Medien berichten
- •Предисловие
- •Trotz allem: Teuer!
- •Lernen im Alter? Yes we can!
- •Studium international: frühzeitig informieren lohnt sich!
- •15 Jahre bologna-prozess
- •Auslandssemester im StudiumBloß keine Zeit verlieren – Auslandsaufenthalte stagnieren
- •Wer ist Mister Bologna?
- •Das bisschen Haushalt ...
- •Haushalt bleibt Frauensache
- •Ist die Ehe nicht mehr zeitgemäß?
- •Das bisschen Haushalt ...
- •Von tina groll
- •Moderne Beziehungsformen: Deutsche sind unentschieden
- •Neue Eltern für ein Kind
- •Trennt euch endlich!
- •Von Ulrich Schmidt-Denter
- •Das Trauma überwinden
- •"Kinder sind flexibel"
- •Erst Karriere, dann Kinder Deutsche Welle
- •Kapitel 3. Gesellschaft Kluft zwischen Arm und Reich wächst
- •Große Unterschiede zwischen arm und reich. Eltern geben bis zu 900 Euro im Monat fürs Kind aus
- •Behinderte Eltern - der Alltag als Hürdenlauf
- •Behinderte wollen raus aus der Armutsfalle
- •Bewerbung mit behinderung "Man sieht es mir nicht an"
- •Wir brauchen keinen Spucknapf, sondern einen anspruchsvollen Job
- •Drogen- und suchtbericht Alkoholkonsum in Deutschland beunruhigend hoch
- •Drogenkonsum "Alle Drogen sind schädlich, aber nicht alle sind gleich schädlich"
- •Der lange Abschied vom Drogensumpf
- •Suchttherapeut: Internetsucht trifft Alte und Junge
- •Kapitel 4. Deutsche Sprache deutsche sprache, irre sprache?
- •Lernen und Integration
- •Leichte Sprache Deutsch light
- •50 Jahre Institut für Deutsche Sprache
- •Lies mich!
- •Welche Sprachen sind für Deutsche leicht zu lernen?
Lernen im Alter? Yes we can!
Interview: Christian Heinrich
DIE ZEIT Nº 49/2013
Warum ältere Menschen Jüngere sogar überflügeln können, erklärt der Lernforscher Christian Stamov Roßnagel.
DIE ZEIT: Herr Stamov Roßnagel, Sie forschen an einem universitären Zentrum für Lebenslanges Lernen in Bremen. Bis zu welchem Alter kann der Mensch Neues lernen?
Christian Stamov Roßnagel: Bis ins hohe Alter, praktisch sein Leben lang. Dass man im Alter nicht mehr lernen kann, ist ein großer, leider weitverbreiteter Irrtum. Die Lernfähigkeit selbst nimmt nämlich gar nicht ab, allenfalls lässt die Lerngeschwindigkeit etwas nach. Aber noch bei 70-Jährigen sind die Unterschiede im Vergleich zu Jüngeren oft so gering, dass es keinen Grund gibt, älteren Beschäftigten zum Beispiel andere, eher unbedeutende Aufgaben zuzuweisen.
ZEIT: Trotzdem spielt es heute bei vielen Unternehmen eine Rolle, wie alt man ist. Wenn es um neue Aufgaben und Themenfelder geht, traut man den Jüngeren oft zu, dass sie sich schneller einarbeiten.
Stamov Roßnagel: Ja, und das ist ein trauriges Missverständnis, das sich selbst nährt. Sobald jemandem ab einem gewissen Alter mal ein Fehler unterläuft, wird der oft auf das Alter geschoben. Das ist bei uns gesellschaftlich leider gang und gäbe. Wenn ein Mann um die 70 am Fahrkartenautomaten steht und nicht zurechtkommt, zweifelt man gleich an seinen kognitiven Fähigkeiten: Das ist zu modern für den Alten, der kommt damit nicht zurecht. Wenn aber ein 30-Jähriger dort Probleme hat, denkt jeder: Die Dinger sind einfach nicht benutzerfreundlich. Man macht für vieles automatisch das Alter verantwortlich, so kommt eine sich selbst stabilisierende Wahrnehmung zustande – die natürlich auch bei den Älteren verankert ist. Wir hatten mal mit einem Mitarbeiter einer großen Technologiefirma zu tun, er war Mitte 50 und sollte eine Computerschulung bekommen. Er aber sagte: Dafür bin ich zu alt. Gleichzeitig war er in seinem Verein Kassenwart und hatte dort von Kassenbuch auf Tabellenkalkulation umgestellt. Als wir nachfragten, meinte er: Klar, im Verein bin ich noch einer der Jüngeren, im Betrieb bin ich einer der Älteren. Dort sehe ich alt aus.
ZEIT: Die Redewendung "alt aussehen" steht für Misserfolg.
Stamov Roßnagel: Dabei spielt das Alter kaum eine Rolle, wenn man sich die Leistung ansieht. Es ist eher die Selbsteinschätzung, die ältere Mitarbeiter hemmt, wie wir in einer Studie zeigen konnten. Dazu haben wir uns bei einer Gruppe von Arbeitnehmern zwischen 50 und 60 Jahren zehn Stunden Zeit genommen, um ihnen in "Lernexperimenten" am eigenen Leib zu zeigen: Sie können genauso gut lernen wie ihre 30-jährigen Kollegen. Und siehe da, einige Monate später schnitten sie bei Lern- und Motivationstests tatsächlich genauso gut ab wie die jüngeren Kollegen und brauchten 20 Prozent weniger Lernzeit. Bei einer Vergleichsgruppe waren die älteren Mitarbeiter unverändert in Sachen Motivation und Lernleistung – offenbar, weil sie in dem Glauben gelassen worden waren, dass sie langsamer lernen als Jüngere.
ZEIT: Die Unterschiede zwischen den Altersstufen verschwanden also, sobald ein gesellschaftliches Vorurteil abgebaut wurde?
Stamov Roßnagel: Genau. Wir haben in Untersuchungen herausgefunden: Die meisten Unterschiede zwischen den Leuten werden durch Persönlichkeitsmerkmale, die Tätigkeit und ihre Ausbildung definiert – aber nicht durch das Alter. Man kann sowieso nicht von "den Älteren" sprechen, weil die Unterschiedlichkeit der Menschen mit dem Alter zunimmt.
ZEIT: Ältere hatten ja auch mehr Zeit, sich individuell zu entwickeln.
Stamov Roßnagel: Deshalb sind Ältere eben meist mehr "ausdefiniert", sie haben mehr Profil. Wenn zum Beispiel im Unternehmen die Führung nicht gut ist, dann gehen die Älteren eher auf die Barrikaden, während die Jüngeren mangelnde Wertschätzung um der Karriere willen häufig schlucken. Es heißt dann oft, Ältere seien weniger flexibel, aber das ist einfach erklärbar: Wenn man einiges erreicht hat, ein Haus, eine Familie, eine Stellung, dann ist eine Veränderung nun einmal bedrohlicher als bei jemandem mit Mitte 30. Das hat aber nichts mit dem Gehirn und der Lernfähigkeit zu tun.
ZEIT: Das heißt, ein älterer Mensch kann genauso gut lernen wie ein jüngerer Mensch?
Stamov Roßnagel: Oft übertrumpfen ältere Menschen Jüngere sogar, weil sie neue Informationen leichter in ihr größeres Vorwissen einordnen können. Auch die verbalen Fähigkeiten steigen konstant an und bleiben bis ins hohe Alter stabil: Die Sprachgewandtheit Älterer ist eindeutig höher. Grundsätzlich gilt: Je breiter, umfassender und komplizierter die Herausforderungen sind, desto kleiner sind die Unterschiede zwischen Älteren und Jüngeren.
ZEIT: Wie erklären Sie sich dann, dass bei Kombinations- und Rechenaufgaben 60-Jährige immer wieder schlechter abschneiden als 25-Jährige?
Stamov Roßnagel: Solche Laboruntersuchungen messen gezielt elementare Prozesse und beschränken die Nutzung von Vorwissen und Strategien so weit wie möglich. Zudem wird häufig die Reaktions- und Bearbeitungszeit gemessen. Da schneiden Jüngere in der Tat besser ab als Ältere.
(http://www.zeit.de/studium/2014-08/erasmus-auslandsstudium-studentin-lulu/seite-2)
Schnell studiert und abgestraft
Von Ruben Karschnick
DIE ZEIT
60 Prüfungen in 20 Monaten: Nur vier Semester hat Bankkaufmann Marcel Pohl für Bachelor und Master gebraucht. Nun verklagt ihn seine Uni.
Dass jemand sein Studium als Dauerlauf bezeichnet, passiert in Zeiten der Bologna-Reform häufiger. Meist ist das durch überfüllte Stundenpläne oder Berge an Hausarbeiten bedingt; eher selten verbirgt sich dahinter Sportsgeist.
Bei Marcel Pohl ist das anders, auch wenn er eher Sprinter als Dauerläufer ist. "Eigentlich dachte ich, ein duales Studium sei bereits eine besondere Leistung", sagt der 22-jährige Bankkaufmann. "Nach ein paar Wochen habe ich festgestellt, dass ich noch nicht an der Belastungsgrenze bin." Also überlegte er sich, wie er sein Studium effizienter und vor allem schneller über die Bühne bringen könnte.
Die Strukturen an Pohls Uni kamen ihm entgegen. Die Hochschule für Oekonomie & Management (FOM) in Essen bietet zwei Modelle an: Die Studenten können wählen zwischen Kursen am Freitag und Samstag oder an drei Abenden unter der Woche. Tagsüber arbeiten sie im Unternehmen, bei dem sie ihr duales Studium absolvieren. Die FOM hat 22 Standorte in ganz Deutschland; zur richtigen Zeit am richtigen Ort, ist es fast immer möglich, einen bestimmten Kurs zu besuchen.
Daraus müsste sich doch was machen lassen, überlegte sich Pohl. Zwei seiner Kommilitonen dachten ähnlich. Je mehr die drei sich mit dem Gedanken beschäftigten, desto mehr packte sie der Ehrgeiz. "Wir wollten eine besondere Leistung auf die Beine stellen", sagt Pohl. Also starteten sie ein Experiment: Wie schnell können wir das Studium schaffen? Normalerweise dauert das duale Studium an der FOM elf Semester.
Schwieriger als das Lernen ist die Organisation
"Anfangs dachten wir, dass wir nicht viel Spielraum haben werden", sagt Pohl. Doch die drei Kommilitonen entwickelten eine Taktik: Jeder besuchte unterschiedliche Vorlesungen, dafür reisten sie ständig quer durch Deutschland. Abends erzählten sie sich den Stoff in Telefonkonferenzen. Sie versuchten, Prüfungstipps der Professoren herauszuhören, um effizient lernen zu können.
Als besonders leicht gilt das Studium an der FOM nicht. Dass jemand unter der Regelstudienzeit abschließt, ist selten. Die meisten brauchen eher länger. "Zwischendurch hatten wir schon Angst, zu scheitern oder durchzufallen", sagt Pohl. Gerade wenn er mal wieder ein 600-seitiges Skript zum Steuerrecht durcharbeiten musste, dachte er sich: "Mist, wofür machst du das eigentlich?"
Noch viel schwieriger als das viele Lernen war für die drei Kommilitonen allerdings die Organisation ihres Studiums, hauptsächlich das viele Reisen. "Bei unseren Arbeitgebern war viel Überzeugungsarbeit nötig, damit die ein Auge zudrücken", sagt Pohl, der tagsüber in einer Bank arbeitete. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Nach nur eineinhalb Semestern hielt Pohl sein Bachelor-Zeugnis in der Hand. Doch das Turbo-Studium verlangte seinen Preis: "Zeit für Freunde musste ich auf ein Minimum begrenzen, ich konnte höchstens von unterwegs eine SMS schreiben oder kurz anrufen", sagt Pohl. "Mein engster Familienkreis hat mich nur spät abends gesehen – wenn sie lange wach geblieben sind."
Trotzdem blieben Pohl und seine Kommilitonen bei ihrem sportlichen Plan – und schafften knapp ein Jahr später ihren Master. Bilanz: 60 Prüfungen in 20 Monaten. Eineinhalb Semester für den Bachelor, zwei für den Master.
Aus dem Happy End aber wurde zunächst nichts, denn inzwischen streitet Pohl mit seiner ehemaligen Hochschule vor Gericht. Die FOM möchte, dass er die Studiengebühren für volle elf Semester bezahlt, sie fordert mehrere tausend Euro Nachzahlung.
Aus Sicht der Hochschule zahlt der Student nämlich für das Studium an sich, egal wie lange es dauert. Der Prorektor der FOM, Stefan Heinemann, erklärte imDeutschlandfunk : "Wir dürfen jetzt nicht hingehen und sagen: Na, ja! Aufgrund einer besonderen Leistung gibt es eine wirtschaftliche Bevorzugung." Die normalen Studenten müssten höhere Gebühren zahlen, wenn es künftig mehr Turbo-Studenten gäbe.
"Das ist völliger Blödsinn", sagt Pohl. "Die Ressourcen sind ja jetzt für andere Studenten frei." Zwar sei es nie das Ziel gewesen, durch das schnelle Studium Gebühren zu sparen. Doch für ihn ist es eine Frage der Gerechtigkeit, nur so viele Semester zahlen zu müssen, wie er auch studiert hat.
Am 18. Juli will das Gericht eine Entscheidung treffen. Vielleicht muss es aber gar nicht so weit kommen. "Wir kommen gerade zusammen", sagt Pohl, "eventuell können wir uns schon vor Prozessende einigen."
Marcel Pohl, 22 Jahre alt, Masterabsolvent. Und nun? "Ich bin Projektmanager bei einer Bank und beginne gerade mit meiner Promotion", sagt er. Klingt, als gehe es mit der Karriere weiter wie bisher. Doch seinen sportlichen Ehrgeiz hat der Student erst einmal befriedigt: Vielleicht will er sich mit der Doktorarbeit sogar etwas länger Zeit lassen als vorgesehen. "Im Studium ging es um gute Ergebnisse in kurzer Zeit, jetzt will ich in die Tiefe gehen." Freunde und Familie haben sicher nichts dagegen.
http://www.zeit.de/studium/uni-leben/2012-07/turbo-student-fom
